Ich lese hier schon länger interessiert mit; Wege zur Freundschaft habe ich vor einiger Zeit gelesen – und war ehrlich erstaunt, wie viele Parallelen ich darin zu meinem eigenen Weg mit meinen Hunden gefunden habe.
Ich habe nicht bewusst „nach Ulli“ gearbeitet, aber rückblickend vieles in dem Buch wiedergefunden, was ich intuitiv gesucht habe – nachdem klassische Strategien bei uns gescheitert waren.
Meine Hündin (Podenco-Malinois-Mix, davor bei einem Jäger) hat in ihrer Anfangszeit bei uns ein Huhn getötet – trotz monatelanger Vorbereitung mit Reizkontrolle, Signalkontrolle und ordentlich aufgebautem Schleppleinentraining.
Verhalten war da. Aber keine innere Haltung.
Genau dieser Punkt – dass Verhalten keine Hülle ohne Inhalt ist, aber Ausdruck eines inneren Prozesses – wird im Ulli-Weg immer wieder betont. Der Hund tut nicht einfach „etwas“, er meint etwas. Und wenn das Was nicht zum Warum passt, zerbricht die Fassade irgendwann.
Ich wollte keine kontrollierte Impulskontrolle mehr, sondern ein echtes inneres Loslassen. Nicht: „Du darfst das nicht.“. Als vielmehr: „Du willst das nicht mehr.“
Ich habe mit ihr am Reiz gelebt, anstatt gegen ihn zu trainieren. Ohne Management, ohne Markerwort, aber mit Präsenz, Zugewandtheit, Zeit – und dem Vertrauen, dass sie selbst entscheiden kann, was dazugehört und was nicht. Genau das beschreibt Reichmann: Reizintegration statt Reizvermeidung. Alltag statt Ausnahmezustand.
Heute lebt Joona unbeaufsichtigt mit den Hühnern zusammen. Auch hysterisch flatternde Neuzugänge nehmen meine beiden (beide jagdlich ambitioniert) gelassen zur Kenntnis. Kein Management nötig – weil kein Bedürfnis mehr da ist. Das Thema hat sich verändert, das Verhalten wurde nicht nur unterdrückt.
Gerade heute musste ich an das Buch denken.
Uns näherten sich Jogger von hinten. Wir gingen an die Seite, Neo stand entspannt auf der abgewandten Seite. Eine alte Hundedame trottete hinterher, näherte sich seinem Hinterteil – und weil er gelassen blieb, ließ ich es zu, verhielt mich passiv. Sie schnüffelte kurz, warf ihm einen netten Blick zu und lief weiter. Und Neo? Tat … nichts. Hielt nur kurz die Nase in ihre Richtung, schluffte dann weiter.
Früher wäre er völlig eskaliert oder hätte noch bis vor kurzem so angespannt ausgehalten, dass er danach in eine imaginäre Tüte hätte atmen müssen.
Für mich war das ein Mega-Moment. Kein spektakulärer, aber einer mit Tiefenwirkung. Die vielen Stunden sozialer Kontakt – nicht trainiert, sondern gelebt – tragen langsam kleine Früchte.
Er hat früher in hohen Erregungslagen umgerichtet – wirklich gelernt hat er nicht durch Korrektur sondern durch Verstandenwerden.
Dass man einen Hund verstehen muss, damit dieser sich verständlich verhalten kann, ist eine Botschaft im Buch, die sich für mich wie ein nachträglicher Puzzlestein anfühlt.
Als ich Wege zur Freundschaft gelesen habe, war das eine stille Bestätigung, dass der Weg über Beziehung, Begleitung und echte Veränderung möglich ist. Sicher nicht über Nacht und auch nicht ohne Zweifel.
„Vertrauen entsteht nicht durch Training. Vertrauen entsteht durch Miteinander.“ – das trifft rückblickend im Grunde genau das, was ich erlebt habe.