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Dogorama-Mitglied
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heute 10:46

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
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Sylvia
20. Mai 21:45
Das war der letzte Spaziergang mit der Schleppleine.
Die Tiere in deinem Video verhalten sich ja alle sehr ruhig. Was passiert denn wenn wenn die Kühe bockend am Zaun langrennen und einen begleiten? Das ist eher unser Problem. Damwild in Tierpark am Zaun findet unsere komisch und eher bedrohlich. Meideverhalten. Aber ein aufspringendes Reh löst sofort den Jagdreflex aus.
 
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Dogorama-Mitglied
20. Mai 21:46
Das war der letzte Spaziergang mit der Schleppleine.
Genau das. Genau das meine ich mit „dass der Hund bei mir bleibt“. Da denke ich weniger in einem nach Metern messbaren Radius, sondern mehr in „gedanklich verbunden“. Newton läuft vor, er schnuppert im Gras, trägt sein Spieli, guckt zu den Schwänen- aber Babs ist das wichtigste, zu ihr schaut er stets zurück und vergewissert sich. Es wirkt auf mich, dass er keinerlei Grund gibt, an ihm auch nur ein Fünkchen zu zweifeln.
 
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Sylvia
20. Mai 21:51
Genau das. Genau das meine ich mit „dass der Hund bei mir bleibt“. Da denke ich weniger in einem nach Metern messbaren Radius, sondern mehr in „gedanklich verbunden“. Newton läuft vor, er schnuppert im Gras, trägt sein Spieli, guckt zu den Schwänen- aber Babs ist das wichtigste, zu ihr schaut er stets zurück und vergewissert sich. Es wirkt auf mich, dass er keinerlei Grund gibt, an ihm auch nur ein Fünkchen zu zweifeln.
Ja, das macht meine auch super. Immer bei mir. Aber wenn ein Reh oder Hase wegrennt ist es vorbei und sie wäre hinterher. Solange es ruhig da steht können wir es prima beobachten.
 
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Katja
20. Mai 21:57
Exakt das meine ich! Ich hab halt als Mensch ein anderes Verständnis der komplexen, technologisierten Stadtwelt, als der Hund und es ist meine Verantwortung, ihn da durchzudirigieren. Und wenn ich eine Gefahr sehe oder etwas, das aus Gründen irgendwelcher Etikette schon oder nicht zu geschehen hat, solkte mein Wort im Notfall alles andere übertrumpfen können.
Aber ich finde schon, dass man auch hier mit dem Weg des gegenseitigen Verständnis unheimlich weit kommt!

So musste ich von Polli erstmal lernen, welche Situationen sie selber einschätzen kann (Begegnung mit anderen Menschen), welche Begegnungen sie sogar selber besser einschätzen kann, als ich (andere Hunde) und wo ich ihr helfen muss (Überquerung Ku‘damm = 4-spurige Straße). Da gibts meiner Meinung nach kein Patent-Rezept, sondern da ist jeder Hund individuell, je nach Historie und Veranlagung… und für mich beschreibt der Ulli-Hunde-Weg einfach nur herauszufinden, mit was einen der eigene Hund alles überraschen kann! Und das ist echt ne Menge, wenn man sich drauf einlässt… und noch viel mehr ohne Leine!!!

Das funktioniert im Wald aber ganz genauso im Großstadt-Dschungel! Zumindest für uns…😀
 
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Katja
20. Mai 22:02
Ich bin auch nicht auf dem Ulliweg - bzw auf garkeinem einzigen Weg. Und mir ist Freilauf extrem wichtig, sowohl weil die gegenseitige Aufmerksamkeit da viel natürlicher gegeben ist, als auch weil Guinness und ich in der Schrittlänge garnicht zusammenpassen und ich merke, wie gut es uns beiden tut, nicht aneinandergebunden zu sein. Insofern ist meine Frage hier wahrscheinlich fehl am Platz...
Ich würde Guinness vielleicht mal einfach ab und an ein Stück selber weiterlaufen lassen, als wie Du es jetzt tust. Und mal schauen, was er macht, wenn Du ihn nicht sofort, wenn Du den Impuls verspürst, durch die komplexe Stadtwelt dirigierst… sondern ihn einfach noch einen kleinen Moment machenlässt. Ich glaube, Dein Hund wird Dich überraschen!😉
 
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Babs
20. Mai 22:11
Die Tiere in deinem Video verhalten sich ja alle sehr ruhig. Was passiert denn wenn wenn die Kühe bockend am Zaun langrennen und einen begleiten? Das ist eher unser Problem. Damwild in Tierpark am Zaun findet unsere komisch und eher bedrohlich. Meideverhalten. Aber ein aufspringendes Reh löst sofort den Jagdreflex aus.
Newton hatte sich mal von der Schleppleine losgerissen (die Handschlaufe ist gerissen) und die Kühe hüten wollen. Auslöser war ein spielendes Kälbchen. Das würde man mir nicht glauben, wenn man ihn in dem Filmchen sieht. Kälbchen findet er heute noch toll, aber er bleibt auf dem Weg.
Zu den Rehen. Andere Situation. Hier gibt es nicht so viele Rehe und daher haben wir etwas länger gebraucht. Doch auch das klappt. Hier eine Situation: Es standen 3 Rehe auf dem Feld. Newton erblickte diese. Er schaute hin, dann mich an, dann wieder die Rehe und kam dann zu mir gelaufen. Genau in diesem Zeitpunkt rannten die Rehe los. Er hielt kurz an und dann entschied er sich gegen die Rehe und für mich. Ich habe mich wahnsinnig über seine Entscheidung gefreut und die Rehe wurden nebensächlich. Und Newton ist ein Distanzjäger.
Zu Hasen kann ich tatsächlich nichts sagen. Wenn ich einen sehe, leine ich ihn an, aber er achtet da gar nicht mehr drauf. Vögel sind mittlerweile total uninteressant. Egal ob klein oder groß. Letztens ist ein Fasan direkt neben ihm losgerannt. Newton machte einen Satz in seine Richtung, blieb dann stehen, schaute mich an und ging normal weiter.

Noch mal kurz zu dem Filmchen, weil die Kühe eher ruhig sind. Das wäre ihm früher egal gewesen. Hüten ist hüten.
 
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Sonja
20. Mai 22:32
Exakt das meine ich! Ich hab halt als Mensch ein anderes Verständnis der komplexen, technologisierten Stadtwelt, als der Hund und es ist meine Verantwortung, ihn da durchzudirigieren. Und wenn ich eine Gefahr sehe oder etwas, das aus Gründen irgendwelcher Etikette schon oder nicht zu geschehen hat, solkte mein Wort im Notfall alles andere übertrumpfen können.
Ich vergleiche den Umgang mit Hunden sehr oft mit dem Umgang mit Kindern. Und komme unweigerlich an den Punkt, wo ich mich frage, ob es tatsächlich einen Unterschied geben muss.
Kinder werden idealerweise auf ein selbständiges Leben vorbereitet. Irgendwann sagt man ihnen nicht mehr "Stopp!" an der Bordsteinkante. Man muss jede Art der Kontrolle irgendwann aufgeben. Hat man seinen Job gut gemacht, kommen sie klar.
Muss das bei Hunden wirklich anders sein? Wieso vertrauen wir unseren Hunden so wenig, wieso trauen wir ihnen nicht zu, ohne unsere Kontrolle klar zu kommen?
 
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Babs
20. Mai 22:38
Ich vergleiche den Umgang mit Hunden sehr oft mit dem Umgang mit Kindern. Und komme unweigerlich an den Punkt, wo ich mich frage, ob es tatsächlich einen Unterschied geben muss. Kinder werden idealerweise auf ein selbständiges Leben vorbereitet. Irgendwann sagt man ihnen nicht mehr "Stopp!" an der Bordsteinkante. Man muss jede Art der Kontrolle irgendwann aufgeben. Hat man seinen Job gut gemacht, kommen sie klar. Muss das bei Hunden wirklich anders sein? Wieso vertrauen wir unseren Hunden so wenig, wieso trauen wir ihnen nicht zu, ohne unsere Kontrolle klar zu kommen?
Genau da liegt oft das Problem: Vertrauen. Ich denke, dass ein großes Thema die Reaktionszeit ist. Hund spitzt die Ohren und ist weg. Da können wir Menschen nicht mithalten. Ich selber habe da hart an mir arbeiten müssen.
 
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Dogorama-Mitglied
20. Mai 23:50
Im Kern spricht überhaupt nichts gegen Training an sich und sinnvolle Signale, die das Leben erleichtern. Es gibt sowas ähnliches wie einen Rückruf, Richtungswechsel und auch eine Handbewegung, die man wie ein Stopp verwenden kann und es spricht sicher auch nichts dagegen weitere Dinge einzuführen, wenn’s dem Zusammenleben und dem Miteinander zuträglich ist. Bei ganz vielen dieser Signale geben unsere Hunde sehr oft ein Feedback, ob das was wir tun für diese Situation passend war und es spielt sich so eben einfach ein, was sich für beide gut und richtig anfühlt. (Mich beschäftigt übrigens seit Babs Kommentar die Sache mit den gestreuten Keksen und ich verspreche, ich werds nochmal für Mira und mich weiter ergründen und ausprobieren, danke dafür 👍) Ich glaub die Sandra hatte mal gesagt, dass es nicht drauf ankäme, was man tut, sondern wie. Ich finde das trifft es ganz gut. Wenn man nun den Spaziergang in intensiver Kommunikation und im aufrichtigen Interesse miteinander verbringt, empfände ich es einfach als komisch, wenn auf einmal in gewissen Situationen genau das nicht mehr zählt und der Hund eben auf die Sekunde genau treffsicher ins „Sitz, Platz, Stop, Hier“ muss, egal wie es ihm dabei gerade geht, bzw. was ihn gerade beschäftigt. Und auch obwohl sich der Mensch im Stress in verbalen und körpersprachlichen Missverständnissen verliert (Stichwort: Rückruf). Vielleicht habe ich dich aber auch falsch verstanden und du meinst das gar nicht so? Schade finde ich einfach, wenn der Hund auf diese Art ständig aus seiner Beschäftigung gerissen wird, (an dem wir ja eigentlich begeistert teilhaben möchten) und wenn recht viel durch Verstärker und Alternativverhalten unter Kontrolle gebracht wird. Der Fokus verschiebt sich ziemlich leicht darauf zu belohnen, wenn der Hund aufhört etwas zu tun. Dabei interessieren wir uns ja genau dafür zu sehen, wer er ist. Freilauf finde ich auch wichtig. Gleichzeitig find ich es auch unheimlich interessant herauszufinden, wo genau denn Hindernisse während des Umgangs mit der Leine liegen. Daraus ergeben sich ja auch hilfreiche Erkenntnisse, die einem im Freilauf von Nutzen sein können.
Naja, wenn ein Fahrrad ungünsig daher kommt oder kleine Kinder oder der Hund Anstalt macht ohne stehen zu bleiben die Strasse zu überqueren, muss ich ein treffsicheres Stop oder Sitz parat haben, um mögliche Gefahren oder Belästigungen zu vermeiden.

Natürlich wär es fein, wenn er das zunehmend selber richtig einschätzen kann - bzw bermerke ich ja auch eine Entwicklung in die Richtung - aber wir sind noch nicht so weit, dass darauf immer Verlass wäre.

Ich geh jetzt auch nicht aktiv mit ihm jagen, dafür fehlen mir hier auch nur ansatzweise berechenbare Begegnungen.
Ich hab keine Ahnung, wann mal wieder eine Ratte über die Strasse huscht oder das nächste Skateboard um die Ecke rattert.
Ich geh da in Bezug auf konkrete Trigger erstmal in Richtung Desensibilisierung bzw vorleben der "Ist uns egal"-Einstellung.
Der kooperative Teil beschränkt sich bei uns derweil noch darauf, dass Hund Wege vorschlagen kann und wir öfter mal gemeinsam sitzen und rumgucken. Bzw sind unsere Spaziergänge halt auch voller Kommunikation, wo allerdings meist ich was vorgebe, weil ich halt auch dafür verantwortlich bin, uns durch Verkehr, Menschenmengen und Hundebegegnungen zu manövrieren.
Ich merke allerdings, dass Guinness da schon viel verinnerlicht hat, wie zB das Seitewechseln oder Ausweichen bei anderen Hunden.

Von der Leine auf den Freilauf übertragen kann ich weniger, das empfinde ich als recht unterschiedliche Dynamiken.
 
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Dogorama-Mitglied
21. Mai 00:05
Ich würde Guinness vielleicht mal einfach ab und an ein Stück selber weiterlaufen lassen, als wie Du es jetzt tust. Und mal schauen, was er macht, wenn Du ihn nicht sofort, wenn Du den Impuls verspürst, durch die komplexe Stadtwelt dirigierst… sondern ihn einfach noch einen kleinen Moment machenlässt. Ich glaube, Dein Hund wird Dich überraschen!😉
Ich kann ihn nicht weiter laufen lassen als bis zur Bordsteinkannte, ich kann es nicht darauf ankommen lassen, ob er dem Fahrrad dreinläuft oder zu dem Kleinkind rennt.

Wenn ich sehe, dass er klar so positioniert ist, bzw sich so verhält, dass das nicht passieren wird, sag ich nichts, aber wenn er zwei Meter vor der Kreuzung nicht langsamer wird und zu mir guckt oder vor dem Rad mitten am Weg herumtanzt oder angesichts der schreienden Kinder die Ohren spitzt und zu trippeln beginnt, dann ist es einfach nicht drin, mich da überraschen zu lassen, weil das ganz schnell eine ganz böse Überraschung werden kann.