Home / Forum / Verhalten & Psychologie / "Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Verfasser
Dogorama-Mitglied
Einleitungs-Beitrag
Anzahl der Antworten 1085
heute 14:18

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
21. Mai 11:30
Grundsätzlich gilt in Berlin Leinenpflicht und so wie du es beschreibst und anderen Ratschläge gibst, empfinde auch ich es als gefährlich bis fahrlässig. Es gibt keine Garantie, dass dein Hund niemals getriggert wird. Joe Cool beschreibt ihren Umgang mit dem Hund im Stadtleben deutlich anders und verantwortungsbewusster, weil sie sich eben dieser gegenwärtigen Gefahr bewusst ist. Es sind und bleiben Tiere und es besteht immer ein - mal mehr oder weniger großes - Restrisiko. Wenn dein Hund mal auf dem Feld einem Hasen hinterher jagt aber ihn bestenfalls nicht erwischt weil du zu viel Vertrauen in ihn gesetzt hast oder Grenzen testen wolltest, ist das vielleicht auch blöd aber verschmerzbar. Passiert selbiges mitten in der Stadt wegen einer Katze, sieht die Welt mitunter aber ganz anders aus.
Wir sind komplett legal ohne Leine unterwegs: wir haben nen Hundeführerschein, der es in Berlin erlaubt, die Leine abzumachen.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Vic
21. Mai 11:52
Wir sind komplett legal ohne Leine unterwegs: wir haben nen Hundeführerschein, der es in Berlin erlaubt, die Leine abzumachen.
Wenn ich das richtig interpretiere gilt, auf „unbelebten Straßen und Plätzen sowie auf Brachflächen“ und nicht generell und immer, oder? 👀
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
21. Mai 12:23
Er muss nicht die Folgen kennen, er kann aber lernen, Fahrrädern, Autos oder Menschen grundsätzlich auszuweichen, oder zu Dir zu kommen. Der Punkt ist, dass es dann seine eigene Entscheidung oder Stratege ist, und nicht abhängig von einem Kommando von Dir. Und Du hast ja schon geschrieben, dass er Manches bereits verinnerlicht hat, genau um solche Dinge geht es. Wir sind uns auch absolut einig, dass er auf dem Weg dort hin Kommandos braucht, die natürlich auch durchgesetzt (befolgt) werden müssen. Ulli schreibt in ihrem Buch auch von einem schwierigen Weg, mit Rückschlägen, es geht nicht "Schnipp" - ich wende die Ulli-Philosophie an - alles läut super. Es ist halt keine Methode, sondern eine Philosophie. So, wie man sich grundsätzlich für positive Trainingsmethoden entscheiden kann, kann man sich auch grundsätzlich für den Umgang mit den Hund als gleichwertiger Team-Partner entscheiden. Du willst Kommandos in bestimmten Situationen befolgt wissen, aus nachvollziehbaren Gründen. Aber die Grundhaltung dahinter ist hierarchisches Denken. Die Teamvariante sieht Dich als jemand, der immer gute Entscheidungen für das Team trifft, und dem der Hund deshalb folgt. Und Ulli zeigt uns einen Weg, unseren Hund mit seinem Bedürfnis zu jagen ernstzunehmen, wahrzunehmen, zu unterstützen, anstatt gegen das Jagen und damit gegen den Hund anzukämpfen.
Ich halte ein echtes Gleichwertig in der hochtechnologisierten und -reglementierten Welt für eine Illusion.
Ich kann einem Lebewesen nicht das gleiche Entscheidungsgewicht zugestehen, das nicht erfasst, welche komplexen Gefahren von Verkehrsmitteln ausgehen oder welches zT absurde Regelwerk die Menschen sich zu Hundebegegnungen ausdenken.

Selbst wenn der Hund irgendwann verinnerlicht, wie wir es machen und ich nicht in alle Ewigkeit rin explizites Kommando geben muss, verschwindet die Tatsache nicht, dass das von mir aufgestellte und durchgesetzte Regeln sind, zu denen der Hund nicht einfach sagen sollte "nö, heute lauf ich doch vor den Bus" oder "Heut spring ich doch das Kind an".

Das meinte ich auch früher schon mal mit der Unschärfe in der Definierung von Freiwilligkeit, eigenen Entscheidungen etc.
Imho ist das nichts mehr in Frage Stellen der auferlegten Regeln nicht gleichzusetzen mit eigener freier Entscheidung.
Gleichwertig wäre der Hund für mich, wenn wir in der Wildnis leben würden, er sich aus freien Stücken mir angeschlossen hätte und kommen und gehen und tun und lassen könnte, was er wollte.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
21. Mai 12:26
Wenn ich das richtig interpretiere gilt, auf „unbelebten Straßen und Plätzen sowie auf Brachflächen“ und nicht generell und immer, oder? 👀
Mein Ende vom Ku‘damm ist „unbelebt“…😉

Aber um den Bogen mal zurückzukriegen: es geht ja drum, den Hund zu lesen und sich mit ihm auch auf Distanz auszutauschen.
Das muss wachsen, das geht nicht mit „Schalter umlegen“!
Ob Leine oder nicht ist da meines Erachtens eigentlich komplett egal!
So lange sie, wie von Kirsten beschrieben, ausschließlich der Sicherung dient (also zum eigenen Festhalten 😬) und nicht zur Kommunikation mit dem Hund benutzt wird.

Aber es ist halt so schön einfach, ich sehe das jeden Tag… und ich kenn das bei mir auch: Ich muss mich immer geradezu zwingen, die NICHT zu benutzen,wenn sie dran ist! Das ist aber jedes Mal wirklich eine bewusste Entscheidung von meiner Seite!!!😀
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
21. Mai 12:30
Diese Situationen kennen wohl alle Halter, die sich trauen, dem Hund Freilauf zu gestatten. Aber sei mal ehrlich. Lag es daran, dass Guinness nicht vertrauenswürdig war? Oder lag es daran, dass Du eine Situation falsch eingeschätzt hast, nicht innerlich bei / mit ihm warst, ihm noch nicht beigebracht hast, was er alternativ tun soll?
Auch.
Aber da fragt sich irgendwann, ob der Hund jemals verantwortlich ist für das, was er "falsch" macht, oder ob nicht immer ein Fehler des Menschen dahintersteckt...?
 
Beitrag-Verfasser-Bild
SandrA
21. Mai 13:22
Ich denke nach wie vor, dass es nicht darum geht, den Hund in unsere Konventionen und Strukturen einzumenschen oder ihm politische Mitbestimmungsrechte zuzusprechen.

Gleichwertigkeit ist ein irreführender Begriff, wenn man ihn gleichmachend liest. Es geht doch eher darum, soweit wie möglich eine Beziehung zu ermöglichen, die eigenständige Entwicklung zulässt.

Wenn mein Hund bei Wildsichtung innehält und mich anschaut, dann ist das keine esoterische Verbundenheit, kein ‚Ich darf das Reh nicht töten, weil es so unschuldig dasteht und der liebe Gott oder die Mutti sonst böse werden‘. Es ist die Frucht pädagogischer Arbeit.

Er hätte losrennen können. Ist er nicht. Weil wir gemeinsam gelernt haben, dass Impulse nicht heilig sind und dass ich Teil seiner Orientierung bin.

Gleichwertigkeit heißt nicht: ‚Du darfst machen, was du willst.‘
Gleichwertigkeit heißt: ‚Ich nehme dich ernst genug, um dich nicht in der Unmündigkeit oder im Drill zu belassen.‘

Mein Hund kann gleichwertig sein aber ohne dass wir gleich sein müssen.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Babs
21. Mai 14:23
Zu dem Thema "Leine" ist diese für mich lediglich ein Hilfsmittel in den unterschiedlichen Situationen. Sicherlich einerseits zur Absicherung, aber die Leine hat m. E. noch andere Aufgaben, wenn man berücksichtigt, was der Hund über die Leine spürt und empfängt.
Ein kleines Beispiel aus dem Mantrailing. Als wir damals mit dem Trailen angefangen haben, lag die Priorität erst mal beim Handling mit der Leine. Ich bekam eine Leine um den Bauch gebunden. Am anderen Ende war meine Trainerin, welche ich nicht anschauen durfte (ich war ja der suchende Hund). Ich spürte wirklich jeden Schritt von ihr. Ob sie nach vorne ging, zur Seite, nach hinten, die Leine fallen ließ, die Leine gespannt oder locker war bzw. über den Boden schliff... Ich fand das eine extrem wichtige Erfahrung. Dann sollte ich meine Trainerin führen. Sie reagierte auf mein Handling und konnte mir mitteilen, was mein Hund spüren würde. Mir hat das super geholfen und ich gehe seit dem mit der Leine nicht mehr leichtfertig um und achte genau darauf, wie ich die halte.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
21. Mai 14:44
Zu dem Thema "Leine" ist diese für mich lediglich ein Hilfsmittel in den unterschiedlichen Situationen. Sicherlich einerseits zur Absicherung, aber die Leine hat m. E. noch andere Aufgaben, wenn man berücksichtigt, was der Hund über die Leine spürt und empfängt. Ein kleines Beispiel aus dem Mantrailing. Als wir damals mit dem Trailen angefangen haben, lag die Priorität erst mal beim Handling mit der Leine. Ich bekam eine Leine um den Bauch gebunden. Am anderen Ende war meine Trainerin, welche ich nicht anschauen durfte (ich war ja der suchende Hund). Ich spürte wirklich jeden Schritt von ihr. Ob sie nach vorne ging, zur Seite, nach hinten, die Leine fallen ließ, die Leine gespannt oder locker war bzw. über den Boden schliff... Ich fand das eine extrem wichtige Erfahrung. Dann sollte ich meine Trainerin führen. Sie reagierte auf mein Handling und konnte mir mitteilen, was mein Hund spüren würde. Mir hat das super geholfen und ich gehe seit dem mit der Leine nicht mehr leichtfertig um und achte genau darauf, wie ich die halte.
Cool!
Das sollte direkt beim Leinenkauf Pflichtprogramm sein!😬
… natürlich inklusive dem immer wieder gerne gesehenen „fliegenden Hund“…
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Sonja
21. Mai 15:08
Auch. Aber da fragt sich irgendwann, ob der Hund jemals verantwortlich ist für das, was er "falsch" macht, oder ob nicht immer ein Fehler des Menschen dahintersteckt...?
Genau.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Sonja
21. Mai 15:10
Ich denke nach wie vor, dass es nicht darum geht, den Hund in unsere Konventionen und Strukturen einzumenschen oder ihm politische Mitbestimmungsrechte zuzusprechen. Gleichwertigkeit ist ein irreführender Begriff, wenn man ihn gleichmachend liest. Es geht doch eher darum, soweit wie möglich eine Beziehung zu ermöglichen, die eigenständige Entwicklung zulässt. Wenn mein Hund bei Wildsichtung innehält und mich anschaut, dann ist das keine esoterische Verbundenheit, kein ‚Ich darf das Reh nicht töten, weil es so unschuldig dasteht und der liebe Gott oder die Mutti sonst böse werden‘. Es ist die Frucht pädagogischer Arbeit. Er hätte losrennen können. Ist er nicht. Weil wir gemeinsam gelernt haben, dass Impulse nicht heilig sind und dass ich Teil seiner Orientierung bin. Gleichwertigkeit heißt nicht: ‚Du darfst machen, was du willst.‘ Gleichwertigkeit heißt: ‚Ich nehme dich ernst genug, um dich nicht in der Unmündigkeit oder im Drill zu belassen.‘ Mein Hund kann gleichwertig sein aber ohne dass wir gleich sein müssen.
Du kannst das so viel besser ausdrücken als ich. Danke!