Ich habe einen selbstständigen und mutigen Angsthasen. Klingt komisch, aber trifft es recht gut. Er ist rassebedingt sehr eigenständig, hält nicht viel von sich wiederholenden Aufgaben oder Dingen, die für ihn nicht sinnvoll scheinen. Gleichzeitig ist er sehr unsicher und sieht überall eine Gefahr, hat leider wohl auch viele schlechte Erfahrungen machen müssen. Diese Gefahr will er dann aber am liebsten sofort selbst erkunden, genau wie neue unbekannte (= unsichere) Gegenden.
Mit ihm muss man anders arbeiten als mit einem souveränen freudigen Hund mit will to please. Er muss den Sinn hinter einer Übung verstehen, dann macht er es auch mit. Nur in sicherer Umgebung ist er für Spiel und Spaß zu haben - zum Beispiel apportieren oder Tricksen. Dafür haben wir feste Orte, die sehr übersichtlich sind und wo wir öfter sind, wo er es mittlerweile quasi einfordert und auch begeistert die Futterbelohnungen nimmt. Ansonsten verschmäht er mittlerweile aber auch gern mal das Futter, das ist an sich ein guter Indikator für sein Sicherheitsgefühl - aber er ist auch teils einfach sehr wählerisch.
Sinnvolle Futterbelohnungen sind dann aber wieder eine andere Sache. Er möchte jagen? Dann darf er stattdessen das Futter jagen. Er hat Lust zu schnüffeln? Dann wird Futter gestreut und danach gesucht. Dabei ist hauptsächlich die "Darreichungsform" die Belohnung und nicht das Futter an sich.
Wir nutzen leider recht wenige Umweltbelohnungen, weil er das nicht gut annimmt. Er darf zum Beispiel immer schnüffeln, so viel er will, wenn ich ihm dafür eine dedizierte Stelle zeige interessierts ihn aber nicht mehr. Ich glaube mittlerweile, das liegt daran, dass ich die dann ja schon gecheckt habe und es somit jemand aus dem Sozialverband schon "abgearbeitet" hat. Wenn Hunde so etwas annehmen, finde ich Umweltbelohnungen aber total klasse!
Wenn ich so drüber nachdenke, trainieren wir gar nicht dediziert. Wir schauen, dass wir entspannt und gemeinsam durchs Leben kommen. Je mehr Entscheidungen ich in seinem Sinn getroffen habe, desto eher hat er sich an mir orientiert und Aufgaben abgegeben. Mittlerweile orientiert er sich wirklich gut an mir und kommt immer mehr zur Ruhe. Training geschieht dann quasi nebenbei unterwegs, wenn uns Situationen begegnen, die man trainingstechnisch mitnehmen kann.
Ich würde den Fokus bei den Spaziergängen generell weg von Training legen und erst mal auf Entspannung. Außerdem würde ich mal mit der Länge des Spaziergangs experimentieren (mindestens eine Woche lang pro Änderung, und Tagebuch führen), und erst mal die immer gleiche Runde laufen. Ich habe bei meinem Hund zum Beispiel festgestellt, dass er viel überdrehter ist, wenns 4x raus geht. Sobald ich das auf 3x runtergefahren habe und die Runden auch nicht so groß waren, war er viel entspannter. Insgesamt sind wir unter der Woche meistens nur 1,5 Stunden unterwegs, aber das reicht für ihn völlig. Dafür sind diese 1,5 Stunden schon seit langem sehr entspannt und auch wenn wir mehrere Tage hintereinander länger und öfter unterwegs sind, kommt er damit mittlerweile super klar.