Ich muss gestehen, langsam finde ich das seltsam. Das wievielte Mal hast du nun auf diese Buchempfehlung derart negativ reagiert?
Um mal etwas konkreter zu werden. Und das nicht zum ersten Mal.
1. Der von dir erwähnte "Schamane" war ein Falkner. Liest sich so ein wenig, als würdest du es ins Lächerliche ziehen und dem eine esoterische Note verpassen wollen.
2. Die Länge der Schleppleine ist vollkommen individuell. Wenn einen 20m überfordern und eventuell nervös machen, dann ist das einfach (noch) zu viel. Nirgends steht geschrieben "Regel Nr. 35: Du darfst keine kürzere Leine nutzen, als eine 30m lange!"
Wir z.B. sind sehr gerne mit 20m unterwegs, aber auch nur wenn wir alleine sind. Meist nutzen wir 8m in der Stadt und das funktioniert für uns ganz wunderbar. Meiner Gassihündin waren anfangs selbst 5m zu viel.
3. Einen aufgeregten Hund noch weiter hochzupushen ist einfach unklug. Nirgendwo wird das empfohlen und allein der eigene Verstand sollte einem doch vor solch einem Handeln bewahren.
Ja, ich verstehe die anfängliche Euphorie und war selbst etwas überambitioniert. Doch ich habe das schnell hinterfragt und mein Handeln entsprechend angepasst. Schnell wurde mir dann auch viel klarer, dass es enorm wichtig ist, die Gefühle des Hundes im Blick zu haben und entsprechend darauf einzugehen (oder besser noch im Vorfeld passend zu agieren). Einem ehrgeizigen Mäusejäger noch voller Aufruhr ein Loch nach dem anderen zu zeigen und dies dabei aufgeregt zu verbalisieren kann doch nur nach hinten losgehen. Sinnvoller wäre es, ihn mit ruhiger Stimme zu begleiten, zu schauen, wie er die Mäusespuren konzentriert und achtsam untersuchen kann und ihn darin zu unterstützen. Es macht wirklich enorm viel aus, wie wir uns selbst verhalten. Das sollten wir uns eigentlich immer bewusst sein.
Die Idee, gemeinsam zu "jagen" ist nicht bescheuert. Nur das eigene Vorgehen kann es sein.
4. Ich und viele andere plädieren hier im Forum regelmäßig für ein überdachtes und sinnvolles Schleppleinenhandling. Das kommt nicht von irgendwoher.
5. Tatsächlich geht es Ulli Reichmann insbesondere darum, gefühlvoll mit seinem Hund zu leben, ihn zu achten und ihm respektvoll und freundschaftlich auf Augenhöhe zu begegnen. Trotz dessen stecken da auch sehr viele Erfahrungswerte und (wissenschaftlich fundiertes) Wissen hinter. Sie selbst empfindet es auch als wichtig, Lerntheorien, Studien und Co. zu kennen und sich stetig weiterzubilden. Was sie und andere dann letztlich davon halten mögen, steht auf einem anderen Blatt.
6. Zum Thema "antiautoritäre Erziehung" hätte ich gleich den nächsten Buchtipp ;-)
"Das Alphasyndrom" von Anders Hallgren. Diese ist wissenschaftlich betrachtet nämlich nicht so schlecht, wie viele es annehmen.
7. Nein, dieser Weg funktioniert prinzipiell bei allen Gemütern. Richtig verstanden und angewandt natürlich. Meine Yukina ist ein kleiner Wildfang und hat mich anfangs viel schwitzen lassen. Ohne die Philosophie von Ulli Reichmann hätte ich jetzt vermutlich ein Burn-Out vom vielen Trainieren, Verbieten und mich ärgern.
8. Ich finde es vollkommen daneben von dir, unseren persönlichen Erfolg als keinen solchen darzustellen. Du kennst doch die Vorgeschichte und die Relationen gar nicht. Vorher war Yukina schon beim Duft der Tiere außer Rand und Band, ohne dass sie auch nur ansatzweise sichtbar waren. Dass sie mittlerweile eigenständig stehen bleibt, sich dann setzt und die Tiere in aller Ruhe beobachtet, um anschließend freudig (ohne mein Einwirken) zu mir zurück zu kommen und mir zu signalisieren, dass wir in die andere Richtung gehen können, ist für uns ein riesiger Erfolg. Ich brauche und möchte keinen kleinen Roboter an der Leine, der auf meinen Befehl hin alles tut, was ich verlange. Ich bin mächtig stolz, dass sie es mit meiner Hilfe und meinem Verständnis vollkommen eigenständig schafft. Keine Ahnung, was daran kein Erfolg ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du in meiner Situation weniger glücklich wärst. Aber scheinbar haben wir grundlegend unterschiedliche Vorstellungen von dem, wie ein Hund mit seinem Menschen durch die Welt geht.
9. Mit Vögeln ist es übrigens ähnlich. Während Yukina mir anfangs wie irre in der Leine hing, läuft sie jetzt mega lässig durch Taubengruppen oder an Krähen vorbei. Und das nicht, weil ich ihr perfekten Gehorsam abverlangt habe, dieses und jenes Signal einstudiert habe oder sonst was. Nein, das eben, weil ich auf ihre Bedürfnisse eingegangen bin, sie darin bestärkt habe, dass sie Dinge meistern kann und ich eben auch Vertrauen in sie habe.
10. Nein, du sollst deinem Hund nicht permanent sinnfrei hinterherdackeln. Das hat ja nun wieder eher wenig mit gemeinschaftlichem Erleben zu tun.
Ja, du hast Recht. Man sollte wissen, was man will. Und ich denke, aus meinem Text geht gut hervor, was ich (nicht) will. Ich finde total gut, seine eigenen Erfahrungen zu teilen und auch seine Meinung zu äußern. Mich stört aber, wenn dann eben so Dinge als irgendwo "festgeschrieben" dargestellt werden, ohne dass dem so ist.
Du hast deinen Weg gefunden und warst mit einem anderen unzufrieden. Das rechtfertigt doch aber nicht, den anderen Weg dann mit falschen Details zu schmücken.
Da dieses Buch nun wieder Thema ist und ich mich nun nochmal dazu geäußert habe will ich nun doch noch mal auf deine 10-Punkte-Agenda eingehen.
Warum denkst du, dass ich das Buch lächerlich mache? Oder den Falkner, von dem ich dachte, es wäre ein Schamane? Ich habe von einem „besonderen“ Freund mit besonderen Fähigkeiten gesprochen. „Schamane“ ist mir in Erinnerung geblieben. Vielleicht hat sie den Falkner auch schamanenhaft genannt oder ich habe es bei ihrer begeisterten Beschreibung so interpretiert. Ich habe es bereits oben geschrieben, dass mich ihr Buch sehr abgeholt hat, es erschien mir als echte Rettung der Beziehung zu meinem Hund. Nochmal: ja, genau diese wunderbare Beziehung zu meinem Hund wollte ich. Genau das. Ich habe das Buch gelesen, mir zum Start unseres Trainings EXTRA Urlaub genommen um vollkommen befreit vom Alltag mit ihr den Uli-Hunde-Weg zu gehen. Und ja: genau das steht im Praxisbuch zum Beginn des Trainings: mach die Schleppleine dran und geh mit deinem Hund in den Wald! Ich habe die Autorin ernst genommen und genau das getan, was dieses PRAXIS-Buch geraten hat. Dass du mir nun damit kommst, ich solle meinen Verstand usw. (Unterton: habe ich etwa welchen?), das spottet nun auch jeder Beschreibung.
Ja, es mag für einige funktionieren, für uns hat es das nicht.
Abschließend zu deiner einleitenden Frage: warum ich immer wieder in deinen Buchvorschlag reingrätsche. Weil ich es kann. Weil ich mir ein gutes Bild von Uli-Hunde-Weg gemacht habe. Und weil mich ganz ehrlich deine Ergebnisse nicht überzeugen. Ich lese hier bei Dogorama viele verschiedene Dinge, die nicht meins sind. Aber was diese Hundehalter dann auf ihre Art erreicht haben, da denke ich ganz oft „wow!“, Respekt. Und dadurch habe ich bereits vieles überdacht und bei uns verfeinert, anders gemacht. Ja, ich bin durchaus in der Lage, mein eigenes Tun zu hinterfragen, Schubladen auf und wieder zu zu machen, anzuerkennen, wenn andere etwas richtig und vor allem viel besser machen als ich es tue oder je könnte.
Bei dir denke ich das leider nicht.
Zu deinem Hund weiß ich bisher nur, dass sie ein Wirbelwind ist und dass sie einen starken Jagdtrieb hat. Und dass ihr einen schweren Weg hinter euch habt. Im Prinzip kann ich das von uns auch sagen, scheinbar gleichgelagerte Situation. Wenn ich nun also als jemand mit dem scheinbar ähnlich gelagerten Problem deine Schilderungen lese und dann deinen Lösungsvorschlag dazu. Plus das, was du in diesem Thread geschrieben hast, was du hier über euch offenbart hast, dann muss ich leider sagen, dass mich das nicht abholt. Das mag für euch ein Erfolg sein, für mich ist es das nicht. Dein Hund ist nicht mehr jung, du hast sie nicht erst seit gestern, sondern bereits seit Jahren. Und das ist mir als Ergebnis des Uli-Hunde-Weges einfach zu wenig: eine Hündin an einer 8m Leine in der Stadt, an 20 m außerhalb, ein durchaus gestresster Hund, der ins Jagen verfällt und Wildsichtung auf 200m.
Ich muss dir dazu ganz ehrlich sagen - und das meine ich jetzt ganz aufrichtig! - das macht mich wirklich sehr traurig. Dein Erziehungsstil mag für dich der richtige Weg sein, aber für deinen Hund? Da würde ich mir nach all der Zeit deutlich mehr Freiheit und einfach keinen Stress wünschen - Freundschaft sieht für mich def. anders aus.
Ich habe mittlerweile meinen Weg zur Freundschaft zu meinen Hunden gefunden. Der geht über das „die Hunde arbeiten lassen“. Nach meinen Vorgaben, nach meinen Vorschlägen. Davon sind sie begeistert, sie sind bei mir, sie sind erreichbar. Ich lasse sie nicht alleine mit sich, lasse nicht zu, dass sie ihren Ideen folgen und damit Blödsinn anstellen, sondern ich lenke sie. Und dann lasse ich sie auch tun, was sie tun möchten. Im von mir abgesteckten Rahmen. Damit habe ich zwei mittlerweile entspannte Hunde (so entspannt wie ein Vizsla halt sein kann) und wir haben zusammen sehr viel Freude und Freiheit.