Ohh, hier wird ja einiges durcheinander geworfen:
1. Klassische vs. operante Konditionierung: Der Clicker bzw. das Markerwort werden klassisch konditioniert, sprich es gibt einen Reiz und daraufhin folgt die Belohnung (Futter, Spiel, whatever). Und zwar IMMER. Auch wenn ich mal aus Versehen clicker. Der Hund lernt also "click = Belohnung, wodurch ich viel punktgenauer belohnen kann, auch Verhaltensweisen wie z.B. das Vorstehen am Wild (die Belohnung ist dann das weitere Beobachten), die der Hund von sich auszeigt. Aber auch Sachen wie Sitz auf die Entfernung. (Solange der Click im richtigen Moment kommt, ist es egal, wenn du erst später belohnen kannst). Gleichzeitig löst der Clicker automatisch positive Emotionen aus, ohne dass der Hund das beeinflussen kann. Das kann man sich z.B. in schwierigen Hundebegegnungen zunutze machen, wo der Hund eigentlich nicht mehr ansprechbar ist.
ABER: Verhalten dass ich mit dem Clicker aufbaue (Sitz etc.) ist NICHT klassisch konditioniert. Denn der Hund zeigt ein Verhalten, dann folgt eine bestimmte (hier positive) Konsequenz. Damit bin ich automatisch in der OPERANTEN Konditionierung.
2. Belohnungen: Eine Belohnung muss nicht automatisch Futter sein, sondern kann alles sein, was der Hund gerade.möchte bzw. was seiner Motivation entspricht. Auch Freilauf, zu anderen Hunden hingehen, schnüffeln, buddeln, durch die Tür gehen sind Belohnungen. @Tom: was machst DU denn, wenn du die Haustür aufmachst und dein Hund stürmt raus? Richtig, du wirst warten, bis Hund sich ruhig verhält und ERST DANN gehts durch die Tür. Das durch die Tür gehen wird also zum Verstärker des.gewünschten Verhaltens (ruhig warten). Damit bist du im Bereich der operanten Kontionierung und hast, nach deiner eigenen Definition, deinen Hund "dressiert". Ich würde nur in dieser Situation zusätzlich clickern oder markern, um meinem Hund zu sagen, für welches Verhalten genau denn die Tür nun aufgeht. Kontitionierung finde nicht nur dann statt, wenn wir es bewusst planen und so nennen ^^
3. Belohnungen abbauen und variable Bestätigung: Belohnungen kann man nicht nur variieren (Art der Belohnung), sondern man geht sehr schnell in eine andere Belohnungsfrequenz über, irgendwann wird das Ganze variabel. Wie Sandra schon schrieb,.es gibt dann nicht mehr für jedes ausgeführte Verhalten einen Click (die Belohnung nach dem Click wird immer beibehalten, ich reduziere dann nur die Clicks!), sondern nur noch ab und zu bzw zunächst mal nur noch unter sehr großer Ablenkung oder besonders guter Ausführung. Irgendwann belohne ich nur noch variabel, also es gibt nur noch ab und an eine Belohnung. Dadurch wird das Verhalten meist noch intensiver gezeigt (ein bisschen wie beim Glücksspiel). Bei mir gibt es zum Beispiel vor jedem Freilauf eine kleine Trainingssequenz. Dann kommt ein Click und die Belohnung ist unser "Lauf".
4. Strafe und Belohnung: Strafe (und zwar positive Strafe) funktioniert nur dann, wenn sie IMMER unmittelbar nach einem bestimmten Verhalten erfolgt... Und zwar immer in genau der richtigem Intensität. In der Praxis passiert jedoch genau das Gegenteil: Hund hört nicht: Unfreundliches nein. Nichts passiert. Leinenruck. Nichts passiert: Heftigerer Leinenruck. Das Vorgehen ist also genau andersrum als es sein müsste (Strafe wird immer stärker). Aus diesem Grund (unter anderem) verzichten viele Hundetrainer eben auf positive Strafe: Sie ist einfach sehr schwer richtig einzusetzen. Will ich meinen Hund also körpersprachlich einschränken, muss ich das IMMER tun und zwar immer in genau der richtigen Intensität, die meinen Hund zwar beeindruckt, aber.nicht übertrieben verängstigt. Meine Windhündin (!) macht da dicht, zumindest was das Blocken an der Leine angeht (machen ja auch viele). Fakt ist aber: Auch hier bildet der Hund eine Verknüpfung (Stichwort: Konditionierung): Wenn ich mich nicht setze, werde ich körpersprachlich eingeengt. Das ist unangenehm, also setze ich mich gleich.
Auch wenn sich für viele Begriffe wie "Respekt" oder "Rudelführer" da- aus welchen Gründen auch immer- besonders toll anhören mögen: Das Prinzip bleibt das Gleiche. Hunde sind Opportunisten (Menschen übrigens auch) und tun das (oder nicht), was sich für sie lohnt (oder eben nicht lohnt). Klar, kann ich mich unterwegs verstecken, wenn mein Hund nicht aufpasst. Wenn er eine einigermaßen gute Bindung hat, wird er mich suchen und eventuell Angst bekommen. BindungsARBEIT ist das trotzdem nicht. Vielmehr nutze ich eine negative Strafe (Nähe und Sicherheit werden dem Hund entzogen) bzw. Verlustangst kommt hinzu (positive Strafe), damit der Hund ein bestimmtes Verhalten unterlässt (mich ignorieren). Das ist genauso "Dressur" wie wenn ich meinen Hund für freiwilligen Blickkontakt belohnen würde, nur dass wir uns hier lerntheoretisch in einem anderen Quadranten bewegen. :-)
Hi Paulina
<-... Edith sagt:
Oh, noch ein neuer Text, hab ich grad erst gesehen. War noch beschäftigt mit der Antwort auf den ersten...Edith Ende... >
und danke für deine ausführliche und auch sehr kompetente Antwort Punkt als erstes muss ich natürlich zurückrudern für die Verwendung des Begriffes klassische Konditionierung.
Unter Fachleuten, zu denen ich mich wohl eher nicht zählen darf, ist es ein feststehender Begriff mit klarer Definition und von der operativen Konditionierung abzugrenzen. Worüber ich reden wollte war eher die Konditionierung im klassischen bzw allgemein Sinne, also die Gesamtheit der Konditionierung wie sie jeder so kennt und versteht.
Um das abzugrenzen von dem, was ich alternativ angestrebt habe (aber scheinbar nicht gut genug dafür bin... 😥) beschreibe ich mal das:
Durch gute Bildung und sicheres Auftreten als Rudelführer muss ich den Hund nicht konditionieren sofern es mir gelingt ihn davon zu überzeugen das ist zu seinem besten ist wenn er tut was ich ihm sage.
Dabei bleibt der Hund ein Opportunist wie du - aus meiner Sicht ganz richtig - sagst. Die wenigsten Rassen sind so drauf dass ihre Mitglieder als Individuum genetisch dominant sind oder die Bude Führerschaft aktiv anstreben. Windhunde nun schon mal gar nicht.
Die meisten Hunde würden die Führung nur übernehmen wenn es NÖTIG ist, d. H. wenn sie finden, dass der Job schlecht gemacht wird.
Sofern ich es also soweit bringe, dass mein Hund sich freiwillig und vor allem aus ÜBERZEUGUNG UNTERORDNET, weil er denkt, dass es zu seinem Besten ist, weil gut für ihn, seine Ernährung und Sicherheit gesorgt wird, brauche ich keinerlei Konditionierung.
Das einzige Problem, was bleibt, ist ein rein kommunikatives. Nämlich, dass ich dem Hund natürlich irgendwie klar machen muss, was ich von ihm möchte.
Das ist natürlich ein harter Anspruch, den ich selbst gerade leider auch nicht gut hin bekomme. Weil ich als Mensch am Ende dafür im Prinzip der bessere Hund sein muss.
Dazu gibt es natürlich Zwischenbereiche und fließende Übergänge. Nehmen wir diesen vielleicht radikalen Ansatz mal als anderes Extrem oder Gegenpol dazu, eine klickernde und Leckerli werfende Drohne vorne wegfliegen zulassen, die mir meinen Hund dressiert.
Ich persönlich versuche mich der Sache soweit es geht anzunähern, ich hätte tatsächlich in der Grunderziehung auch gerne komplett auf Leckerlis verzichtet.
Aber dann hätte einerseits meine Tochter kaum eine Chance gehabt, klar zu kommen und vor allem bin ich dafür einfach nicht gut genug 😥