Ich melde mich noch einmal zu Wort, diesmal nicht mit dem Evangelium der Erziehung.
Ich erziehe nach bestem Wissen und Gewissen, vor allem aber nach meiner Lebenserfahrung und meinem Bauchgefühl. Ich kenne meinen Hund. Ich weiß, wie robust und sensibel sie ist, was sie mag und nicht mag, was ihr guttut und nicht guttut.
Ich kenne aber auch mich selbst, kenne meine Geduld und Ungeduld, meine Ausdauer und meine Grenzen. Ich kenne auch meine Grenzbereiche, in denen ich meinen gelben, gelb-roten und, am Ende, den roten Bereich erreiche. Ich habe ein gut funktionierendes Frühwarnsystem, das mir mitteilt "Mattulat, du verlässt gerade den sicheren grünen Bereich und wechselst in den gelben Bereich. Lass dir was einfallen, um wieder in den grünen Wohlfühlbereich zurückzukehren."
Die Süße kann nerven. Sie kann auf meinen Nerven rumkauen wie auf Socken und Tuben. Und meine Nerven können auch schon mal sehr angespannt sein. Ich kann auch humorfrei sein. Das ist dann der dunkelrote Bereich, der mich zwingt, notfallmäßig meine Umwelt vor mir zu schützen. (Nein, ich prügel / trete etc. nicht auf alles ein, das nicht bei drei auf dem Baum ist.)
Erziehung dient meines Erachtens dem Ziel, dass das Zusammenleben von Papa 1 und 2 mit der Süßen harmonisch ist. Unerwünschtes Verhalten sollte durch sozialkompatibles Verhalten ersetzt werden. Nun macht ja unerwünschtes Verhalten oftmals mehr Spaß als sozial verträgliches. Das war zu meiner Jugend nicht anders. Unerwünschtes Verhalten abzustellen, fand ich meist blöd. Und wenn ich mir meine Hundine anschaue, beobachte ich bei ihr genau dasselbe: Es macht eben Spaß, Papas Socken zu klauen und zu fressen, bis nur noch Fetzen übrig bleiben. Und es macht einfach Spaß, Dreck zu fressen und sich darin zu wälzen, selbst wenn man am Ende des Tages und nachts Magen-Darm hat, die Wohnung vollkotzt und-kackt und Papa und Papa die Sauerei wegmachen müssen (anstatt zu schlafen).
Natürlich muss ich erwünschtes Verhalten attraktiv und unerwünschtes Verhalten unattraktiv machen. Ich muss also durch mein Verhalten, durch bestimmte Maßnahmen dafür sorgen, dass es entweder gar nicht erst dazu kommt, dass die Hundine sich unerwünscht verhält, beispielsweise dadurch, dass ich sie gar nicht erst der Versuchung aussetze, oder dass ich ihr den Spaß verderbe, indem der Lustgewinn ausbleibt.
Schmerzen muss ich ihr nicht zufügen. Seelische Grausamkeit muss ich ihr nicht antun. Sie ist ein feinfühliges Hundchen. Wenn ich missvergnügt und verstimmt bin, spürt sie das und fühlt sich mit meiner Verstimmung unwohl. Ich muss sie nicht anbrüllen, schütteln, stoßen oder sonstwas in dieser Kategorie antun. Allein das Mitteilen, ich bin gerade überhaupt nicht amüsiert und nee, Süße, Köpfchen schief legen und süß gucken zieht gerade gar nicht, bin ich zur Zeit absolut immun gegen, macht was mit der Süßen.
Meine Süße ist wirklich unglücklich, wenn Papa eine Saulaune hat. Aber die muss sie dann aushalten. Ich muss meine Saulaune ja auch aushalten. Und wenn ich sie überwunden habe, hat auch meine Süße wieder einen heiteren Papa. Und ich sag Euch was: Meine Süße verbucht das: Papa reagiert auf XY mit einem atmosphärischen Tief. Fühlt sich doof an, vermeide ich besser. Ist schöner, wenn Papa gute Laune und Humor hat.
Aversiv heißt ja abwendend: Die Hundine soll sich von Handlungen abwenden, die dazu führen, dass sich Papa von guter Stimmung abwendet. Aversive Erziehung muss dem Hundeschnäuzchen den Zusammenhang zwischen doofem Verhalten und doofer Stimmung zu Hause erkennbar machen. Und das geht - ohne Strafe, ohne Schmerz, ohne Erniedrigung und Demütigung. Also bei meiner Süßen geht das. Und ich behaupte, sie ist ein ganz normaler Hund.