Ich finde die Unterscheidung schon relevant - wenn man davon ausgeht, dass IK und FT eine Art Kontingent haben, das aufgebraucht werden kann, fokussiert man mehr auf das "Wie Oft" als auf ein "In Welcher Form".
Nach ersterer Sichtweise sollte ich Guinness vielleicht nicht kurz vor der Futterschüssel warten lassen, weil er die IK wo anders brauchen könnte.
Nach zweiterer Sichtweise ist das völlig egal, weil ihm kurz warten vor dem Napf total leicht fällt und keinerlei nennenswerte Erregung erzeugt.
Es ist also zwar IK, die ihn aber nicht stresst oder erschöpft.
Diese Grenze musst du nicht so kritisch ziehen.
Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind nicht wie ein tägliches „Kontingent“ zu verstehen, das sich aufbraucht und dann leer ist.
Es geht vielmehr darum, dass der Hund nach anstrengenden Phasen kurzfristig weniger Kapazität für solche Aufgaben hat – ähnlich wie bei körperlicher Belastung.
Nach Erholungspausen oder Abwechslung kann er diese Fähigkeiten wieder ganz normal abrufen.
Darum macht es Sinn, nicht von einem festen Vorrat zu sprechen, sondern vom Zusammenspiel aus Belastung, Erholung und passendem Schwierigkeitsgrad – kombiniert mit häufigen Erfolgserlebnissen, damit Selbstkontrolle nicht als (wie SandrA es so schön formuliert hat) Dauerverzicht erlebt wird.
Es ist also nicht so, dass dein Guinness, nur weil er morgens kurz vor dem Napf wartet, sich nachmittags schlechter kontrollieren könnte.
Selbstkontrolle kostet Energie, weil sie kognitiv und emotional anstrengend ist – jedoch nicht im Sinne eines aufgebrauchten Kontingents.
Problematisch wird sie, wenn sie nicht mehr im Verhältnis zu ausreichender Entspannung, Kontrolle über die eigene Situation und positiven Erfahrungen steht – also dann, wenn im Alltag dauerhaft Selbstkontrolle gefordert wird, weil die Lebensumstände zu reizstark oder einschränkend sind.