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Verfasser
Tanja
Einleitungs-Beitrag
Anzahl der Antworten 22
zuletzt 13. Juli

Impulskontrolle

Vielleicht kann mir jemand einen Rat geben. Mein 7 Monate alter Klein Pudel scheint wohl gerade seinen eigenen Kopf durch setzen zu wollen. Es ist unser erster Welpe und haben dementsprechend nicht sehr viel Erfahrung mit der Erziehung. Seit ein paar Tagen bellt er sobald er auf dem Balkon was hört oder sich abends im Treppenhaus was tut. Da bekommen wir ihn aber gut wieder abgeholt. Nur beim Gassi gehen bekomme ich ihn ganz schlecht bis gar nicht mehr beruhigt er geht nur noch in die Leine egal was ich Versuche er hat nur die Nase auf dem Boden und zieht. Ich bekomme einfach keinen Fokus von ihm. Es ist teilweise so extrem das er sogar so abgelengt ist das er nicht mal mehr sein Geschäft machen kann. Sein Bein hebt er noch nicht aber kann es trotzdem schon sein dass er in der Pubertät ist? Oder hab ich irgendwas falsch gemacht? Bin für jeden Rat dankbar.
 
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Sonja
12. Juli 22:22
Dann gebe ich dir einfach mal die Antworten ☺️ Freddy ist jetzt ca 6 Wochen bei uns und kam als Häufchen Elend aus Ungarn vom Tierschutz bei uns an. Leider gab uns der Tierschutz auch auf mehrmaliges nachfragen keine genaueren Details über seine Herkunft. Die Mutter muss wohl bekannt gewesen sein da das Geburtsdatum vorhanden ist. Ich denke auch dass er in Sozialisierungsphase einiges verpasst hat. Da wir in einer Hunde reichen Gegend leben reagiert er auf dem Balkon meistens wenn er andere Hunde hört bzw riecht. In den letzten Tagen reichte es schon das wir aus der Tür raus sind und er hing schon vorne dran. Ich denke mittlerweile das es ein schlüsselerlebnis gibt. Abends bei der letzten Runde war es dunkel und plötzlich stand eine Katze vor ihm da hat er sich so erschrocken und ich konnte ihn fast nicht mehr beruhigen total überdreht und am Bellen bis ich ihn dann nach Hause tragen musste. Bei Hunde Begegnungen bekomme ich ihn kaum abgeholt er schaut zwar mal kurz zu mir versteckt sich in Notfall auch bei mir nur ich bekomme ihn nicht beruhigt. Was das Rückruf Training hier bei uns ziemlich erschwert da selbst in der ruhigsten Ecke ein Hund vorbei kommen könnte. Leider kam Freddy ganz spontan zu uns und ich konnte nicht damit rechnen dass ich gerade finanziell ziemlich eingeschränkt bin somit kann ich mir das geplante Training gerade nicht leisten. Was mir totale Bauchweh bereitet denn die Sorge das ich in den nächsten zwei Monaten meinen Hund falsch verstehe könnte macht mich schon etwas unsicher. Von meinem Hund erwarte ich eigentlich erstmal nichts anderes als das was er von mir erwartet und zwar verständliche kommunikation. Ich würde gerne wissen wann ich ihm eher Grenzen aufzeigen muss bzw er meint er kann entscheiden. Es sind die Kleinigkeiten die ich evtl übersehe aber im schlimmsten Fall gravierende Folgen haben können. Er ist sehr schlau und scheint schon eine ziemlich klare Struktur zu benötigen sonst habe ich das Gefühl dass er uns erzieht nur da hört es bei mir und meinem Hund Halbwissen schon auf. Ich hatte nun mal vorher keine Möglichkeit mich mit so Jungen Hunden auseinander zu setzen und mir fehlt total die Erfahrung. Meine Sorge ist das ich zuviel oder zu wenig mache. So jetzt hab ich aber schon viel zu viel geschrieben. Vielen Dank für das Interesse. Sabine
Hallo Tanja,
Zunächst einmal finde ich es beeindruckend, wie positiv und kreativ Du trotz Deiner Unsicherheit an die Sache ran gehst. Du brauchst lediglich noch etwas Hintergrundwissen, um Deine Unsicherheit zu verlieren.
Dazu kann ich Dir einen Podcast empfehlen, den ich mir gerade nach und nach anhöre - und den ich jedem nur ans Herz legen kann. "Good Vibrations. Entspannt leben mit Hunden"
https://open.spotify.com/show/6Y8VimkwMXQZJ3jK7xUqU0?si=TlrYcipoRmCs4OyCbRKUuQ

Dass Du Eure Situation so ausführlich geschildert hast, hilft, sie richtig einzuordnen. Und keine Sorge, mein Text wird länger. 😜

Das klingt jetzt wahrscheinlich komisch, aber ich finde es hilfreich, dass Du gerade kein Geld für Kurse, Hundeschule und Trainer hast. Denn 6 Wochen sind gar nichts, Dein Hund ist überhaupt noch nicht angekommen. Die durchschnittliche Zeit, die das bei einem Auslandstierschutzhund braucht, liegt bei einem Jahr.
Daher braucht Freddy jetzt noch eine ganze Weile "nur das Nötigste". Routinen im Alltag. Möglichst wenig Reize. Und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Kein Training, sondern Eure kleine Welt erkunden, nur zu Hause und direkte Umgebung, und davon so wenig und ruhig wie möglich. Der noch fehlende Fokus und das sich nicht Lösen können, die viele Aufregung und das Ziehen, das sind alles Anzeichrn von Überforderung.
Rückruftraining ist wichtig, wenn Du ihn auch mal ableinen willst. Aber jetzt noch nicht, das solltest Du später trainieren. Statt über Freilauf nachzudenken würde ich ihn nur gut gesichert ausführen, mit Sicherheitsgeschirr und evtl. doppelter Absicherung. Denn in Panik kann er sich aus einem normalen Geschirr rauswinden, und solange er in die Leine geht, sollte die Hauptleine am Geschirr sein, um Verletzungen an Halswirbelsäule und Kehlkopf zu vermeiden.
Du musst von Anfang an Grenzen setzen, Regeln durchsetzen, aber überleg Dir bitte, welche Regeln wirklich notwendig und wichtig sind, und beschränke Dich darauf. Wir schon gesagt wurde, den Balkon erst noch so viel wie möglich meiden. Dort kann er zu Zeiten hin, wenn Draußen nichts los ist.

Um Deinen Hund zu beruhigen, musst Du selbst ruhig sein. Ist er panisch oder sichtlich überfordert, musst Du ihn aus der Situation raus führen. Dann könnt ihr sie mit etwas Abstand beobachten. In allen anderen Situationen nimmst Du Dir Zeit. Ihr bleibt stehen, Du lässt ihn schnüffeln, und zwar bis er damit fertig ist. Er geht dann von selbst weiter. Zum einen kann er dann in Ruhe Eure kleine Welt erkunden, zum anderen merkt er, dass Du seine Bedürfnisse und Wünsche wahrnimmt. Das fördert Eure Beziehung. Außerdem bringt das mehr Ruhe rein.

Wenn Freddy sehr aufgeregt oder ängstlich ist, sei für ihn da, an seiner Seite. Also nicht am anderen Ende einer langen Leine, sondern neben ihm. Erklär ihm die Reize, immer mit ausreichendem Abstand, den Du im Zweifel erst vergrößern musst. Auch das bringt Ruhe rein, und Ihr stellt Euch den Reizen zusammen. Dadurch wird er sich bald an Dich wenden.

Hunde wenden sich oft an ihre Halter, ohne dass das bemerkt wird. Am häufigsten werden kurze Blicke übersehen, die vom Hund aber sehr oft kommen. Versuch, auf jede Kontaktaufnahme, jeden Blick, jedes auf Dich zu laufen oder auch stehen bleiben und warten zu reagieren, mit einem Kopfnicken, einem Wort, einem Lob. Freddy kommuniziert mit Dir, Du musst es nur erkennen.

Sabine hat schon einen tollen Kommentar geschrieben, was Du noch alles tun kannst. Ich widerspreche ihr nur in einem Punkt: Du musst nicht alles entscheiden. Dein Hund lernt Strategien, mit Situationen umzugehen, am besten, wenn er sie selbst entwickelt. Dein Part dabei ist, alles positiv zu bestärken, was eine gute Strategie ist. Wenn die Strategie nicht gut oder sogar gefährlich ist, kannst Du ihm Alternativen vorschlagen / aufzeigen. Durch Management verhinderst Du, dass Schlimmes passiert. Zum Beispiel kannst Du Freddy bei Hundebegegnungen ausreichend Leine lassen, dass er selbständig ausweichen und einen Bogen laufen kann, aber gleichzeitig die Leine kurz genug halten, dass er nicht in direkten Kontakt zu dem anderen Hund gerät.
Nimmst Du Deinem Hund zu viele Entscheidungen ab, wird er davon abhängig, dass Du ihm Vorgaben machst. Dann weiß er ohne Deine Anweisungen nicht, wie er sich verhalten soll.

Mach Dich nicht verrückt. Du wirst Fehler machen, Dinge versäumen, ihn falsch verstehen - das geht uns allen so. Gravierende Folgen hat das nur selten, in der Regel ist es gut zu korrigieren.
Du musst keine Angst davor haben, dass Freddy Euch erzieht, denn das tun Hunde nicht, das ist rein menschliches Denken. Was oft so interpretiert wird, ist der Versuch, Bedürfnisse zu befriedigen. Der Hund will etwas, hat ein Bedürfnis, und will dessen Befriedigung durchsetzen. Das kann man oft zulassen, und manchmal auch nicht.

Freddy ist am Anfang der Pubertät. Das ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, keine behandlungsbedürftige Krankheit. Dein Hund braucht in erster Linie Verständnis dafür, dass in seinem Kopf viel durcheinander gerät und er weder gut lernen noch gelerntes gut abrufen kann. Mit dem erwachenden sexuellen Interesse muss er umgehen lernen. Das kann er nicht, wenn es unterdrückt wird. Für Hundehalter ist die Pubertät zeitweise anstrengend, aber der Umgang damit ist hauptsächlich Einstellungssache. Sieht man die Pubertät als wichtigen normalen Entwicklungsschritt an, bei dem der Hund unsere Hilfe braucht, und steigt nicht ein in die Jammertiraden über Hunde in der Pubertät (die nicht an allem Schuld ist, was passiert), ist diese Zeit nur noch halb so schlimm.

Also tief durchatmen, auf das Positive konzentrieren, so viel wie möglich über Hunde lernen, und immer Ruhe bewahren - Du wirst sicher eine tolle Halterin für Freddy.
 
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Sabine
13. Juli 07:58
Hallo Tanja, Zunächst einmal finde ich es beeindruckend, wie positiv und kreativ Du trotz Deiner Unsicherheit an die Sache ran gehst. Du brauchst lediglich noch etwas Hintergrundwissen, um Deine Unsicherheit zu verlieren. Dazu kann ich Dir einen Podcast empfehlen, den ich mir gerade nach und nach anhöre - und den ich jedem nur ans Herz legen kann. "Good Vibrations. Entspannt leben mit Hunden" https://open.spotify.com/show/6Y8VimkwMXQZJ3jK7xUqU0?si=TlrYcipoRmCs4OyCbRKUuQ Dass Du Eure Situation so ausführlich geschildert hast, hilft, sie richtig einzuordnen. Und keine Sorge, mein Text wird länger. 😜 Das klingt jetzt wahrscheinlich komisch, aber ich finde es hilfreich, dass Du gerade kein Geld für Kurse, Hundeschule und Trainer hast. Denn 6 Wochen sind gar nichts, Dein Hund ist überhaupt noch nicht angekommen. Die durchschnittliche Zeit, die das bei einem Auslandstierschutzhund braucht, liegt bei einem Jahr. Daher braucht Freddy jetzt noch eine ganze Weile "nur das Nötigste". Routinen im Alltag. Möglichst wenig Reize. Und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Kein Training, sondern Eure kleine Welt erkunden, nur zu Hause und direkte Umgebung, und davon so wenig und ruhig wie möglich. Der noch fehlende Fokus und das sich nicht Lösen können, die viele Aufregung und das Ziehen, das sind alles Anzeichrn von Überforderung. Rückruftraining ist wichtig, wenn Du ihn auch mal ableinen willst. Aber jetzt noch nicht, das solltest Du später trainieren. Statt über Freilauf nachzudenken würde ich ihn nur gut gesichert ausführen, mit Sicherheitsgeschirr und evtl. doppelter Absicherung. Denn in Panik kann er sich aus einem normalen Geschirr rauswinden, und solange er in die Leine geht, sollte die Hauptleine am Geschirr sein, um Verletzungen an Halswirbelsäule und Kehlkopf zu vermeiden. Du musst von Anfang an Grenzen setzen, Regeln durchsetzen, aber überleg Dir bitte, welche Regeln wirklich notwendig und wichtig sind, und beschränke Dich darauf. Wir schon gesagt wurde, den Balkon erst noch so viel wie möglich meiden. Dort kann er zu Zeiten hin, wenn Draußen nichts los ist. Um Deinen Hund zu beruhigen, musst Du selbst ruhig sein. Ist er panisch oder sichtlich überfordert, musst Du ihn aus der Situation raus führen. Dann könnt ihr sie mit etwas Abstand beobachten. In allen anderen Situationen nimmst Du Dir Zeit. Ihr bleibt stehen, Du lässt ihn schnüffeln, und zwar bis er damit fertig ist. Er geht dann von selbst weiter. Zum einen kann er dann in Ruhe Eure kleine Welt erkunden, zum anderen merkt er, dass Du seine Bedürfnisse und Wünsche wahrnimmt. Das fördert Eure Beziehung. Außerdem bringt das mehr Ruhe rein. Wenn Freddy sehr aufgeregt oder ängstlich ist, sei für ihn da, an seiner Seite. Also nicht am anderen Ende einer langen Leine, sondern neben ihm. Erklär ihm die Reize, immer mit ausreichendem Abstand, den Du im Zweifel erst vergrößern musst. Auch das bringt Ruhe rein, und Ihr stellt Euch den Reizen zusammen. Dadurch wird er sich bald an Dich wenden. Hunde wenden sich oft an ihre Halter, ohne dass das bemerkt wird. Am häufigsten werden kurze Blicke übersehen, die vom Hund aber sehr oft kommen. Versuch, auf jede Kontaktaufnahme, jeden Blick, jedes auf Dich zu laufen oder auch stehen bleiben und warten zu reagieren, mit einem Kopfnicken, einem Wort, einem Lob. Freddy kommuniziert mit Dir, Du musst es nur erkennen. Sabine hat schon einen tollen Kommentar geschrieben, was Du noch alles tun kannst. Ich widerspreche ihr nur in einem Punkt: Du musst nicht alles entscheiden. Dein Hund lernt Strategien, mit Situationen umzugehen, am besten, wenn er sie selbst entwickelt. Dein Part dabei ist, alles positiv zu bestärken, was eine gute Strategie ist. Wenn die Strategie nicht gut oder sogar gefährlich ist, kannst Du ihm Alternativen vorschlagen / aufzeigen. Durch Management verhinderst Du, dass Schlimmes passiert. Zum Beispiel kannst Du Freddy bei Hundebegegnungen ausreichend Leine lassen, dass er selbständig ausweichen und einen Bogen laufen kann, aber gleichzeitig die Leine kurz genug halten, dass er nicht in direkten Kontakt zu dem anderen Hund gerät. Nimmst Du Deinem Hund zu viele Entscheidungen ab, wird er davon abhängig, dass Du ihm Vorgaben machst. Dann weiß er ohne Deine Anweisungen nicht, wie er sich verhalten soll. Mach Dich nicht verrückt. Du wirst Fehler machen, Dinge versäumen, ihn falsch verstehen - das geht uns allen so. Gravierende Folgen hat das nur selten, in der Regel ist es gut zu korrigieren. Du musst keine Angst davor haben, dass Freddy Euch erzieht, denn das tun Hunde nicht, das ist rein menschliches Denken. Was oft so interpretiert wird, ist der Versuch, Bedürfnisse zu befriedigen. Der Hund will etwas, hat ein Bedürfnis, und will dessen Befriedigung durchsetzen. Das kann man oft zulassen, und manchmal auch nicht. Freddy ist am Anfang der Pubertät. Das ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, keine behandlungsbedürftige Krankheit. Dein Hund braucht in erster Linie Verständnis dafür, dass in seinem Kopf viel durcheinander gerät und er weder gut lernen noch gelerntes gut abrufen kann. Mit dem erwachenden sexuellen Interesse muss er umgehen lernen. Das kann er nicht, wenn es unterdrückt wird. Für Hundehalter ist die Pubertät zeitweise anstrengend, aber der Umgang damit ist hauptsächlich Einstellungssache. Sieht man die Pubertät als wichtigen normalen Entwicklungsschritt an, bei dem der Hund unsere Hilfe braucht, und steigt nicht ein in die Jammertiraden über Hunde in der Pubertät (die nicht an allem Schuld ist, was passiert), ist diese Zeit nur noch halb so schlimm. Also tief durchatmen, auf das Positive konzentrieren, so viel wie möglich über Hunde lernen, und immer Ruhe bewahren - Du wirst sicher eine tolle Halterin für Freddy.
Danke für deinen Hinweis Sonja. Hab ich mich unklar ausgedrückt. Zur HH Entscheidung gehört selbstverständlich auch: der Hund darf dies und jenes selbst entscheiden.
Es ist nicht damit gemeint, das man jeden Schritt reglementieren muss!
Eingreifen wenn nötig, aber immer bereit dafür sein.