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Verfasser
Selin
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Anzahl der Antworten 68
zuletzt 16. Aug.

Das große Fiepen (und es nimmt kein Ende)

Hallo zusammen, mein fast 2 Jähriger Aussie Rüde ist nun seit einem Jahr bei mir. Er hat vorher leider mehrfach die Besitzer gewechselt, daher habe ich leider keine genauen Infos zu seinem ersten Lebensjahr. Das „Problem“ war leider schon da als er kam. Und zwar fängt er an zu fiepen sobald ein Hund in Sichtweite ist. Und hört auch nicht mehr auf, bis er nicht mehr zu sehen ist. Auf dem Video ist es sogar eher leise. Meist ist es deutlich lauter und ohne Pausen dazwischen. Ich habe schon stundenlang am Hundeplatz beobachtet, Ruheübungen gemacht, Klick für Blick ausprobiert (das war übrigens eine Katastrophe und hat dafür gesorgt, dass er ständig zu anderen Hunden geschaut hat, Leckerlis wollte und sich extrem hochgepusht hat). Wir waren in mehreren Hundeschulen, in Gruppenstunden ist er grundsätzlich der Lauteste und fiept unnachgiebig die gesamte Stunde über. Es wird einfach nicht weniger. An der Leine darf er nie zu anderen Hunden. Auch nicht auf die Hundewiese. Er hat ausgewählte Kontakte die er regelmäßig sehen kann. Ich bin langsam mit meinem Latein wirklich am Ende und auch verunsichert, welche Methode denn nun hilfreich ist. Ich habe es versucht mit ignorieren, Abbruchkommandos, statisch, dynamisch, aushalten, abwarten… Alles jeweils über mehrere Monate. Anfangs war das Fiepen auch im Alltag und zuhause ganz schlimm wenn er gefrustet war oder es nicht schnell genug ging, das hat sich aber alles ziemlich schnell gelegt. Nur das Fiepen bei anderen Hunden bleibt. Mir ist es oft auch wirklich unangenehm. Man kann den Kleinen eigentlich super überall mit hinnehmen. Aber wenn man im Restaurant sitzt und ein Hund zu sehen ist will man nicht die ganze Zeit einen fiependen Hund neben sich haben. Und auch in der Hundeschule hören wir oft Kommentare zu seinem Ausdauernden Singen. Es macht übrigens keinen Unterschied, ob der andere Hund männlich oder weiblich ist. Generell schnüffelt er gerade aber schon auch sehr viel und lässt sich da nur schwer abbringen. Ich versuche es aber in Grenzen zu halten. Kastration ist aktuell für mich aber keine Option, da er zu jung ist und es keine medizinischen Gründe gibt. Ich freue mich über Tipps, oder auch Austausch mit Gleichgesinnten.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Aug. 19:36
Ich lese hier raus, dass es im Kern gar nicht um ein „ob“, sondern um das „wie viel und wie“ beim Training von Impulskontrolle und Frustrationstoleranz geht. Der Punkt mit der mentalen Ermüdung ist aus meiner Sicht entscheidend, denn egal, ob man nun vom „aufgebrauchten Vorrat“ spricht oder – wie es die Forschung heute eher sieht – von kurzfristiger Ermüdung, das Ergebnis im Alltag ist dasselbe: Wenn es zu viel wird, steigt die Wahrscheinlichkeit für Überreaktionen. Für mich bedeutet das, dass ich mir nicht nur die einzelne Übung anschaue, sondern den ganzen Tag des Hundes. Neben Pausen sind Erfolgserlebnisse natürlich ein Schlüsselfaktor – der Hund soll Selbstkontrolle ja nicht als Dauerverzicht erleben. Bei Neo z. B. gibt es nach stressigen Hundebegegnungen, die er angespannt aber ansprechbar und gehorsam meistert, die Freigabe zu Aktivitäten zum Stressabbau erst, wenn er Blickkontakt zu mir aufnimmt. Damit ist der Moment der Selbstkontrolle direkt positiv belegt. So wird das Durchhalten nicht nur geübt, sondern unmittelbar belohnt.
Ich finde die Unterscheidung schon relevant - wenn man davon ausgeht, dass IK und FT eine Art Kontingent haben, das aufgebraucht werden kann, fokussiert man mehr auf das "Wie Oft" als auf ein "In Welcher Form".

Nach ersterer Sichtweise sollte ich Guinness vielleicht nicht kurz vor der Futterschüssel warten lassen, weil er die IK wo anders brauchen könnte.

Nach zweiterer Sichtweise ist das völlig egal, weil ihm kurz warten vor dem Napf total leicht fällt und keinerlei nennenswerte Erregung erzeugt.
Es ist also zwar IK, die ihn aber nicht stresst oder erschöpft.
 
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SandrA
13. Aug. 19:42
Ich finde die Unterscheidung schon relevant - wenn man davon ausgeht, dass IK und FT eine Art Kontingent haben, das aufgebraucht werden kann, fokussiert man mehr auf das "Wie Oft" als auf ein "In Welcher Form". Nach ersterer Sichtweise sollte ich Guinness vielleicht nicht kurz vor der Futterschüssel warten lassen, weil er die IK wo anders brauchen könnte. Nach zweiterer Sichtweise ist das völlig egal, weil ihm kurz warten vor dem Napf total leicht fällt und keinerlei nennenswerte Erregung erzeugt. Es ist also zwar IK, die ihn aber nicht stresst oder erschöpft.
Genau – deshalb achte ich eher auf die Art der Selbstkontrollsituation als auf ihre bloße Häufigkeit. Nicht jede Form von Impulskontrolle kostet den Hund gleich viel. Neo kann am Futternapf ohne Weiteres warten, das fordert ihn kaum. Bei Hundebegegnungen ist der Aufwand dagegen deutlich höher – und genau dort plane ich gezielt Erfolgserlebnisse ein, damit der Aufwand sich für ihn lohnt.
 
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C
13. Aug. 20:35
Ich finde die Unterscheidung schon relevant - wenn man davon ausgeht, dass IK und FT eine Art Kontingent haben, das aufgebraucht werden kann, fokussiert man mehr auf das "Wie Oft" als auf ein "In Welcher Form". Nach ersterer Sichtweise sollte ich Guinness vielleicht nicht kurz vor der Futterschüssel warten lassen, weil er die IK wo anders brauchen könnte. Nach zweiterer Sichtweise ist das völlig egal, weil ihm kurz warten vor dem Napf total leicht fällt und keinerlei nennenswerte Erregung erzeugt. Es ist also zwar IK, die ihn aber nicht stresst oder erschöpft.
Diese Grenze musst du nicht so kritisch ziehen.
Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind nicht wie ein tägliches „Kontingent“ zu verstehen, das sich aufbraucht und dann leer ist.
Es geht vielmehr darum, dass der Hund nach anstrengenden Phasen kurzfristig weniger Kapazität für solche Aufgaben hat – ähnlich wie bei körperlicher Belastung.
Nach Erholungspausen oder Abwechslung kann er diese Fähigkeiten wieder ganz normal abrufen.

Darum macht es Sinn, nicht von einem festen Vorrat zu sprechen, sondern vom Zusammenspiel aus Belastung, Erholung und passendem Schwierigkeitsgrad – kombiniert mit häufigen Erfolgserlebnissen, damit Selbstkontrolle nicht als (wie SandrA es so schön formuliert hat) Dauerverzicht erlebt wird.

Es ist also nicht so, dass dein Guinness, nur weil er morgens kurz vor dem Napf wartet, sich nachmittags schlechter kontrollieren könnte.

Selbstkontrolle kostet Energie, weil sie kognitiv und emotional anstrengend ist – jedoch nicht im Sinne eines aufgebrauchten Kontingents.
Problematisch wird sie, wenn sie nicht mehr im Verhältnis zu ausreichender Entspannung, Kontrolle über die eigene Situation und positiven Erfahrungen steht – also dann, wenn im Alltag dauerhaft Selbstkontrolle gefordert wird, weil die Lebensumstände zu reizstark oder einschränkend sind.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Aug. 23:03
Diese Grenze musst du nicht so kritisch ziehen. Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind nicht wie ein tägliches „Kontingent“ zu verstehen, das sich aufbraucht und dann leer ist. Es geht vielmehr darum, dass der Hund nach anstrengenden Phasen kurzfristig weniger Kapazität für solche Aufgaben hat – ähnlich wie bei körperlicher Belastung. Nach Erholungspausen oder Abwechslung kann er diese Fähigkeiten wieder ganz normal abrufen. Darum macht es Sinn, nicht von einem festen Vorrat zu sprechen, sondern vom Zusammenspiel aus Belastung, Erholung und passendem Schwierigkeitsgrad – kombiniert mit häufigen Erfolgserlebnissen, damit Selbstkontrolle nicht als (wie SandrA es so schön formuliert hat) Dauerverzicht erlebt wird. Es ist also nicht so, dass dein Guinness, nur weil er morgens kurz vor dem Napf wartet, sich nachmittags schlechter kontrollieren könnte. Selbstkontrolle kostet Energie, weil sie kognitiv und emotional anstrengend ist – jedoch nicht im Sinne eines aufgebrauchten Kontingents. Problematisch wird sie, wenn sie nicht mehr im Verhältnis zu ausreichender Entspannung, Kontrolle über die eigene Situation und positiven Erfahrungen steht – also dann, wenn im Alltag dauerhaft Selbstkontrolle gefordert wird, weil die Lebensumstände zu reizstark oder einschränkend sind.
Bitte lies nochmal, was ich geschrieben habe.

Oder auch nicht, egal. Jedenfalls hab ich das Selbe gemeint wie du.
 
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Tan
16. Aug. 09:13
Der Aussie von meiner Bekannten macht dies ebenfalls. Wenn wir in der Gruppe unterwegs sind, und ein Hund sich etwas weiter entfernt, dann fiept ihr Aussie ebenfalls und versucht, den Hund zurück zum Rudel zu holen. Und wenn jeder seinen Weg nach Hause geht ist es ganz schlimm und er fiept, bis sie wieder zu Hause ist. Sie hat es auch mit sämtlichen Trainingsmethoden versucht, was aber am Ende zu mehr Stress auf beiden Seiten geführt hat. Jetzt nehmen wir das alle so hin und machen unsere Scherze über den singenden Begleiter 😊 ich weiß nicht ob das rassebedingt sein kann, wenn der Herdentrieb sehr ausgeprägt ist. Und ganz ehrlich, er ist super freundlich trotz seines Singens. Vielleicht schaffst du es ja, die „Eigenart“ deines Hundes etwas entspannter zu sehen muss das glaube ich etwas entspannter sehen 😊😊😊
 
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Britta
16. Aug. 13:37
Hallo Selin, in so einem Forum solche Fragen zu stellen macht es dir nicht leichter. Keiner kennt deinen Hund so gut wie du. Zu viele verschiedene Menschen, verschiedene Hunde, jeder hat seine Erfahrung und eigene Meinung.
Was auch gut ist.



Geh deinem Gefühl nach.
Lerne deinen Hund zu lesen und arbeitet in klitzekleinen Schritten daran. Das ist natürlich ein allgemeiner Tipp, der in allen Situationen hilfreich ist 🐕💟.
 
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Natascha
16. Aug. 13:48
Der Aussie von meiner Bekannten macht dies ebenfalls. Wenn wir in der Gruppe unterwegs sind, und ein Hund sich etwas weiter entfernt, dann fiept ihr Aussie ebenfalls und versucht, den Hund zurück zum Rudel zu holen. Und wenn jeder seinen Weg nach Hause geht ist es ganz schlimm und er fiept, bis sie wieder zu Hause ist. Sie hat es auch mit sämtlichen Trainingsmethoden versucht, was aber am Ende zu mehr Stress auf beiden Seiten geführt hat. Jetzt nehmen wir das alle so hin und machen unsere Scherze über den singenden Begleiter 😊 ich weiß nicht ob das rassebedingt sein kann, wenn der Herdentrieb sehr ausgeprägt ist. Und ganz ehrlich, er ist super freundlich trotz seines Singens. Vielleicht schaffst du es ja, die „Eigenart“ deines Hundes etwas entspannter zu sehen muss das glaube ich etwas entspannter sehen 😊😊😊
Hütehunde kommunizieren oft stimmlich, beim hüten, beim treiben ... in hohem Erregungszustand neigen daher ganz viele zu fiepsen, singen, Bellen oder schreien.
Wir haben auch so einen pubertierenden Sänger zu hause 🙈
In euerm Fall trennt sich die Herde und genetisch ist ein Aussie dafür gezüchtet sie zusammen zu halten, daher ist der Erregungszustand in dem Moment zu hoch und er singt 😄

Wir haben ab Tag 1 mit unserem hart arbeiten müssen, dass er weder mit fiebsen noch singen erfolg hat und er in seinem Erregungszustand runter fährt.
Zum Glück haben wir das Thema nun nur noch bei anderen Hunden und vor allem bei Hündinnen, das liegt halt aber auch in der Pubertät und den Hormonen verschuldet. Da ist die erregung einfach zu hoch 😅
 
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Dogorama-Mitglied
16. Aug. 15:56
Der Aussie von meiner Bekannten macht dies ebenfalls. Wenn wir in der Gruppe unterwegs sind, und ein Hund sich etwas weiter entfernt, dann fiept ihr Aussie ebenfalls und versucht, den Hund zurück zum Rudel zu holen. Und wenn jeder seinen Weg nach Hause geht ist es ganz schlimm und er fiept, bis sie wieder zu Hause ist. Sie hat es auch mit sämtlichen Trainingsmethoden versucht, was aber am Ende zu mehr Stress auf beiden Seiten geführt hat. Jetzt nehmen wir das alle so hin und machen unsere Scherze über den singenden Begleiter 😊 ich weiß nicht ob das rassebedingt sein kann, wenn der Herdentrieb sehr ausgeprägt ist. Und ganz ehrlich, er ist super freundlich trotz seines Singens. Vielleicht schaffst du es ja, die „Eigenart“ deines Hundes etwas entspannter zu sehen muss das glaube ich etwas entspannter sehen 😊😊😊
Das Problem ist halt, dass der Hund dabei nicht entspannt ist, das Gefiepe ist ja ein Zeichen starker Aufregung.

Bei uns hat in vielen Situationen (Freunde treffen, Hundebegegnungen uÄ) am Besten geholfen, so zu tun als wär nix.

Sprich mir der eigenen Gleichgültigkeit die Stimmung vorzugeben.