Home / Forum / Verhalten & Psychologie / "Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Verfasser
Dogorama-Mitglied
Einleitungs-Beitrag
Anzahl der Antworten 1083
heute 06:31

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Jochen
heute 05:35
Hallo Babs,

nur kurz (keine Zeit). Du hast den Ulliweg nicht richtig angewendet.

Es geht nicht darum bis zum letzten Stadium mit dem Hund gemeinsam zu jagen, sondern nur bis zu einem Punkt, an dem ihr noch gemeinsam agiert.

Ab dort wird dann der Richtungswechsel gesetzt und es kommt die Lobblase und so weiter bzw. Pause/runterkommen.

Also ist für deinen Hund im Moment das gemeinsame Anzeigen von Mauselöchern vollkommen in Ordnung (vllt sogar für immer).
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Arinka
heute 06:15
Nabend zusammen, ich habe hier immer wieder mal mitgelesen und war neugierig, wie sich der Ulli-Weg auf meinen Rüden auswirkt (viel loben bei der Jagd auf Mäuse). Also sind wir diesen Weg die letzten 4 Wochen gegangen und heute sind wir aus meiner Sicht leider am Ende des Weges angekommen. Ich weiß, dass sich hier sehr positiv ausgetauscht wird und das finde ich auch super. Das hat mich ja u. a. motiviert, diesen Weg zu gehen. Nun bin ich mir nicht sicher, ob nun meine eher ernüchternde Erfahrung hierher passt. Also, wenn ihr meine Erfahrung lesen möchtet, schreibe ich diese gerne nieder. Wenn es nicht wirklich passt, dann lasse ich es besser sein. Mein Fazit ist letztendlich, dass dieser Weg für viele Hunde und deren Hundehalter ein toller Weg sein kann (wie man in diesem Thread auch wunderbar lesen und schauen kann), aber eben nicht für jedes Mensch-Hund-Team der Weg ist, der diesem Team gut tut.
Mir geht es genauso, und ich habe mich vom Ulliweg wieder verabschiedet.

Aber ich denke, es ist mit allem so: es passt nicht auf jedes Hund-Mensch-Team.

Finde es sehr wichtig, das zu erkennen.
 
Beitrag-Verfasser-Bild
SandrA
heute 06:31
Super, dass ihr offen für meine Erfahrung seid 👍. Das Filmchen zeigt unseren Weg, den wir bisher gegangen sind. Der Teil mit Musik zeigt Newton mit ca. 2 Jahren. Etwa 6 Monate vorher war die Schlaufe der Schleppleine gerissen und Newton ist mit Schleppleine durch eine große Kuhherde gelaufen. Der Teil ohne Musik zeigt Newton, wie er vor 5 Wochen an Kühen vorbei geht. Ich denke man kann gut erkennen, welchen Weg wir gegangen sind. Viel beobachten, Ruhe in die Situation bringen, und gemeinsam einen Weg erarbeiten, den wir beide ganz gut finden. Dabei habe ich Wert auf körpersprachliche Kommunikation gelegt. Sicherlich auch gelobt, aber ruhig. Nrwtons Charakter: Bereits als Welpe zeigte er ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, beobachtete andere Hunde und traf dann seine Entscheidung, mit wem er Kontakt aufnehmen wollte oder ob er lieber seinen eigenen Weg geht. Da er ein Tervueren aus einer Arbeitslinie ist, liegt ihm das Arbeiten im Blut, was nicht bedeutet, dass er um Arbeit bettelt (will to please). Im Gegenteil. Er ist der Auffassung, dass er den Menschen nicht braucht, dennoch arbeitet er gerne mit seinen Menschen zusammen. Er hat einen ausgeprägten Jagdtrieb, zeigte aber nie einen Tötungsinstinkt. Ich denke, dass es wichtig ist, die Vorgeschichte und auch den Charakter ein wenig zu kennen. Vor 4 Wochen ergab sich eine Situation, in der ich an den Ulli-Weg gedacht habe. Eine Wiese mit jede Menge 🐁. Wir gingen auf die Wiese und Newton verfolgte die erste Spur. Ich lobte ihn (erste Veränderung). Die Nase verschwand im Gras (ich lobte ihn). Bisher legte er sich dann vor das Mauseloch und zeigte es mir an, bis ich bei ihm war und dann spielten wir. Doch dieses Mal fing er an zu buddeln (ich lobte weiter). Und dann veränderte sich sein Körper. Er schien nun in seiner eigenen Welt zu sein. Ich lobte weiter. Er hörte an diesem Loch auf, und rannte zum nächsten Loch. Er buddelte wild los. An diesem Punkt wollte ich ihn unterbrechen. Keine Chance. Irgendwann reagierte er wieder und ich lobte, was ihn aus meiner Sicht nicht interessierte. Das ein anderer Weg Zeit braucht ist mir klar. Also wiederholte ich das immer wieder, aber nur an Mauselöcher. Da er auch auf Sicht und Bewegungsreizen jagd, behielt ich aus Sicherheitsgründen in diesem Bereich unseren alten Weg bei und zwar "unser" gemeinsames erarbeitetes Anzeigeverhalten. Zurück zu den Mäusen. Auch nach mehreren Tagen veränderte sich sein Verhalten nicht. Ich habe gelobt (Lobblase), ich habe mit ihm gebuddelt (er wechselte zu einem anderen Loch), ich habe einen Hundekumpel dazu geholt (der war nicht mehr interessant). Und ich gebe zu, dass ich traurig wurde. Newton war in seiner Welt und da spielte niemand anderes mehr eine Rolle. Sobald wir an einer Mäusewiese vorbei kamen, war Newton weg. Er brauchte mich nicht zum Jagen. Wenn ich es mal menschlich ausdrücke würde er sagen:" Die kann mir das Wasser beim Jagen nicht reichen. Das kann ich besser alleine." Wo er mir vorher stolz das Mauseloch zeigte, war ich nun Luft. Heute passierten dann 5 Sachen, die mir ein so starkes ungutes Gefühl bescherten, dass wir ab morgen unser Anzeigeverhalten auch an Mauselöcher wieder erarbeiten. Der erste Vorfall: Wir trafen eine Hündin, mit der Newton sehr gerne tobte. Sie begrüßten sich und die alte Dame zierte sich etwas (hier hätte Newton normalerweise seinen Gentleman ausgepackt). Der zweite Vorfall: Er ließ sie stehen und buddelte am nächsten Mauseloch. Die Hündin stand wie bestellt und nicht abgeholt auf der Wiese. Der dritte Vorfall: Dann sah ich nur noch, wie Newton kaute. Er hatte seine erste Maus gefressen. Die Leute mit der Hündin verabschiedeten sich. Ich sammelte Newton ein, der zum nächsten Mauseloch rannte. Der vierte Vorfall: Ich ging weiter auf eine andere Wiese. Er schaute zwar immer wieder hoch, aber ihn interessierte es null, dass ich mich entfernte. Als ich ca. 50 Meter weit weg war, kam er angelaufen. Aber nicht wie sonst mit Vollaspeed. Bei mir angekommen, suchte er das nächste Mauseloch. Der fünfte Vorfall: Ich bat ihn, sein Spielzeug zu holen, was ja mehr als 50 Meter entfernt war. Es interessierte ihn nicht. Erst als ich mit ihm ging und ihn immer wieder an sein Spielzeug erinnerte, holte er es. Mir persönlich sind es zu starke Veränderungen, die mich eher an ein Suchtverhalten erinnern, als an ein gemeinsames Jagen. Ich denke, dass Newtons Charakter und Genetik eine große Rolle spielen. Mich hat das an die Zeit erinnert, bevor wir mit unserem "Training" anfingen, einen gemeinsamen Weg zu finden, wie wir zusammen unsere Stärken einsetzen können. Er kann seine Nase einsetzen und ich kann mich darüber freuen, wie toll er mir z. B. eine verletzte Gans im hohen Gras anzeigen kann, ohne ihr zu Nahe zu kommen. Das war ein Gefühl von Teamarbeit. Diese Mäusejagd habe ich als Alleingang empfunden. Jetzt mag ich zu ungeduldig sein, aber mir ist das Risiko zu groß, dass er irgendwann wieder an die Schleppleine muss und diese aufgrund seiner Kraft wieder reißt. Mir fehlte auch unsere Teamarbeit und unser gemeinsamer Spaß danach. Auch scheint diese Lobblase Newton nicht wirklich zu interessieren. Er braucht es einfach nicht. Er weiß, dass er gut ist. Und genau das habe ich immer an ihm geschätzt. Das ist mir auf diesem Weg klar geworden und hat mich an seine Stärken erinnert 😉. Daher war es für mich keine negative Erfahrung, sondern eine weitere Erfahrung, aus der ich lernen kann ☺️. Für Diskussionen bin ich selbstverständlich offen und ich lese gerne hier weiter mit und schaue mir neugierig Eure Filmchen an. Wer weiß, wer in Zukunft noch mal bei uns einzieht.
Babs, ich fand deinen Erfahrungsbericht sehr wertvoll – vor allem, wie klar du wahrgenommen hast, wann Newton noch bei dir ist und wann er in seinen eigenen Film kippt.
Das kenne ich gut, auch ich habe Hunde, die idR dazu neigen zu sagen „bis hier her Danke….und bis nachher…vielleicht“ 😅

Bei Neo wäre Hochpushen in Momenten hoher Erregung übrigens eher kontraproduktiv, weil er in inneren Konflikten ja zum Umrichten neigt(e).
Wenn ich da noch mehr Erregung reinpusche, bekomme ich nicht „engere Zusammenarbeit“, sondern Kontrollverlust.
Für uns im Alltag…begrenzt nützlich. 😉

Darum feiere ich bei ihm nur die frühen, kognitiven Elemente der Sequenz – Sichten, Stehen, Anzeigen – also den Bereich, in dem er noch regulierbar bleibt, vor dem Tunnel.

Mit Ivy bin ich dagegen aktuell in einem ganz anderen Thema.
Kooperation wäre schön – aber ich glaube, sie weiß aktuell noch gar nicht, dass ein Wir überhaupt zielführend ist.🙄
Sie kippt bei Reizen so schnell in den Tunnel, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich laufe mit einer sehr liebenswerten, aber sensorisch völlig überlasteten kleinen „Autistin“ durchs Feld. 😉
Da existiere ich dann eher als freundliche Deko im Hintergrund ihres Blickfelds.

Bei ihr feiere ich das Auffinden und leite um, bevor sie sich im Buddeln verliert und wir beide uns erst zum Abendessen wieder treffen.
Im Grunde suche ich bei ihr gerade erstmal Wege der Vorregulation, damit sie mich überhaupt als sozialen Faktor wahrnimmt.

Und sehr spannend finde ich in dem Zusammenhang Jochens Hinweis:
Der Ulliweg meint eigentlich gar nicht, dass man mit dem Hund die gesamte Jagdsequenz bis zum letzten Stadium durchspielt.
Sondern nur bis zu dem Punkt, an dem man gemeinsam ist – also bis zu dem Moment, bevor der Hund in seinen eigenen Film kippt.
Was Jochen beschreibt, deckt sich ziemlich genau mit dem, was du bei Newton beobachtest und ich bei meinen.

Vielleicht ist für manche Hunde das gemeinsame Anzeigen tatsächlich der Endpunkt.

Deine Entscheidung finde ich also völlig richtig.
Du hast gespürt, dass Newton nicht mehr mit dir jagte, sondern völlig autonom, hast das fein analysiert, reflektiert und passt deine Strategie entsprechend (wieder) an. Perfekt 🤩