Ich kann dir sagen wie ich es bei meiner Hündin gemacht habe. Beim Training für den Freilauf habe ich gezielt mit Reizen wie Rehen, Raben oder Enten gearbeitet. Das kann man aber individuell machen. Auch mit anderen Hunden, wenn die ein Thema sind.
Der erste Schritt war, diese Reize aus einer sicheren Distanz zu beobachten, die für meinen Hund noch gut auszuhalten war, ohne dass er Anzeichen von Stress, Überforderung zeigte oder die Tiere jagen wollte. Diese Distanz habe ich je nach Reaktion meines Hundes flexibel angepasst. Ziel war es, dass mein Hund den Reiz wahrnimmt, sich aber weiterhin auf mich und die Situation konzentrieren kann, ohne sofort zu reagieren.
Im Verlauf des Trainings haben wir uns den Tieren schrittweise genähert, wobei der Hund immer die Möglichkeit hatte, den Reiz in seinem Tempo zu verarbeiten. Die Leine spielte dabei eine wichtige Rolle: Zunächst habe ich mit einer kürzeren Leine gearbeitet, um meinem Hund mehr Sicherheit zu geben. Mit fortschreitendem Training und wachsendem Vertrauen in die Selbstregulation meines Hundes wurde die Leine immer länger, bis hin zur Schleppleine.
Wenn der Hund Anzeichen von Überforderung zeigt, wie Ziehen, Fiepen oder starke Anspannung, wird die Distanz wieder vergrößert, um ihn zu unterstützen.
Der nächste Schritt ist der Freilauf. Sobald mein Hund zuverlässig gelernt hat, sich an mir zu orientieren und Impulse zu kontrollieren, löse ich die Schleppleine, um noch mehr Freiheit zu geben. Das Training bleibt dabei gleich: Der Hund lernt, dass ruhiges Verhalten nicht nur an der Leine, sondern auch ohne Leine die angenehmste Option ist. Es ist ja auch weniger Stress für sie. Sie ist nicht verantwortlich für die Reaktion auf einen Reiz. Wichtig ist, dass dieser Übergang schrittweise erfolgt, damit der Hund die gleichen Verhaltensweisen, die er mit der Schleppleine gezeigt hat, auch im Freilauf beibehält. Durch die vorherige Arbeit mit der Schleppleine hat sie die Fähigkeit entwickelt, Reize selbstständig zu bewältigen, ohne auf äußere Belohnungen oder Korrekturen angewiesen zu sein.
So kann sie z.B. direkt an Enten und Raben vorbei laufen. Wenn sie sich unsicher ist, läuft sie hinter mich. Es ist ähnlich wie das Training was man oft mit Welpen macht, wenn die Schutz suchen beim Menschen. Nur das man es so aktiv fördert.
Ich bediene mich damit quasi am natürlichen Bedürfnis von Sicherheit und Orientierung.
Womit ich bei dem Ansatz ein wenig hadere ist deine Aussage, dass der Hund am Anfang kurz genommen werden soll, um Sicherheit zu geben.
Das hört man ja oft und ich habe es auch schon in Büchern zum Thema Angst gelesen. Eine Autorin geht sogar so weit, dass sie sagt, man solle einen Hund direkt aus dem Romänientransporter nehmen und erstmal fest halten, auch wenn er sich wehrt (natürlich mit Vorsichtsmaßnahmen), das gäbe ihm Sicherheit.
Vielleicht widerstrebt mir der Ansatz so, weil ich es auch nicht mag von Fremden bedrängt zu werden und selbst auch nicht von nahen Personen, wenn ich gestresst bin.
So beobachte ich das auch bei Pepe, schränke ich ihn in Situationen mit erhöhtem Erregungslevel an kurzer Leine ein, passiert das Gegenteil von „Sicherheitstransfer“. Und das, obwohl er der Kontaktlieger vor dem Herren ist.
Ich bin der Meinung, dass die Wegnahme der Selbstwirksamkeit bei vielen Hunden kontraproduktiv ist. Pepe braucht das Gefühl wirksam handeln zu können, wenn er Angst bekommt.
Gibt es beispielsweise einen Knall beim Spaziergang, lasse ich ihn einige Meter flüchten (natürlich nur dort, wo er sich nicht gefährden kann), bis er sich wieder selbst reguliert hat, das funktioniert bei ihm erstaunlich gut.
Ach ja, und vielen Dank für deine Beharrlichkeit, dein Insistieren und deine Guduld.