Das würde mich auch interessieren. Ich verstehe unter Reaktanz, den Widerstand gegen das Einschränken der Freiheit, mit der Folge, alles zu tun, um die eingeschränkte Freiheit wiederzuerlangen.
Das können Hunde sehr wohl zeigen und sind dabei auch recht erfinderisch in ihren Handlungen.
Oder verstehe ich Reaktanz falsch?
Das ist komplett vermenschlicht.
Hunde haben kein abstraktes Konzept von Freiheit.
Wenn du einen Hund festhälst und er sich rauswinden will, dann nicht weil ihm "Freiheit" entzogen wird, sondern weil er sich situativ unwohl/bedrängt/bedroht fühlt.
Nicht weil er kognitiv Wert auf eine ihm zustehende Freiheit/Entscheidungsfreiheit legt.
Wenn ein Hund nicht auf den Rückruf hört, dann nicht weil er "frei" sein will, sondern weil seine Impulskontrolle noch nicht stark genug und der Impuls/Reiz zu groß ist.
Da ist keine kognitive Bewertung von "ich komme nicht, WEIL du das möchtest und mich einschränkst", worauf die ganze Umkehrpsychologie basiert.
Um am Beispiel aus dem E-Book zu bleiben, ein Hund zieht nicht nach vorne, weil er sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt und sich deshalb widersetzen will, sondern weil er aufgeregt ist und impulsiv Reize wie Gerüche aufsuchen will.
Er zieht nicht, weil er kognitiv eine Entscheidungs/Freiheitsberaubung erkennt und sich dieser widersetzen will.
Die Darstellung ein Hund würde etwas tun, nur weil der Mensch es nicht möchte, unterstellt dem Hund Absicht sich zu widersetzen, nur um sich zu widersetzen und das finde ich kein gutes Mindset im Training/Zusammenleben.
Freiheit ist ein menschliches Konstrukt, das philosophische Züge hat und durch situationsunabhängige Werte und Ambitionen geprägt ist (und kulturelle Prägung!).
Ich recherchiere meine Quellen eigentlich gerne selber, aber da ich noch mit dem Instagram Profil beschäftigt bin, hier einfach eine Zusammenfassung von ChatGPT.
🧠 1. Hunde verfügen nicht über ein Konzept von "Freiheit"
Quelle: Wynne, C. D. L. (2021). Dog Is Love: Why and How Your Dog Loves You.
Argument: Hunde handeln primär assoziativ und instinktiv, nicht deliberativ. Reaktanz setzt ein mentales Modell von Entscheidungsfreiheit voraus – das ist kognitiv zu komplex für Hunde.
🔬 2. Reaktanz erfordert metakognitive Fähigkeiten
Quelle: de Waal, F. B. M. (2016). Are We Smart Enough to Know How Smart Animals Are?
Argument: Reaktanz erfordert ein Verständnis dafür, dass jemand anderes einem die Wahlfreiheit nimmt. Hunde reflektieren nicht über eigene Entscheidungsfreiheit oder fremde Absichten in dieser Weise – zumindest gibt es keine belastbaren Belege dafür.
🧪 3. "Ungehorsam" ist oft Missverständnis oder Stress, keine Reaktanz
Quelle: Rooney, N. J., & Cowan, S. (2011). "Training methods and owner-dog interactions: Links with dog behaviour and learning ability." Applied Animal Behaviour Science, 132(3), 169–177.
Argument: Was wie absichtlicher Widerstand aussieht, ist oft Stressverhalten, Unsicherheit oder Übersprungshandlung. Hunde reagieren auf Druck mit Flucht, Meideverhalten oder „Ungehorsam“, aber nicht, um bewusst eine Einschränkung zu kontern.
📉 4. Fehlende stabile Belege in der Literatur für echte Reaktanz bei Tieren
Meta-Analyse: Stevens, J. R. (2014). "The Challenges of Understanding Animal Cognition." Cognition, 135, 72–77.
Argument: Die psychologische Reaktanztheorie ist auf Menschen zugeschnitten. Bei Tieren, insbesondere Hunden, fehlt ein belastbarer experimenteller Nachweis dafür, dass sie sich aus einem Wunsch nach Selbstbestimmung gegen Einschränkungen wenden.
🟨 Abgrenzung: Reaktanz vs. Frustration
Ein häufiger Fehler ist die Verwechslung von Reaktanz mit Frustrationstoleranz.
Frustration: Wenn der Hund etwas nicht bekommt, das er will (z. B. Leckerli, Aufmerksamkeit), zeigt er Unruhe, Bellen, Jaulen.
Reaktanz: Wäre ein gezielter Widerstand gegen das Verbot weil es ein Verbot ist.
Das Verhalten bei Frustration ist emotional-reaktiv, nicht intentional-widerständig.