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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Dogorama-Mitglied
13. Juni 07:39
Es wirkt ein bisschen so, als würde hier nicht inhaltlich sondern rein begrifflich aneinander vorbeidiskutiert werden. Denn Bindung ist offensichtlich ein Begriff, der aus sehr unterschiedlichen Perspektiven verwendet wird – und je nach Hintergrund ganz verschiedene Dinge meint. Das ist nicht tragisch, sofern man eben benennt, aus welcher Denkrichtung man gerade spricht. Denn ja – „Bindung“ im Sinne Bowlby/Ainsworth ist eine klar asymmetrische Geschichte: Da geht’s um sichere Basis, Stressregulation, Rückversicherung bei Überforderung. Das hat wenig bis nichts mit „emotionaler Nähe auf Augenhöhe“ zu tun. Und genau diese Struktur ist gemeint, wenn man von Bindungstypen, Bindungsunsicherheit oder desorganisiertem Bindungsverhalten spricht. Das bedeutet aber nicht, dass jeder, der den Begriff Bindung benutzt, automatisch dieses Konzept meint und meinen muss. In der Hunde-Welt oder im allgemeinsprachlichen Gebrauch ist „Bindung“ oft einfach das Wort für enge emotionale Beziehung. Mehr nicht. Das ist weder falsch noch unwissenschaftlich – aber es ist eben nicht dasselbe wie die entwicklungspsychologische Theorie. Problematisch wird’s nur, wenn man Begriffe austauscht, aber nicht klärt, was man meint. Dann diskutiert der eine über Bindungstypen, der andere über Alltagsbeziehung, und beide denken, der andere hat keine Ahnung. Und ganz ehrlich – es geht doch gar nicht darum, wer was wie „richtig“ benutzen darf. Sondern darum, dass man benennt, welchen Rahmen man selbst verwendet. Wenn jemand von Bindung spricht und eigentlich meint „emotionale Stabilität durch verlässliches Miteinander“, dann ist das vollkommen okay – aber es hilft halt zu sagen: „Ich spreche hier nicht von Bowlby.“ Nicht jede Diskussion braucht ein psychologisches Grundstudium – aber vielleicht ein bisschen Begriffsklarheit sowie Offenheit für andere Blickwinkel.
Jo da hast du grundsätzlich völlig recht, ich finde allerding den alltagssprachlichen Gebrauch von Bindung, der für jeden ein bisschen was Anderes zu bedeuten scheint und oft mit bestenfalls vagen, tw sogar kontraproduktiven Vorstellungen über ihre Erreichbarkeit daher kommt, so wenig hilfreich für den Umgang mit Problemthemen.

Es geht mir wirklich nicht um eine rein akademische Rechthaberei, ich hab die Bindungsarten deshalb erwähnt und vertreten, weil sie imho sehr hilfreich dabei sein können, die Auswirkungen des eigenen Verhaltens nochmal besser zu verstehen, es zu reflektieren und wenn nötig zu adjustieren.
Als ich vor Monaten in dem Seminar das Konzept in Erinnerung gerufen bekam, war es ein regelrechter kleiner Augenöffner und hat mich sehr nachdrücklich gemacht.
 
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Julia 🐾Nero
13. Juni 07:41
Aber das ist doch genau wieder dieser Punkt, dass "Bindung" automatisch als quasi die bessere, engere, tiefere Beziehung missverstanden wird. Bindung ist aber nicht unbedingt gut, sie kann mit einem unzugänglichen, unzuverlässigen oder missbräuchlichen Bindungspartner auch richtig mies ausfallen. Und ein Abhängigkeitsaspekt bzw ein den Anderen Brauchen muss doch eigentlich mit involviert sein, sonst ist der definierende Aspekt von besonderem Sicherheits- und Vertrauensbedürfnis einem bestimmten Individuum gegenüber ja wieder raus...? Die Sache mit der Bindung zu Objekten halte ich für sehr weit hergeholt, da sind wir wenn überhaupt ziemlich tief im Pathologischen, wo der fehlende Interaktionsbeitrag des Objekts durch die Fantasie des Lebewesens ersetzt wird und das Objekt nur als deren Projektionsfläche dient. Der praxisrelevante Punkt ist, dass es sehr viel mehr bringen kann, die ursprüngliche Definition der verschiedenen Bindungsarten anzugucken und zu verstehen, wodurch sie zustande kommen, als darauf zu hoffen, dass man eine "gute" Bindung bekommt, wenn man das Futter manuell zuführt. Mir hat's jedenfalls nochmal ziemlich eindringlich verdeutlicht, welche Auswirkungen mein Verhalten auch in kleinen Dingen auf das Vertrauen und Sicherheitsgefühl meines Schützlings/Beziehungspartners "Hund" haben kann.
Es hat aber keiner die Position vertreten, dass man durch Futter eine gute Bindung bekommt.
Das wurde eigentlich wiederholt klar gestellt. Futter kann aber Beziehungs- und Bindungsfördernd verabreicht werden.

Es spricht nichts dagegen sich die Modelle anzuschauen, wenn man sich mit der Theorie identifizieren kann. Für jemanden, der seinen Hund in einem adulten Alter bekommt, ist es vielleicht erst mal weniger ansprechend. Ich sehe mich zum Beispiel nicht in einer Mutterrolle, vielleicht wäre es anders, wenn ich einen kleinen, hilflosen Welpen bekommen hätte.

Welches konzeptuelle Problem stellt es denn dar, wenn Bindung als rein positiv betrachtet wird? Wobei auch im Baumann Video eine negative Form von Bindung benannt wird und zwar die emotionale Abhängigkeit.
Aber ja in der Hund-Mensch Beziehung geht man bei Bindung meist von einem positiven Konstrukt aus, nämlich der engen, emotionalen Verbundenheit.
Alle kleinen Änderungen die du im Rahmen des Bindungsmodels gemacht hat, hätte man ja genauso in einem Beziehungsmodel machen können. Verlässlichkeit, Klarheit, Konsequenz sind ja so die Grundpfeiler, die einen guten Hunde"führer" ausmachen und für Sicherheit und Entspannung sorgen.

Es ist eine andere Herangehensweise, die weder besser, noch schlechter ist.
Wobei es nie verkehrt ist, sich mit Theorien zu befassen und zu reflektieren, ob man einen Nutzen für sich ziehen kann.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Juni 07:57
Genau richtig 👍. Was ich noch ergänzen würde ist, dass die Bowlby Theorie heutzutage in der Psychologie auch sehr viel Kritik erfährt. Man kann sie natürlich zitieren und als Evidenz anbringen, aber man darf nicht außer Acht lassen, dass es nicht die uneingeschränkte Wahrheit widerspiegelt.
Hast du zu dieser Kritik aktuelle Quellen?
Würde mich sehr interessieren.
Ich denk selbst, dass die Modelle besser ausgearbeitet und voneinander abgesetzt sein könnten und ev um zumindest eines - einen überprotektiven Bindungsstil - erweitert werden könnten.
Aber die sind halt ein Kind ihrer Zeit, wo Wahrnehmung von und der Umgang mit Kindern ein völlig anderer war als heute.
Ich halte sie trotzdem für sehr wertvoll als einen der Grundsteine der systemischen Sichtweise und als Mahnung dafür, welch gravierende Folgen das Verhalten besonders in asymmetrischen Beziehungen haben kann.

Auf "Begriffstreue" zu beharren hat für mich auch definitiv nichts mit irgendeiner Wahrheit zu tun, sondern damit, eine für alle nachvollziehbare Diskussionsgrundlage zu haben.
Wenn jeder von seiner eigenen, nicht näher definierten Version von irgendwas plaudert, redet man wie man sieht ziemlich aneinander vorbei und hat wenig Erkenntnisgewinn.
 
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Julia 🐾Nero
13. Juni 08:05
Hast du zu dieser Kritik aktuelle Quellen? Würde mich sehr interessieren. Ich denk selbst, dass die Modelle besser ausgearbeitet und voneinander abgesetzt sein könnten und ev um zumindest eines - einen überprotektiven Bindungsstil - erweitert werden könnten. Aber die sind halt ein Kind ihrer Zeit, wo Wahrnehmung von und der Umgang mit Kindern ein völlig anderer war als heute. Ich halte sie trotzdem für sehr wertvoll als einen der Grundsteine der systemischen Sichtweise und als Mahnung dafür, welch gravierende Folgen das Verhalten besonders in asymmetrischen Beziehungen haben kann. Auf "Begriffstreue" zu beharren hat für mich auch definitiv nichts mit irgendeiner Wahrheit zu tun, sondern damit, eine für alle nachvollziehbare Diskussionsgrundlage zu haben. Wenn jeder von seiner eigenen, nicht näher definierten Version von irgendwas plaudert, redet man wie man sieht ziemlich aneinander vorbei und hat wenig Erkenntnisgewinn.
Ich kann später Quellen raussuchen.

Grob zusammengefasst wird krititisiert, dass der Fokus auf der Mutter Kind Beziehung liegt und andere Caregiver wie Väter vernachlässigt werden, kulturelle Unterschiede werden nicht beachtet, es wird eine zu starke Deterministik kritisiert, da die Mutter Kind Bindung alle Beziehungsprobleme im späteren Leben verursachen soll, und der Einfluss der Peer Group wird komplett außer Acht gelassen. Mangelnde Fluidität zwischen den Modellen wird auch kritisiert.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Juni 08:19
Es hat aber keiner die Position vertreten, dass man durch Futter eine gute Bindung bekommt. Das wurde eigentlich wiederholt klar gestellt. Futter kann aber Beziehungs- und Bindungsfördernd verabreicht werden. Es spricht nichts dagegen sich die Modelle anzuschauen, wenn man sich mit der Theorie identifizieren kann. Für jemanden, der seinen Hund in einem adulten Alter bekommt, ist es vielleicht erst mal weniger ansprechend. Ich sehe mich zum Beispiel nicht in einer Mutterrolle, vielleicht wäre es anders, wenn ich einen kleinen, hilflosen Welpen bekommen hätte. Welches konzeptuelle Problem stellt es denn dar, wenn Bindung als rein positiv betrachtet wird? Wobei auch im Baumann Video eine negative Form von Bindung benannt wird und zwar die emotionale Abhängigkeit. Aber ja in der Hund-Mensch Beziehung geht man bei Bindung meist von einem positiven Konstrukt aus, nämlich der engen, emotionalen Verbundenheit. Alle kleinen Änderungen die du im Rahmen des Bindungsmodels gemacht hat, hätte man ja genauso in einem Beziehungsmodel machen können. Verlässlichkeit, Klarheit, Konsequenz sind ja so die Grundpfeiler, die einen guten Hunde"führer" ausmachen und für Sicherheit und Entspannung sorgen. Es ist eine andere Herangehensweise, die weder besser, noch schlechter ist. Wobei es nie verkehrt ist, sich mit Theorien zu befassen und zu reflektieren, ob man einen Nutzen für sich ziehen kann.
Das war als stellvertretendes, plakatives Beispiel gemeint, der Vorschlag, dass Handfütterung zu einer gute Bindung verhilft, kommt ja im Forum immer wieder mal.

Ich persönlich muss mich nicht mit etwas identifizieren, um darin interessante und lehrreiche Aspektr zu finden.
Ich finde zB durchaus, dass die Modelle auch für adulte Hunde/Menschen anwendbar sind, wenn diese in einer Situation sind, wo sie besonderen Rückhalt und Sicherheit brauchen.
Auf unsichere Tierheimhunde kann das ebenso zutreffen wie zB auf rekonvaleszente oder traumatisierte Menschen.

Das konzeptuelle Problem der schlichten positiven Bindung sehe ich darin, dass es keinerlei Spiegel für bzw keine implizite Magnung an das eigene Verhalten bietet.
Klar haben viele von uns schon gehört, wie wir idealerweise sein sollten, aber die wenigsten Menschen sind ideal und würden imho sehr profitieren davon, die möglichen Folgen ihrer Verhaltensschwächen (für die man ja nicht immer den klarsten Blick hat) vor Augen geführt zu bekommen.
Mir jedenfalls ging es so.

Insofern finde ich dieses selbstgestrickte, vage-verklärte "Verständnis" von Bindung tatsächlich "schlechter", weil wenig lehrreich oder in konkrete Selbstreflexion und - verbesserung übersetzbar.

Das Video gibt mir garnix, das ist für mich ein total kruder Eintopf aus Halbwissen, Ungenauigkeiten unbelegten Behauptungen.

Gibt es denn tatsächlich Theorien zu einer Bindung (im Sinne der Bindungsmodelle) zu Objekten? Weisst du da was davon?
 
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Dogorama-Mitglied
13. Juni 08:25
Ich kann später Quellen raussuchen. Grob zusammengefasst wird krititisiert, dass der Fokus auf der Mutter Kind Beziehung liegt und andere Caregiver wie Väter vernachlässigt werden, kulturelle Unterschiede werden nicht beachtet, es wird eine zu starke Deterministik kritisiert, da die Mutter Kind Bindung alle Beziehungsprobleme im späteren Leben verursachen soll, und der Einfluss der Peer Group wird komplett außer Acht gelassen. Mangelnde Fluidität zwischen den Modellen wird auch kritisiert.
Ah, die kenn ich dann eh grossteils, das hab ich wohl unsauberer Weise irgendwie mit "Bowlby et al" als impliziert angenommen.

Aber das stimmt, diese Kritiken sind absolut angebracht.
Mutter-Kind ist eh schon längst erledigt, ebenso die Erweiterung in die grösseren Sozialverbände und Peer-Groops.

Die Modelle selbst find ich wie gesagt auch durchaus verbesserungsfähig, mal sehen, was da noch kommt.

Falls du was wirklich Aktuelles aus den letzten Jahren dazu haben solltest, würde ich mich über Verweis freuen.
 
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Elke
13. Juni 08:45
Ah, die kenn ich dann eh grossteils, das hab ich wohl unsauberer Weise irgendwie mit "Bowlby et al" als impliziert angenommen. Aber das stimmt, diese Kritiken sind absolut angebracht. Mutter-Kind ist eh schon längst erledigt, ebenso die Erweiterung in die grösseren Sozialverbände und Peer-Groops. Die Modelle selbst find ich wie gesagt auch durchaus verbesserungsfähig, mal sehen, was da noch kommt. Falls du was wirklich Aktuelles aus den letzten Jahren dazu haben solltest, würde ich mich über Verweis freuen.
Also im Baumann-Video wird sich zur Bindungstheorie "Bowlby et al." auf Heidi Keller und Gottfried Spangler bezogen. Die sind dir aber bestimmt bekannt? Ich werde mich da mal bisschen umsehen.
 
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Julia 🐾Nero
13. Juni 10:18
Das war als stellvertretendes, plakatives Beispiel gemeint, der Vorschlag, dass Handfütterung zu einer gute Bindung verhilft, kommt ja im Forum immer wieder mal. Ich persönlich muss mich nicht mit etwas identifizieren, um darin interessante und lehrreiche Aspektr zu finden. Ich finde zB durchaus, dass die Modelle auch für adulte Hunde/Menschen anwendbar sind, wenn diese in einer Situation sind, wo sie besonderen Rückhalt und Sicherheit brauchen. Auf unsichere Tierheimhunde kann das ebenso zutreffen wie zB auf rekonvaleszente oder traumatisierte Menschen. Das konzeptuelle Problem der schlichten positiven Bindung sehe ich darin, dass es keinerlei Spiegel für bzw keine implizite Magnung an das eigene Verhalten bietet. Klar haben viele von uns schon gehört, wie wir idealerweise sein sollten, aber die wenigsten Menschen sind ideal und würden imho sehr profitieren davon, die möglichen Folgen ihrer Verhaltensschwächen (für die man ja nicht immer den klarsten Blick hat) vor Augen geführt zu bekommen. Mir jedenfalls ging es so. Insofern finde ich dieses selbstgestrickte, vage-verklärte "Verständnis" von Bindung tatsächlich "schlechter", weil wenig lehrreich oder in konkrete Selbstreflexion und - verbesserung übersetzbar. Das Video gibt mir garnix, das ist für mich ein total kruder Eintopf aus Halbwissen, Ungenauigkeiten unbelegten Behauptungen. Gibt es denn tatsächlich Theorien zu einer Bindung (im Sinne der Bindungsmodelle) zu Objekten? Weisst du da was davon?
Die Selbstreflexion und Veränderung des eigenen Verhaltens kann ja genauso gut über Beziehungs-analyse und -arbeit erfolgen.

Als anektodisches Beispiel, wenn ich von einer engen und "guten" Bindung mit meinem Hund ausgehe, entbindet es mich nicht davon an meinem Verhalten zu arbeiten, weil ich von einer problematischen Beziehung ausgehe, für die primär ich verantwortlich bin.
Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass Nero bei der Sitterin ein vorbildlicher Traumhundstreber ist, weil die Beziehung dort trotz fehlender Bindung einfach top ist.

Ob man die Probleme der Bindung oder Beziehung zuschreibt ist für die Selbstreflexion und Arbeit an sich selbst erst mal nicht entscheidend glaube ich, solange man Probleme erkennt und konstruktive Lösungen sucht.

Das Ding ist ja, streng nach Bowlby wären die Probleme die ich habe nicht mal durch mich verschuldet, sondern durch den Bindungstyp meines Hundes mit seiner Hauptbezugsperson in seiner ersten Familie.
Das könnte mich genauso von Verantwortung entbinden, wenn man wollte.
Ich sage jetzt nicht, dass das deine Position ist, denn du hast ja erklärt, dass du eh von einer weiterentwickelten Version der Theorie ausgehst.

Aber grundsätzlich ist die Theorie spannend und ich werde mich ein bisschen mehr damit beschäftigen.

Bowlby ist ja auch eine anerkannte und fundierte Theorie, die trotz Kritik Ansehen findet und weiterentwickelt als Grundlage für das Verständnis der frühkindliche Entwicklung dient.

Im Gegensatz zum Beispiel zu der Archetypen-Theorie, die keinerlei nationale oder internationale Anerkennung unter Kynologen oder Verhaltensforschern findet und mehr oder minder "frei erfunden" von einer Frau ist, die viel Geld damit macht.
Aber weil es eine Theorie ist und in einem Buch steht hat er für viele Anhänger einen großen Wahrheitsgehalt.
Dennoch schwören viele Hundehalter darauf, dass sie positive Veränderungen aufgrund dieser Theorie herausarbeiten konnten und das kann ihnen keiner absprechen.
 
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Dogorama-Mitglied
13. Juni 11:04
Die Selbstreflexion und Veränderung des eigenen Verhaltens kann ja genauso gut über Beziehungs-analyse und -arbeit erfolgen. Als anektodisches Beispiel, wenn ich von einer engen und "guten" Bindung mit meinem Hund ausgehe, entbindet es mich nicht davon an meinem Verhalten zu arbeiten, weil ich von einer problematischen Beziehung ausgehe, für die primär ich verantwortlich bin. Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass Nero bei der Sitterin ein vorbildlicher Traumhundstreber ist, weil die Beziehung dort trotz fehlender Bindung einfach top ist. Ob man die Probleme der Bindung oder Beziehung zuschreibt ist für die Selbstreflexion und Arbeit an sich selbst erst mal nicht entscheidend glaube ich, solange man Probleme erkennt und konstruktive Lösungen sucht. Das Ding ist ja, streng nach Bowlby wären die Probleme die ich habe nicht mal durch mich verschuldet, sondern durch den Bindungstyp meines Hundes mit seiner Hauptbezugsperson in seiner ersten Familie. Das könnte mich genauso von Verantwortung entbinden, wenn man wollte. Ich sage jetzt nicht, dass das deine Position ist, denn du hast ja erklärt, dass du eh von einer weiterentwickelten Version der Theorie ausgehst. Aber grundsätzlich ist die Theorie spannend und ich werde mich ein bisschen mehr damit beschäftigen. Bowlby ist ja auch eine anerkannte und fundierte Theorie, die trotz Kritik Ansehen findet und weiterentwickelt als Grundlage für das Verständnis der frühkindliche Entwicklung dient. Im Gegensatz zum Beispiel zu der Archetypen-Theorie, die keinerlei nationale oder internationale Anerkennung unter Kynologen oder Verhaltensforschern findet und mehr oder minder "frei erfunden" von einer Frau ist, die viel Geld damit macht. Aber weil es eine Theorie ist und in einem Buch steht hat er für viele Anhänger einen großen Wahrheitsgehalt. Dennoch schwören viele Hundehalter darauf, dass sie positive Veränderungen aufgrund dieser Theorie herausarbeiten konnten und das kann ihnen keiner absprechen.
Hm, vielleicht kam das etwas falsch rüber - ich meine überhaupt nicht, dass jeder die Bindungstheorien kennen muss, um selbstreflektiert an seinen Beziehungsmustern zu arbeiten.

Was ich meine ist, wenn man schon im Zusammenhang mit Ratschlägen "Bindung" ins Spiel bringt, sollte man sich vielleicht mal ansehen, was die Hintergründe dieses Begriffes sind, weil die Beobachtungen und Theorien dazu Schlaglichter auf sensible und leicht übersehbare Ursache-Wirkungs-Verwebungen werfen.

Ich sehe auch kein "entweder Beziehung oder Bindung", in meinem Verständnis beschreibt die Bindungstgeorie eine spezielle Art bzw "Unterkategorie" von Brziehung - nämlich eine asymmetrische Beziehung, in der ein Partner weitumfänglich vom anderen abhängig ist.
Gerade diese Art von Beziehung ist naturgemäss extrem anfällig für Belastungen, internen Störungen, Unklarheiten, Inkonsistenzen, Missverständnisse, oft auch ungewollten und unbemerkten Übergrifgigkeiten.
Da nehm ich mich ganz explizit mit rein, dafür bin ich sehr anfällig und finde deshalb den Nasenstüber, den man von solchen Ausarbeitungen wie den Bindungsmodellen bekommt, auch so wertvoll.

Und aus dem selben Grund meckere ich immer rein, wenn von den "gleichberechtigten" Beziehungen "auf Augenhöhe" geschwärmt wird.
Solange der Hund sich nicht selbst verpflegen und weitestgehend kommen und gehen und tun und lassen kann was er will, ist das schlicht nicht existent.
Und anzunehmen es wäre so, macht einen blind für die Machtposition und Entscheidungsgewalt, die man über das Lebewesen hat.

Wohlwollend zu Gewähren ist halt einfach nicht das Selbe wie Gleichberechtigung herzustellen.
 
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Jörg
13. Juni 11:19
Ich bin jetzt echt erstaunt wie aus einem Beschäftigungsmodell der Futtersuche im Gegensatz zur Objekt suche auf Beziehung und Bindung eine 24 Stunden Fachvortrag geworden ist. Keiner hatte im Hinterkopf der an Beschäftigungs Modell denkt für den Hund darüber nach ob die Beziehung oder Bindung gut oder schlecht ist zumindest ich nicht. In meiner Beschreibung in Form von Beschäftigung habe ich darüber nachgedacht was Nähe fördert und das mache ich nun mal nicht in dem ich Futter von mir weg schmeiß und den Hund auf die Suche schicke.