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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 6. Dez.

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
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Dogorama-Mitglied
13. Mai 05:19
Ich verstehe was du meinst und sehe natürlich unterschiedliche Möglichkeiten im Umgang mit den Hunden. Ich mach es ja tw ähnlich wie ihr und möchte auch auf Ähnliches hinaus. Ich sehe allerdings auch einen grossen Unschärfebereich in den Interpretationen von Kontrolle, Befehle, Miteinander und Selbständigkeit. Kontrolle läuft für mich nicht nur über Kommandos und Befehle, sondern ist ja auch im Stehenbleiben an der Ampel wenn ICH Stehenbleibe, im Warten solange ICH warte, im Weitergehen wenn ICH weitergehe. Mein Hund hat da wenig mitzureden und würde das vielleicht anders machen oder woanders hingehen, wenn er alleine wäre. Wobei er durchaus auch Wege vorschlagen kann und ich mich beim Schnüffeln zig mal mit ihm im Kreis drehe - aber ich denke es ist wert und wichtig, genauer und kritisch hinzuschauen, wieviel hundeseitige freie Entscheidung in den von uns beschriebenen und angestrebten Situationen wirklich drinnen ist...
Ich verstehe gerade nicht, inwiefern Unschärfen in den Interpretationen von Kontrolle, Befehle, Miteinander, Selbstständigkeit hier in diesem Zusammenhang jetzt eine Rolle spielen?
Bei den „Wege zur Freundschaft“ geht es ja ganz grob gesagt darum, dem Hund zu zeigen, dass ich ihn als gleichwertigen Partner sehe, ihn ernst nehme und sein Können als Jäger annehme. Dass ich meinem Hund genau das zeige und man dann gemeinsam mit ihm auf die Jagd geht. Dass auf diesem Weg der Hund wiederum seinen Menschen ganz anders wahrnimmt, dass draußen ein echtes „Gemeinsam“ zustande kommt.
Dass ich als Halter über diesen Weg natürlich Kontrolle ausüben will ist klar, es geht aber unbewusst vonstatten, Befehle werden überflüssig, ein beidseitiges Miteinander findet statt, der Hund darf vorschlagen und der Mensch folgt gerne.
Ich sehe da schon sehr viel hundeseitige freie Entscheidung.
Ich gehe nun nicht den expliziten Weg der „Wege zur Freundschaft“ sondern eher den der „Gefährtenschmiede“, beide Wege sind recht ähnlich wie wir neulich festgestellt haben und ob nun „Freund“ oder „Gefährte“ ist auch nur ein kleiner Unterschied 😉.
Da sich mein Hund seit Ende letzten Jahres deutlich verändert hat und dies nicht nur von mir positiv wahrgenommen wird sondern auch von meinen beiden Trainerinnen und da sich mein Hund nun auch draußen sehr für mich und mein Tun interessiert, an mir orientiert ist, daher glaube ich schon, dass ich zu Recht behaupten kann, dass sie sich mit sich selbst und ihren Entscheidungen wohl fühlt und ihr Verhalten eine einzige hundeseitige freie Entscheidung ist.
Ja, ich habe sie durch mein Verhalten und unser Training in diese von mir gewünschte Richtung „geschubst“, aber das ist glaube ich legitim.
Letztlich war und ist es aber immer nur ein Vorschlag meinerseits gewesen - den mein Hund angenommen hat. Freiwillig.
 
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SandrA
13. Mai 06:31
Ich verstehe was du meinst und sehe natürlich unterschiedliche Möglichkeiten im Umgang mit den Hunden. Ich mach es ja tw ähnlich wie ihr und möchte auch auf Ähnliches hinaus. Ich sehe allerdings auch einen grossen Unschärfebereich in den Interpretationen von Kontrolle, Befehle, Miteinander und Selbständigkeit. Kontrolle läuft für mich nicht nur über Kommandos und Befehle, sondern ist ja auch im Stehenbleiben an der Ampel wenn ICH Stehenbleibe, im Warten solange ICH warte, im Weitergehen wenn ICH weitergehe. Mein Hund hat da wenig mitzureden und würde das vielleicht anders machen oder woanders hingehen, wenn er alleine wäre. Wobei er durchaus auch Wege vorschlagen kann und ich mich beim Schnüffeln zig mal mit ihm im Kreis drehe - aber ich denke es ist wert und wichtig, genauer und kritisch hinzuschauen, wieviel hundeseitige freie Entscheidung in den von uns beschriebenen und angestrebten Situationen wirklich drinnen ist...
Ich glaube, vieles hängt davon ab, wie wir uns Kontrolle vorstellen und wohin wir mit unseren Hunden eigentlich wollen.

Wenn ich mir den Alltag mit meinem Gespann anschaue, dann ist da - wie gesagt - natürlich Kontrolle im Spiel. Ich entscheide, wann wir rausgehen, wo wir langlaufen, wann und was gefressen wird, ob und was wir jagen. Ich sorge dafür, dass andere Hunde bzw andere Lebewesen generell unversehrt bleiben, indem ich meine Hunde sobald erforderlich selbstverständlich manage.

Aber was mich mittlerweile wirklich interessiert, ist nicht, ob ich Kontrolle habe sondern wie viel Eigenbeteiligung hundeseits möglich ist.
Das ist für mich keine ideologische und keine entweder-oder Frage, allerdings eine spannende und für mich eine Riesenherausforderung: Wie viel kann ich den Chaoten zutrauen? Wann lasse ich los? Wann entscheiden die sich für uns, obwohl es da draußen gerade eine oder 1000 bessere Ideen gibt?

Als Neo anfing, sich bei Sichtung von Eichhörnchen, Katzen oder Vögeln (noch nicht die Endgegner, aber das Hörnchen ist nah dran) nicht mehr direkt festzubeißen in den Reiz, sondern sich nach ein paar Sekunden - ohne ein Wort von mir - zu mir umzudrehen mit diesem „Na los, du bist doch dran!“-Blick, ging mir echt das Herz auf. Weil er von sich aus den Impuls hatte, mich einzubeziehen.
Ich brauch da keinen Abbruch brüllen oder ihn ins Platz trillern (hab ich früher mal bei meiner Hündin angefangen, aber meine eigenen Ohren klirrten bei dem Getriller so sehr, dass ich das schnell verworfen habe 🙈).

Ja, das Verhalten ist trainiert, und ja, da fliegt ein Superleckerli oder der Superfutterbeutel. Aber es ist trotzdem keine dressierte Geste. Es ist eine Entscheidung. Eine, die aus vielen kleinen Erfahrungen gewachsen ist, in denen ich ihm gezeigt habe: Ich nehme dich ernst. Du musst hier nicht alleine durch. Und: Ich bring den Jackpot mit.

Also Kontrolle: Ja, aber definiert als Rahmen, in dem sich Vertrauen und Beziehung entfalten kann. Als Einladung zur Kooperation. Und dann wird auch das Stehenbleiben an der Ampel vielleicht zu etwas, das beide verstanden haben.
 
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Kirsten
13. Mai 08:33
Hallo Ich folge hier seit ein paar Tagen und bin mittlerweile neugierig selbst etwas zu lesen und mehr zu verstehen, was ihr meint und was mein Hund meint. Nun gibt es mehrere Bücher. Hat jemand von euch "Alltagswege zur Freundschaft" gelesen? Ich bin sowohl neugierig mich draußen mit dem Hund besser zu verstehen, wenn sie nur ihrer Nase nach will, als auch ein paar Dinge im häuslichen Leben besser meistern zu können. Noch bin ich unsicher mit welchem Buch ich starten will und will demnächst auch mal gucken, was die hiesige Bücherei bereithält.. Eure Beiträge finde ich motivierend. Es ist schön, was ihr erreicht
Alltagswege zur Freundschaft ist in meine Augen kein konkreter Handlungsleitfaden, falls du so etwas suchst. Da Wege zur Freundschaft sich viel mit dem Jagen befasst, geht es in „Alltagswege zur Freundschaft“ auch um andere Dinge.
Es gibt bei Ulli nicht „Die Methode“, denn wer der eigene Hund ist und was er mag, erlernt man selber. Man kann sich aber aus Ullis Gedanken und Vorschlägen vieles herausziehen.

Die Ulli berichtet von ihren Ansichten, sie tut das oft in Form von Geschichten von ihren eigenen Hunden und berichtet, welche Lösungen sie für sich und ihre Hunde gefunden hat. Sie bemüht sich immer sich in ihre Hunde hineinzuversetzen und zu überlegen, wie sich getroffene Menschenlösungen für die Hunde anfühlen und was diese mit dem Hund machen.

Es werden kurz wenige Basics von den Spaziergängen aus „Wege zur Freundschaft“ aufgegriffen.
Sie teilt ihre Gedanken zu anderen Dingen mit wie Bellen, Knurren, Hundebegegnungen, Raufereien und behandelt Mythen zum Thema Hund die immer noch recht präsent unter Hundehaltern sind. Es gibt außerdem ein paar Gastbeiträge von anderen Trainerinnen zu unterschiedlichen Hundetypen und zum Leben in der Stadt.
Obwohl Konditionierung zumindest vordergründig keine große Rolle in der Ullihundephilosophie spielt (es geht eher um Emotionen), findet sie natürlich statt und es gibt ein eigenes Kapitel dazu.
Außerdem gibt es ein Kapitel zu den gängigsten Wildtieren. Daraus hat sie später ein umfassenderes Buch „Seit mein Scout“ verfasst.

Ich würde im Nachhinein immer wieder mit „Wege zur Freundschaft“ starten wollen, wenn der eigene Hund sich auch nur ein bisschen jagdlich ambitioniert zeigt.

Ich hoffe, dass Dir das ein wenig helfen kann. Ganz viel Freude wünsche ich dir ☺️
 
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Kirsten
13. Mai 08:56
Ich muss sagen, dass diese Spitzfindigkeiten zum Thema Kontrolle für mich keine große Rolle spielen 🫣

Ich bin immer daran interessiert, was meine Hündin bewegt, welche Wünsche sie hat und ich berücksichtige diese so oft wie es nur geht. In manchen Situationen ist das nicht möglich, zum Beispiel bei einer Impfung oder einer Schmerzspritze beim Tierarzt. Nützt ja nichts, was muss, das muss. Wenn ich Möglichkeiten habe, ihr solche Situationen angenehmer zu machen, dann nutze ich diese auch, falls nicht, kriegen wir das auch so hin und die Welt geht davon nicht unter.

Ich habe auf dem Weg gelernt, dass je weniger Druck von mir kommt, desto weniger Druck hat Mira Dinge zu tun. Früher war für mich das Idealbild, das mein Hund auf Kommando eine Aktion abbrechen kann, auch wenn sie ganz doll unter Strom steht. Kontrolle…
Heute mag ich sehr, wenn Mira schafft sich selber abzuwenden und eben nicht wie ein Torpedo zu mir geschossen kommt, sondern sich abwendet und zu mir schlendert.

Vor der Ullihundephilosophie hab ich sie in schwierigen Hundebegegnungen zur mir gemarkert und beschäftigt, bis der andere Hund vorbei war. Heute findet sie ihre eigenen Wege damit klarzukommen. Einfach so…
Weil sie selber viel weniger Druck verspürt und mehr Handlungsmöglichkeiten hat.
Naja. Manchmal klappt auch das nicht, aber zum größten Teil eben schon.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Mai 09:13
Ich muss sagen, dass diese Spitzfindigkeiten zum Thema Kontrolle für mich keine große Rolle spielen 🫣 Ich bin immer daran interessiert, was meine Hündin bewegt, welche Wünsche sie hat und ich berücksichtige diese so oft wie es nur geht. In manchen Situationen ist das nicht möglich, zum Beispiel bei einer Impfung oder einer Schmerzspritze beim Tierarzt. Nützt ja nichts, was muss, das muss. Wenn ich Möglichkeiten habe, ihr solche Situationen angenehmer zu machen, dann nutze ich diese auch, falls nicht, kriegen wir das auch so hin und die Welt geht davon nicht unter. Ich habe auf dem Weg gelernt, dass je weniger Druck von mir kommt, desto weniger Druck hat Mira Dinge zu tun. Früher war für mich das Idealbild, das mein Hund auf Kommando eine Aktion abbrechen kann, auch wenn sie ganz doll unter Strom steht. Kontrolle… Heute mag ich sehr, wenn Mira schafft sich selber abzuwenden und eben nicht wie ein Torpedo zu mir geschossen kommt, sondern sich abwendet und zu mir schlendert. Vor der Ullihundephilosophie hab ich sie in schwierigen Hundebegegnungen zur mir gemarkert und beschäftigt, bis der andere Hund vorbei war. Heute findet sie ihre eigenen Wege damit klarzukommen. Einfach so… Weil sie selber viel weniger Druck verspürt und mehr Handlungsmöglichkeiten hat. Naja. Manchmal klappt auch das nicht, aber zum größten Teil eben schon.
Super gut 🤩
Mit beiden Hunden zusammen mache ich das genauso (nur ohne Leckerlies). Mit allen Arten von Vögeln klappt das schon richtig gut, insbesondere auch das weiter gehen. Das war bis vor kurzem noch der Moment, wo eine dann doch die Nerven verloren hat und dann alles wieder Essig war.
Katzen sind ECHT SCHWER. Da geht immerhin angespanntes Beobachten an lockerer Führleine. Die Katze darf nicht flüchten und ich muss den richtigen Moment abpassen für ein Weitergehen. So wie du gerade im Video gesagt hast, dass die Mira rechts im Gebüsch z.B. was gehört hat. Das wäre dann so ein Moment, den ich nutzen würde zum weiter gehen.
Bin ich mit Kaisa alleine unterwegs und wir üben, dann beobachten wir eine Zeitlang und dann starte ich die Aktion an Ort und Stelle mit Leinentraining.

Bin ich hingegen mit Jerna alleine unterwegs. Dann zeigt sie mir alles an, wartet kurz darauf, dass ich ihren Fund würdige - und wir gehen total entspannt weiter.
Faszinierend, wie das mit beiden zusammen noch so ein himmelweiter Unterschied ist- und es ist wahrlich nicht so, dass immer nur die Kleine die Nerven verliert. Gerade die Große ist oft genug diejenige, die dann anfängt 😅
 
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SandrA
13. Mai 10:01
Ich muss sagen, dass diese Spitzfindigkeiten zum Thema Kontrolle für mich keine große Rolle spielen 🫣 Ich bin immer daran interessiert, was meine Hündin bewegt, welche Wünsche sie hat und ich berücksichtige diese so oft wie es nur geht. In manchen Situationen ist das nicht möglich, zum Beispiel bei einer Impfung oder einer Schmerzspritze beim Tierarzt. Nützt ja nichts, was muss, das muss. Wenn ich Möglichkeiten habe, ihr solche Situationen angenehmer zu machen, dann nutze ich diese auch, falls nicht, kriegen wir das auch so hin und die Welt geht davon nicht unter. Ich habe auf dem Weg gelernt, dass je weniger Druck von mir kommt, desto weniger Druck hat Mira Dinge zu tun. Früher war für mich das Idealbild, das mein Hund auf Kommando eine Aktion abbrechen kann, auch wenn sie ganz doll unter Strom steht. Kontrolle… Heute mag ich sehr, wenn Mira schafft sich selber abzuwenden und eben nicht wie ein Torpedo zu mir geschossen kommt, sondern sich abwendet und zu mir schlendert. Vor der Ullihundephilosophie hab ich sie in schwierigen Hundebegegnungen zur mir gemarkert und beschäftigt, bis der andere Hund vorbei war. Heute findet sie ihre eigenen Wege damit klarzukommen. Einfach so… Weil sie selber viel weniger Druck verspürt und mehr Handlungsmöglichkeiten hat. Naja. Manchmal klappt auch das nicht, aber zum größten Teil eben schon.
Mira ist da wirklich schon sehr weit, finde ich 👍🏻

Ich finde es gerade spannend, wie unterschiedlich Hunde in den jeweiligen Phasen mit Entscheidungsfreiheit und Handlungsoptionen umgehen (können).

Bei Neo zeigt sich das sehr deutlich. Er bringt eine ganz andere Dynamik mit als Mira in den Videos. Während Mira durch mehr Eigenständigkeit offenkundig entspannter agieren kann, ist bei Neo genau das Aushalten von innerem Stress, ohne in Handlung zu kippen eine der größten Baustellen.

Wenn ich ihm in schwierigen Situationen zu viel Entscheidungsspielraum lasse, kommt es (noch) recht schnell zu einer Überforderung, die dann eben nicht in feinem, selbstreguliertem Verhalten mündet, sondern in impulsivem Handeln. Neo braucht an bestimmten Punkten und an bestimmten Reizen klare Ansprache als Halt und Orientierung. Und da zeigt sich für mich: Handlungsspielraum ist nicht per se Selbstwirksamkeit. Es braucht vorher die Fähigkeit, innere Spannung überhaupt aushalten zu können, ohne sie sofort extern abzuführen – sei es über Bewegung, Bellen, Umorientierung oder Frust. Ich merke, dass das allmählich besser wird, aber da hat Neo noch einen Weg vor sich.

Ein wichtiger Aspekt ist auch das individuelle Temperament. Ein Hund, der emotional stabiler und reizresistenter ist, kann Handlungsspielräume oft leichter in konstruktive Handlungen übersetzen. Für andere – wie Neo – ist „Freiheit“ ohne innere Regulationsbasis schnell überfordernd. Sie brauchen erst Werkzeuge zur Emotionsregulation, bevor sie Wahlfreiheit überhaupt als hilfreich erleben können.

In unserem Training stellt sich deshalb nicht nur die Frage, ob ich Kontrolle überhaupt abgebe, sondern eben auch, wann ich das verantworten kann, ohne ihn in eine Situation zu schicken, die er nicht regulieren kann.

Ich finde, da liegt schon eine wichtige Differenzierung in der Diskussion um Kontrolle, Selbstständigkeit und Miteinander: Freiheit ist dann funktional, wenn der Hund die Situation überhaupt verarbeiten kann - sonst ist sie vielleicht (noch) zu viel.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
13. Mai 10:17
Ich verstehe gerade nicht, inwiefern Unschärfen in den Interpretationen von Kontrolle, Befehle, Miteinander, Selbstständigkeit hier in diesem Zusammenhang jetzt eine Rolle spielen? Bei den „Wege zur Freundschaft“ geht es ja ganz grob gesagt darum, dem Hund zu zeigen, dass ich ihn als gleichwertigen Partner sehe, ihn ernst nehme und sein Können als Jäger annehme. Dass ich meinem Hund genau das zeige und man dann gemeinsam mit ihm auf die Jagd geht. Dass auf diesem Weg der Hund wiederum seinen Menschen ganz anders wahrnimmt, dass draußen ein echtes „Gemeinsam“ zustande kommt. Dass ich als Halter über diesen Weg natürlich Kontrolle ausüben will ist klar, es geht aber unbewusst vonstatten, Befehle werden überflüssig, ein beidseitiges Miteinander findet statt, der Hund darf vorschlagen und der Mensch folgt gerne. Ich sehe da schon sehr viel hundeseitige freie Entscheidung. Ich gehe nun nicht den expliziten Weg der „Wege zur Freundschaft“ sondern eher den der „Gefährtenschmiede“, beide Wege sind recht ähnlich wie wir neulich festgestellt haben und ob nun „Freund“ oder „Gefährte“ ist auch nur ein kleiner Unterschied 😉. Da sich mein Hund seit Ende letzten Jahres deutlich verändert hat und dies nicht nur von mir positiv wahrgenommen wird sondern auch von meinen beiden Trainerinnen und da sich mein Hund nun auch draußen sehr für mich und mein Tun interessiert, an mir orientiert ist, daher glaube ich schon, dass ich zu Recht behaupten kann, dass sie sich mit sich selbst und ihren Entscheidungen wohl fühlt und ihr Verhalten eine einzige hundeseitige freie Entscheidung ist. Ja, ich habe sie durch mein Verhalten und unser Training in diese von mir gewünschte Richtung „geschubst“, aber das ist glaube ich legitim. Letztlich war und ist es aber immer nur ein Vorschlag meinerseits gewesen - den mein Hund angenommen hat. Freiwillig.
Unschärfen in der Einordnung sind in absichlichen Erziehungs- und Trainingsszenarien immer wichtig.

Gerade dein Beitrag zeigt, was da alles an Begrifflichkeiten einfach mal so verwendet wird.

Klar übst du Kontrolle aus, aber ihr Verhalten ist eine einzige freie Entscheidung?

Du schubst sie in eine Richtung, aber das ist nur ein Vorschlag?

Der Hund ist gleichwertiger Partner?
Führt man einen gleichwertigen Partner an der Leine herum?
Kann der Hund einfach mal sagen, du ich geh jetzt eine Runde allein und guck bei Nachbars Rüden vorbei?
Kann sie sich Nachschlag beim Essen holen?
Zu anderen Hunden rennen, wie sie mag?
Sagen ich würd lieber Mantrailen als zur Jägerin gehen?
Und doch mal ein Häschen jagen, wenn ihr wirklich danach ist?


Ich hab absolut nichts dagegen, Hunden möglichst respekt- und verständnisvoll zu begegnen, ihnen möglichst viel Bewegungsfreiheit und passende Beschäftigung zu ermöglichen.
Aber ich finde, man sollte einen klaren Blick dafür behalten, was in welche Kategorien fällt und sich nicht irgendwelchen hübsch formulierten Illusionen hingeben.

Es ist dem pädagogischen Umgang mit anderen Lebewesen nämlich absolut nicht förderlich, wenn man nichtmehr bemerkt, ob und in wie weit man Kontrolle und Manipulation ausübt.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
13. Mai 10:24
Ich glaube, vieles hängt davon ab, wie wir uns Kontrolle vorstellen und wohin wir mit unseren Hunden eigentlich wollen. Wenn ich mir den Alltag mit meinem Gespann anschaue, dann ist da - wie gesagt - natürlich Kontrolle im Spiel. Ich entscheide, wann wir rausgehen, wo wir langlaufen, wann und was gefressen wird, ob und was wir jagen. Ich sorge dafür, dass andere Hunde bzw andere Lebewesen generell unversehrt bleiben, indem ich meine Hunde sobald erforderlich selbstverständlich manage. Aber was mich mittlerweile wirklich interessiert, ist nicht, ob ich Kontrolle habe sondern wie viel Eigenbeteiligung hundeseits möglich ist. Das ist für mich keine ideologische und keine entweder-oder Frage, allerdings eine spannende und für mich eine Riesenherausforderung: Wie viel kann ich den Chaoten zutrauen? Wann lasse ich los? Wann entscheiden die sich für uns, obwohl es da draußen gerade eine oder 1000 bessere Ideen gibt? Als Neo anfing, sich bei Sichtung von Eichhörnchen, Katzen oder Vögeln (noch nicht die Endgegner, aber das Hörnchen ist nah dran) nicht mehr direkt festzubeißen in den Reiz, sondern sich nach ein paar Sekunden - ohne ein Wort von mir - zu mir umzudrehen mit diesem „Na los, du bist doch dran!“-Blick, ging mir echt das Herz auf. Weil er von sich aus den Impuls hatte, mich einzubeziehen. Ich brauch da keinen Abbruch brüllen oder ihn ins Platz trillern (hab ich früher mal bei meiner Hündin angefangen, aber meine eigenen Ohren klirrten bei dem Getriller so sehr, dass ich das schnell verworfen habe 🙈). Ja, das Verhalten ist trainiert, und ja, da fliegt ein Superleckerli oder der Superfutterbeutel. Aber es ist trotzdem keine dressierte Geste. Es ist eine Entscheidung. Eine, die aus vielen kleinen Erfahrungen gewachsen ist, in denen ich ihm gezeigt habe: Ich nehme dich ernst. Du musst hier nicht alleine durch. Und: Ich bring den Jackpot mit. Also Kontrolle: Ja, aber definiert als Rahmen, in dem sich Vertrauen und Beziehung entfalten kann. Als Einladung zur Kooperation. Und dann wird auch das Stehenbleiben an der Ampel vielleicht zu etwas, das beide verstanden haben.
Genau das meine ich.
Du hast sehr schön deutlich gemacht, was ich mit klarem Verständnis dafür, was was ist, meine.

👍👍👍
 
Beitrag-Verfasser
M
13. Mai 10:28
Ich muss sagen, dass diese Spitzfindigkeiten zum Thema Kontrolle für mich keine große Rolle spielen 🫣 Ich bin immer daran interessiert, was meine Hündin bewegt, welche Wünsche sie hat und ich berücksichtige diese so oft wie es nur geht. In manchen Situationen ist das nicht möglich, zum Beispiel bei einer Impfung oder einer Schmerzspritze beim Tierarzt. Nützt ja nichts, was muss, das muss. Wenn ich Möglichkeiten habe, ihr solche Situationen angenehmer zu machen, dann nutze ich diese auch, falls nicht, kriegen wir das auch so hin und die Welt geht davon nicht unter. Ich habe auf dem Weg gelernt, dass je weniger Druck von mir kommt, desto weniger Druck hat Mira Dinge zu tun. Früher war für mich das Idealbild, das mein Hund auf Kommando eine Aktion abbrechen kann, auch wenn sie ganz doll unter Strom steht. Kontrolle… Heute mag ich sehr, wenn Mira schafft sich selber abzuwenden und eben nicht wie ein Torpedo zu mir geschossen kommt, sondern sich abwendet und zu mir schlendert. Vor der Ullihundephilosophie hab ich sie in schwierigen Hundebegegnungen zur mir gemarkert und beschäftigt, bis der andere Hund vorbei war. Heute findet sie ihre eigenen Wege damit klarzukommen. Einfach so… Weil sie selber viel weniger Druck verspürt und mehr Handlungsmöglichkeiten hat. Naja. Manchmal klappt auch das nicht, aber zum größten Teil eben schon.
Wie findet man den Zeitpunkt zum weiter gehen? Oftmals denke ich Bluna hat geschnüffelt und wendet sich wieder ihrer Umwelt zu und sage ihr, dass wir weiter gehen und dann stemmt sie sich erst recht gegen die Leine und steckt die Nase tiefer ins Gras 🤔
Oder nachdem wir etwas beobachtet haben will ich weiter und sie zieht mich erst noch mal zum Grashalm untersucht ihn und pinkelt da hin 🙈 möglicherweise sind das jetzt völlig verschiedene Dinge, dann tut es mir Leid, wenn es nicht zum Thema gehört. Mir fällt es schwer das zu differenzieren
Ich habe das Gefühl ich möchte gerne mit dem Hund arbeiten statt in manchen Situationen konsequent gegen ihn😥
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
13. Mai 10:29
Ich muss sagen, dass diese Spitzfindigkeiten zum Thema Kontrolle für mich keine große Rolle spielen 🫣 Ich bin immer daran interessiert, was meine Hündin bewegt, welche Wünsche sie hat und ich berücksichtige diese so oft wie es nur geht. In manchen Situationen ist das nicht möglich, zum Beispiel bei einer Impfung oder einer Schmerzspritze beim Tierarzt. Nützt ja nichts, was muss, das muss. Wenn ich Möglichkeiten habe, ihr solche Situationen angenehmer zu machen, dann nutze ich diese auch, falls nicht, kriegen wir das auch so hin und die Welt geht davon nicht unter. Ich habe auf dem Weg gelernt, dass je weniger Druck von mir kommt, desto weniger Druck hat Mira Dinge zu tun. Früher war für mich das Idealbild, das mein Hund auf Kommando eine Aktion abbrechen kann, auch wenn sie ganz doll unter Strom steht. Kontrolle… Heute mag ich sehr, wenn Mira schafft sich selber abzuwenden und eben nicht wie ein Torpedo zu mir geschossen kommt, sondern sich abwendet und zu mir schlendert. Vor der Ullihundephilosophie hab ich sie in schwierigen Hundebegegnungen zur mir gemarkert und beschäftigt, bis der andere Hund vorbei war. Heute findet sie ihre eigenen Wege damit klarzukommen. Einfach so… Weil sie selber viel weniger Druck verspürt und mehr Handlungsmöglichkeiten hat. Naja. Manchmal klappt auch das nicht, aber zum größten Teil eben schon.
Das sind doch keine "Spitzfindigkeiten", sich über die Art der eigenen Einflussnahme auf andere Lebewesen bewusst sein zu wollen.