Home / Forum / Verhalten & Psychologie / "Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Verfasser
Dogorama-Mitglied
Einleitungs-Beitrag
Anzahl der Antworten 1060
zuletzt 6. Dez.

"Wege zur Freundschaft" (Ulli Reichmann)

Hallo ihr Lieben :) Ich habe kürzlich o.g. Buch verschlungen und gleich begeistert mit dem dort aufgeführten Training begonnen. Für alle, die es nicht kennen: Es geht darum gemeinsam mit seinem Hund die Welt zu entdecken und Spuren zu suchen etc.. Quasi ein Leitfaden, wie man dem Hund zeigt nicht mehr alleine jagen zu gehen, sondern voller Freude zu kooperieren. Ich bin nun unendlich begeistert, weil erste (auch unerwartete) Erfolge schon in wenigen Tagen sichtbar wurden und wollte nun mal fragen, ob noch jemand inspiriert von diesen Methoden mit seinem Hund die Welt erkundet? Würde mich über einen Erfahrungsaustausch unheimlich freuen! Liebe Grüße
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Sonja
11. Mai 23:05
Sehr schöner Input, mach ich tw bereits und nehm ich nochmal verstärkt mit. Hängt Ella währenddessen aber auch plärrend in der Leine? Bzw wie adaptierst du das, wenn sie richtig abgeht?
Wenn es zu arg ist (heute war ein Fuchs vor uns auf dem Feldweg - da war sie nicht ansprechbar) gehe ich vom Reiz weg, vergrößere den Abstand. Wenn das Wild sich von uns weg bewegt, beruhigt sie sich, wenn es außer Sicht ist. Sich neben sie hocken, leise reden und die Hand auf den Rücken legen sind alles Dinge, die Ella beruhigen.
Bei Wild, das wir schon ein paar Mal zusammen "gejagt" haben, zum Beispiel Rehe, ist sie mittlerweile von Anfang an ruhiger - und das schon nach 2-3 Mal gemeinsam Jagen.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
12. Mai 03:03
Wenn es zu arg ist (heute war ein Fuchs vor uns auf dem Feldweg - da war sie nicht ansprechbar) gehe ich vom Reiz weg, vergrößere den Abstand. Wenn das Wild sich von uns weg bewegt, beruhigt sie sich, wenn es außer Sicht ist. Sich neben sie hocken, leise reden und die Hand auf den Rücken legen sind alles Dinge, die Ella beruhigen. Bei Wild, das wir schon ein paar Mal zusammen "gejagt" haben, zum Beispiel Rehe, ist sie mittlerweile von Anfang an ruhiger - und das schon nach 2-3 Mal gemeinsam Jagen.
Sehr spannend...muss ich demnächst mal ausprobieren 👍
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
12. Mai 09:03
"Wege zur Freundschaft" beschreibt eine innere Einstellung in Bezug auf das Jagen. Dass man es annehmen und mit dem Hund leben soll, statt dagegen anzukämpfen. Ich bin noch nicht durch mit dem Buch, aber es ist meiner Meinung nach kein Trainingskonzept für alle Lebenslagen. Es ist auf das Thema Jagen reduziert. Man kann es trotzdem als Grundsatz auf andere Dinge übertragen, aber wie man dem Hund beibringt, am Bordstein stehen zu bleiben ist einfach nicht das Thema von Ulli Reichmann.
Und ich glaube, das mit der inneren Einstellung lässt sich sehr gut auch auf die Stadt übertragen… Polli ist eine weniger intensive Jägerin, ist aber in der Stadt der allseits beliebte „Strassenstaubsauger“!😫

Mir geht‘s inzwischen wirklich um‘s Miteinander, d.h. den Hund auch mal machen lassen und dann Bewegung in die (für mich) falsche Richtung durch Interaktion umlenken, nicht durch Abbruch.
Beispiel gestern: Polli hat Bordsteine irgendwie netterweise schon als persönliche Grenze definiert, wahrscheinlich kommt man sonst als Strassenhund in Spanien nicht besonders weit.
Jetzt kamen uns zwei recht präsente große Hunde an der Leine auf einem recht engen Gehweg entgegen. Polli (fast immer ohne Leine) weicht solchen Begegnungen gerne aus und bog also Richtung Straße ab. Mein erster Impuls: direkt ranrufen, damit sie nicht auf die Straße läuft!
Was hab ich stattdessen gemacht? Kurz abgewartet und festgestellt, dass Hundine AUF DEM BORDSTEIN ENTLANG zwischen Baumscheibe und Straße entlangbalaciert ist, den Baum zwischen sich und dem „Feind“, aber formal auf dem Gehweg!😳
Hätte sie in dem Moment eine Pfote auf die Straße gesetzt hätt ich vielleicht kurz ihren Namen gerufen und damit eine kurze Erinnerung gemacht… manchmal ist sie eben etwas verschlumpft!
Aber grundsätzlich macht SIE da die Entscheidung, was sie macht, es gibt von mir keine Anleitung.

Ich fand’s am Anfang wahnsinnig schwer, in solchen Situationen immer mehr und mehr loszulassen und dem Hundetier sukzessive immer mehr zu vertrauen.
Aber inzwischen sind auch die Spaziergänge auf dem Ku‘damm sehr entspannt!
Und die Pizzareste auf der Terrasse der Pizzeria werden nur noch inhaliert, solange Hundine nicht den Anschluss verliert! Ok, wenn‘s gar lecker ist, braucht’s vielleicht mal ein kurzes „ey“, um sich wieder ins Gedächtnis zu bringen.
Kann ich auch irgendwo verstehen: Die Pizza da ist einfach saulecker!😋
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Katja
12. Mai 09:10
PS: Polli ist aber in ihren Entscheidungen und deren Ausführungen auch meist recht langsam… mit nem Aussi-Temperament hätte ich da wahrscheinlich auch so meine Schwierigkeiten…😉
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Kirsten
12. Mai 09:14
Ich weiss nicht, ob du mich ansprichst, aber nachdem ich Kontrolle erwähnt hab, antworte ich mal. Du wanderst mit einem mäßig interessierten Hund an der Leine durch einen Park. Abgesehen davon, dass die Leine schon ordentlich Kontrolle ist, braucht es in solchen Situationen nicht viel. Was machst du mit Welpen an Strassenkreuzungen oder Bordsteinen? Wie verklickerst du denen, dass sie da nicht einfach runtersteigen sollen? Oder wie man in der Ubahn aus und ein steigt? Wenn ich da nicht sage so und nicht anders, liegt das Tier nach einer Woche auf den Gleisen, weil es kein natürliches Verständnis dieser Gefahren hat und auch nicht jeder Hund daherkommt mit Werkseinstellung "klar, ich folge wie am Faden von selber, wenn jemand sagt gehn wa mal hier lang".
Entschuldige, ja ich meinte dich. Der Bezug zu deinem Post ist wohl verloren gegangen.

Richtig, für die Mira ist das nicht übermäßig stressig. Wäre es extrem stressig bis nicht leistbar, hätte ich ihr zu Liebe einen komplett anderen Weg gewählt oder die Route zumindest so durch die Wiesen angepasst, dass es für sie gut möglich wäre dort klarzukommen. Vertrauen bedeutet in meinen Augen eben auch, dass ich ein Auge darauf habe, dass es meinem Hund gut geht. Es ist keine Einbahnstraße vom Hund aus. Ich weiß was sie kann und was eventuell schwierig werden könnte und dementsprechend passe ich die Dinge so an, dass in mich gesetztes Vertrauen nicht auf ihre Kosten geht.

Nun ist sie ein Terrier und ist von sich aus schon sehr an Bewegungsreizen interessiert. Im Video reagiert sie nicht auf Bälle, Roller, Fahrräder, usw. weil ich ein solches Verhalten nicht unterdrücke, sondern weil es da für sie keine Wichtigkeit (mehr) hat, so wie es Sandra in ihrem Post beschrieben hat. Sie beschließt, das sie da nicht hinterhergeht, deswegen muss da von meiner Seite aus nichts passieren und genau das ist worauf ich hinaus möchte.
Nun waren wir vor den Videos den ganzen Tag schon unterwegs und haben für die Mira anspruchsvolle Dinge erlebt. Deswegen laufen wir auf dem einen Video auch nicht den Hunden frontal in die Arme, sondern wir warten ganz einfach entspannt auf der Wiese und lassen die Hunde passieren. Wir haben den Platz und die Zeit dafür und deswegen nutze ich das auch und meine Hündin kann drauf Vertrauen, dass ich Situationen bestmöglich mit ihr löse. Weil ich eben weiß, das ihr eine solche Situation schwerer fällt, als Kinder mit Bällen oder dynamischen Fortbewegungsmitteln.

Und ja, wenn du die Leine als Kontrolle definierst, kontrolliere ich meinen Hund. Mein Hund ist von Natur aus sehr selbstständig, ihr ist es besonders wichtig Dinge selbst einschätzen und entscheiden zu können und mithilfe der Leine können diese Prozesse stattfinden und zu den Ergebnissen führen, die man im Video sieht ohne, dass ich gegen ihr Naturell arbeiten muss.

Ein Welpe an einer stark befahrenden Straßenkreuzung ist bei mir angeleint.
Mein erwachsener Jagdhund übrigens auch immer noch, ich hab da gar keine Ambitionen, dass mein Hund ohne Leine die Straße überqueren muss. Warum auch?
Ich möchte dass Hunde, die mit mir unterwegs sind, mit mir warten, bis es möglich ist rübergehen und ausreichend aufmerksam sind, das sie diesen Moment nicht verpassen. Das lernen sie durch tägliches Leben und erleben auch ohne Befehle. Ob da ein Bordstein ist oder nicht spielt für mich überhaupt keine Rolle und mit der U-Bahn ist es das gleiche.
Ich denke, dass man einem Hund nicht 10 Meter Schleppleine gibt, wenn er enthusiastisch über die Straße rennen möchte, versteht sich von selbst. Wenn ein Hund auf der anderen Straßenseite etwas entdeckt, wohin er hinmöchte, hätte ich Verständnis dafür, ist doch ganz normales Explorationsverhalten. Verständnis bedeutet allerdings nicht, dass man ihn in potenziellen Gefahrensituationen sich selbst überlässt.

Wenn die Leine nach deinen Worte zu Folge schon ausreichend viel Kontrolle beinhaltet, was spricht denn dagegen, diese zu nutzen, bis der Hund soweit ist die Situationen selbstständig meistern zu können?
 
Beitrag-Verfasser-Bild
Kirsten
12. Mai 12:17
Es ist sicher nicht allgemeingültig, aber für mich sind Bewegungsreize fast immer willkommene Trainingsobjekte. Besonders für Ella, die auf alle Bewegungen reagiert - bei Tieren sehr stark. Ich jage dann mit ihr gemeinsam, indem ich neben ihr in die Hocke gehe, und ruhig und leise mit ihr spreche. Schaut sie nur und ist recht ruhig dabei, vielleicht sogar im Sitzen, wird sie gelobt. Ist sie aufgeregt, bellt vielleicht sogar, lege ich eine Hand auf ihren Rücken und erkläre ihr, was wir uns anschauen - dabei geht es hauptsächlich um einen ruhigen Tonfall und die Kommunikation an sich - unabhängig vom Inhalt der Worte. Ella merkt, dass ich an dem Objekt ebenfalls interessiert bin, dass wir uns das zusammen anschauen. Wenn sie ruhig genug ist, schleichen wir uns ein paar Schritte näher ran, dabei bleibe ich an Ihrer Seite und halte die Kommunikation aufrecht. Irgendwann breche ich "die Jagd" ab, mit unserem Wort zum Beenden ("Fertig") und der Aufforderung, weiter zu gehen. Was ich mir früher nie vorstellen konnte, selbst nach der Lektüre der "Wege zur Freundschaft ": Ella ist mit so kurzen Jagdsequenzen zufrieden und wendet sich tatsächlich vom Wild ab und neuen Dingen zu. Und natürlich kontrolliere ich die Situation. Ich erlaube und begleite die Jagd, und vor allem beende ich sie auch. Was ich aber nicht tue ist, gegen den Hund zu arbeiten oder gar zu kämpfen. Ella bekommt kein Kommando, kein Nein, kein Abbruchwort zu hören. Fertig und Weiter sind Ankündigungen von dem, was ICH als nächstes machen werde. Und zu meinem Erstaunen macht sie freiwillig mit - und hört auf zu jagen. Auf dieselbe Art kann man Autos, Fahrradfahrer, Kinderwagen, Rollstuhlfahrer oder Nordic Walker "jagen".
Mit dem Hund reden, über 1-Wort-Kommandos hinaus ist ja oft noch so verpönt oder peinlich behaftet, als wäre es komplett falsch und oft wird sich damit gerühmt, möglichst wenig mit dem Hund zu sprechen.

Auf Dogorama im Forum sieht man immer wieder Videos von Leuten die ihren aktuellen Trainingsstand mit dem Hund posten. Wenn sie dabei mit dem Hund sprechen, wird oft direkt dazu erklärt, dass man selber wüsste, dass es zu viel oder nicht so gut wäre.
Die HH scheinen instinktiv zu spüren, dass Sprechen in der Situation hilfreich ist, denn sonst würden sie ja nicht tun.
Und dennoch scheint es schambehaftet zu sein. Ich rede auf Videos auch weniger, wenn ich sie für Dogorama aufnehme, um mir lästige Kommentare zu ersparen 🫣

Witzigerweise hört mir Mira viel mehr zu, seitdem wir der Ullihundephilosophie folgen und ich auch dadurch mehr mit ihr spreche.
Damit meine ich nicht ausschließlich draußen in Situationen, wo wir gemeinsam etwas erleben, sondern auch zuhause.
Wenn ich meinem Freund von den Erlebnissen des Tages erzähle, hebt sie interessiert den Kopf, legt ihn sogar teilweise schief dabei und lauscht. Das hat sie früher nie getan, wenn es um Dinge ging, die so gar nicht relevant für sie sind.
Das finde ich einerseits unheimlich spannend und interessant, gleichzeitig ist es auch traurig, dass sie es vorher nie getan hat.
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
12. Mai 16:29
Mit dem Hund reden, über 1-Wort-Kommandos hinaus ist ja oft noch so verpönt oder peinlich behaftet, als wäre es komplett falsch und oft wird sich damit gerühmt, möglichst wenig mit dem Hund zu sprechen. Auf Dogorama im Forum sieht man immer wieder Videos von Leuten die ihren aktuellen Trainingsstand mit dem Hund posten. Wenn sie dabei mit dem Hund sprechen, wird oft direkt dazu erklärt, dass man selber wüsste, dass es zu viel oder nicht so gut wäre. Die HH scheinen instinktiv zu spüren, dass Sprechen in der Situation hilfreich ist, denn sonst würden sie ja nicht tun. Und dennoch scheint es schambehaftet zu sein. Ich rede auf Videos auch weniger, wenn ich sie für Dogorama aufnehme, um mir lästige Kommentare zu ersparen 🫣 Witzigerweise hört mir Mira viel mehr zu, seitdem wir der Ullihundephilosophie folgen und ich auch dadurch mehr mit ihr spreche. Damit meine ich nicht ausschließlich draußen in Situationen, wo wir gemeinsam etwas erleben, sondern auch zuhause. Wenn ich meinem Freund von den Erlebnissen des Tages erzähle, hebt sie interessiert den Kopf, legt ihn sogar teilweise schief dabei und lauscht. Das hat sie früher nie getan, wenn es um Dinge ging, die so gar nicht relevant für sie sind. Das finde ich einerseits unheimlich spannend und interessant, gleichzeitig ist es auch traurig, dass sie es vorher nie getan hat.
Ich stimme dir voll und ganz zu.
Allerdings finde ich es wichtig, WIE du mit dem Hund redest. Ich achte schon darauf, dass ich den Hund nicht sinnlos zutexte und mit dem was ich sage gängele, sondern dass es wie Sonja geschrieben hat Ankündigungen und Freigaben sind. Dass ich halt sage, was ich als Nächstes tun werde, dass ich die Rehe/ Hasen/ Katze/ Jogger/ whatever gesehen habe, dass da ne Straße kommt und wir da warten, genauso wie ich dann halt weiter gehe. Usw.
Ich lobe und pushe die Hunde tatsächlich wenig bis gar nicht mehr mit hoher kieksiger Stimme, sondern tendenziell rede ich mit ihnen wie mit „Erwachsenen“.
 
Beitrag-Verfasser
M
12. Mai 16:45
Hallo
Ich folge hier seit ein paar Tagen und bin mittlerweile neugierig selbst etwas zu lesen und mehr zu verstehen, was ihr meint und was mein Hund meint.

Nun gibt es mehrere Bücher. Hat jemand von euch "Alltagswege zur Freundschaft" gelesen?
Ich bin sowohl neugierig mich draußen mit dem Hund besser zu verstehen, wenn sie nur ihrer Nase nach will, als auch ein paar Dinge im häuslichen Leben besser meistern zu können.
Noch bin ich unsicher mit welchem Buch ich starten will und will demnächst auch mal gucken, was die hiesige Bücherei bereithält.. Eure Beiträge finde ich motivierend. Es ist schön, was ihr erreicht
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
12. Mai 18:33
Entschuldige, ja ich meinte dich. Der Bezug zu deinem Post ist wohl verloren gegangen. Richtig, für die Mira ist das nicht übermäßig stressig. Wäre es extrem stressig bis nicht leistbar, hätte ich ihr zu Liebe einen komplett anderen Weg gewählt oder die Route zumindest so durch die Wiesen angepasst, dass es für sie gut möglich wäre dort klarzukommen. Vertrauen bedeutet in meinen Augen eben auch, dass ich ein Auge darauf habe, dass es meinem Hund gut geht. Es ist keine Einbahnstraße vom Hund aus. Ich weiß was sie kann und was eventuell schwierig werden könnte und dementsprechend passe ich die Dinge so an, dass in mich gesetztes Vertrauen nicht auf ihre Kosten geht. Nun ist sie ein Terrier und ist von sich aus schon sehr an Bewegungsreizen interessiert. Im Video reagiert sie nicht auf Bälle, Roller, Fahrräder, usw. weil ich ein solches Verhalten nicht unterdrücke, sondern weil es da für sie keine Wichtigkeit (mehr) hat, so wie es Sandra in ihrem Post beschrieben hat. Sie beschließt, das sie da nicht hinterhergeht, deswegen muss da von meiner Seite aus nichts passieren und genau das ist worauf ich hinaus möchte. Nun waren wir vor den Videos den ganzen Tag schon unterwegs und haben für die Mira anspruchsvolle Dinge erlebt. Deswegen laufen wir auf dem einen Video auch nicht den Hunden frontal in die Arme, sondern wir warten ganz einfach entspannt auf der Wiese und lassen die Hunde passieren. Wir haben den Platz und die Zeit dafür und deswegen nutze ich das auch und meine Hündin kann drauf Vertrauen, dass ich Situationen bestmöglich mit ihr löse. Weil ich eben weiß, das ihr eine solche Situation schwerer fällt, als Kinder mit Bällen oder dynamischen Fortbewegungsmitteln. Und ja, wenn du die Leine als Kontrolle definierst, kontrolliere ich meinen Hund. Mein Hund ist von Natur aus sehr selbstständig, ihr ist es besonders wichtig Dinge selbst einschätzen und entscheiden zu können und mithilfe der Leine können diese Prozesse stattfinden und zu den Ergebnissen führen, die man im Video sieht ohne, dass ich gegen ihr Naturell arbeiten muss. Ein Welpe an einer stark befahrenden Straßenkreuzung ist bei mir angeleint. Mein erwachsener Jagdhund übrigens auch immer noch, ich hab da gar keine Ambitionen, dass mein Hund ohne Leine die Straße überqueren muss. Warum auch? Ich möchte dass Hunde, die mit mir unterwegs sind, mit mir warten, bis es möglich ist rübergehen und ausreichend aufmerksam sind, das sie diesen Moment nicht verpassen. Das lernen sie durch tägliches Leben und erleben auch ohne Befehle. Ob da ein Bordstein ist oder nicht spielt für mich überhaupt keine Rolle und mit der U-Bahn ist es das gleiche. Ich denke, dass man einem Hund nicht 10 Meter Schleppleine gibt, wenn er enthusiastisch über die Straße rennen möchte, versteht sich von selbst. Wenn ein Hund auf der anderen Straßenseite etwas entdeckt, wohin er hinmöchte, hätte ich Verständnis dafür, ist doch ganz normales Explorationsverhalten. Verständnis bedeutet allerdings nicht, dass man ihn in potenziellen Gefahrensituationen sich selbst überlässt. Wenn die Leine nach deinen Worte zu Folge schon ausreichend viel Kontrolle beinhaltet, was spricht denn dagegen, diese zu nutzen, bis der Hund soweit ist die Situationen selbstständig meistern zu können?
Ich verstehe was du meinst und sehe natürlich unterschiedliche Möglichkeiten im Umgang mit den Hunden.

Ich mach es ja tw ähnlich wie ihr und möchte auch auf Ähnliches hinaus.

Ich sehe allerdings auch einen grossen Unschärfebereich in den Interpretationen von Kontrolle, Befehle, Miteinander und Selbständigkeit.

Kontrolle läuft für mich nicht nur über Kommandos und Befehle, sondern ist ja auch im Stehenbleiben an der Ampel wenn ICH Stehenbleibe, im Warten solange ICH warte, im Weitergehen wenn ICH weitergehe.

Mein Hund hat da wenig mitzureden und würde das vielleicht anders machen oder woanders hingehen, wenn er alleine wäre.

Wobei er durchaus auch Wege vorschlagen kann und ich mich beim Schnüffeln zig mal mit ihm im Kreis drehe - aber ich denke es ist wert und wichtig, genauer und kritisch hinzuschauen, wieviel hundeseitige freie Entscheidung in den von uns beschriebenen und angestrebten Situationen wirklich drinnen ist...
 
Beitrag-Verfasser
Dogorama-Mitglied
12. Mai 18:42
Mit dem Hund reden, über 1-Wort-Kommandos hinaus ist ja oft noch so verpönt oder peinlich behaftet, als wäre es komplett falsch und oft wird sich damit gerühmt, möglichst wenig mit dem Hund zu sprechen. Auf Dogorama im Forum sieht man immer wieder Videos von Leuten die ihren aktuellen Trainingsstand mit dem Hund posten. Wenn sie dabei mit dem Hund sprechen, wird oft direkt dazu erklärt, dass man selber wüsste, dass es zu viel oder nicht so gut wäre. Die HH scheinen instinktiv zu spüren, dass Sprechen in der Situation hilfreich ist, denn sonst würden sie ja nicht tun. Und dennoch scheint es schambehaftet zu sein. Ich rede auf Videos auch weniger, wenn ich sie für Dogorama aufnehme, um mir lästige Kommentare zu ersparen 🫣 Witzigerweise hört mir Mira viel mehr zu, seitdem wir der Ullihundephilosophie folgen und ich auch dadurch mehr mit ihr spreche. Damit meine ich nicht ausschließlich draußen in Situationen, wo wir gemeinsam etwas erleben, sondern auch zuhause. Wenn ich meinem Freund von den Erlebnissen des Tages erzähle, hebt sie interessiert den Kopf, legt ihn sogar teilweise schief dabei und lauscht. Das hat sie früher nie getan, wenn es um Dinge ging, die so gar nicht relevant für sie sind. Das finde ich einerseits unheimlich spannend und interessant, gleichzeitig ist es auch traurig, dass sie es vorher nie getan hat.
Das finde ich eine gewagte Theorie, dass HH "instinktiv" wissen, was im Umgang mit den Hunden hilfreich ist.

Die Praxiserfahrung jedes aufmerksamen und (selbst)kritischen HH widerlegt das am laufenden Band. Wäre dem nicht so, bräuchte niemand Hundetrainer oder Rat in Foren.

Ich finde es überhaupt nicht "schamhaft", mit einem Hund zu reden, sondern gerade bei eher nervösen, ständig aufmerksamen Hunden oft schlicht kontraproduktiv, weil sie dadurch nicht zur Ruhe kommen.