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Simone
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Anzahl der Antworten 543
zuletzt 31. Mai

Gewaltfrei erziehen

Ich möchte einmal ein fiktives Szenario entwerfen : Ich erziehe mein Kind mit der Methode "Wasserspritzflasche" damit es tut was ich sage. Das wird funktionieren bis das Kind einen Kopf größer ist als ich. Auch einem nervigen Kollegen oder gar meinem Chef gegenüber wäre meine Methode nicht angebracht. Spätestens jetzt bräuchte ich eine sinnvolle Methode um meine Forderungen durchzusetzen, nämlich Kommunikation, Argumentation und adäquate Konsequenzen basierend auf Verständnis. Warum glauben manche, dass das bei der Hundeerziehung anders ist? Ich bin der Meinung, jeder Mensch, jedes Nutz- und Haustier haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Denn Gewalt funktioniert (leider) nur bei kleinen, schwächeren Menschen oder Tieren, aber wehe wenn die groß werden! Gerne lese ich dazu eure Meinungen....
 
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Katrin
26. Mai 19:13
Unter Gewalt verstehe ich das zufügen von körperlichen und seelischen Schäden/Schmerzen. Das hat weder in der Erziehung von Tieren noch von Menschen was zu suchen. Aber sehe ich wie eine Person oder Tier gedankenverloren dabei ist z.B. vor ein Auto zu laufen würde ich um größere Schäden zu vermeiden jene Person oder Tier auch gewaltsam zurückzerren. Bedeutet ich würde ein gewisses Maß an Gewalt anwenden um schlimmeres zu verhindern wenn es keinen anderen Weg gibt. Einen Hund durch eine Berührung oder einen Schubs aus seiner Fixierung zu holen finde ich absolut okay. Flasche, Rappeldose u.s.w. wären bei Suki total nutzlos. Wenn sie auf etwas fixiert ist könnte ich ihr auch ein Steak vor die Nase halten das würde nix bringen. Genauso wenig wie pfeifen oder rufen. Also eine gezielte, schmerzlose Berührung und dann eine stimmliche oder körpersprachliche Korrektur bzw. Kommando. Suki ist aber auch alles andere als sensible. Sondern selbstsicher und mit einem xxl Dickschädel ausgestattet.
 
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Romy
26. Mai 19:22
Ich gebe dir generell absolut recht aaaaber von einem Profi angewendet,wenn alles andere versucht wurde und das miteinander passt,kann es für einen Hund eine Möglichkeit sein ein Stück seiner Freiheit zurück zu bekommen. Dies sollte aber wie gesagt der allerletzte Weg sein,wohl dosiert und nicht als Patentrezept einfach gedankenlos angewendet werden.
Das Thema ist aber einfach viel zu umfangreich um das mit 2-3 Sätze diskutieren zu können.

Im übrigen ist Aggressionen,ja sogar Gewalt alltäglich Kommunikationsform zwischen Hunden. Hund A merkt :"oh,das war zu doll,das findet Hund B doof ". Eben weil Hunde keine Menschen sind und eben nicht verbal kommunizieren können sondern nur mit Körpersprache.
Daher hinkt der Vergleich.
Ich selbst erziehe meine Kinder nicht,eben weil man Kinder zur Selbstständigkeit begleiten muss. Einen Hund leider in eine Abhängigkeit damit er in der Menschenwelt bestehen kann und dadurch das höchste Maß an Freiheit erhalten kann,zb wenn die Ursache des Verhaltens behoben ist aber dieses sich jahrelang ritualisiert hat.
 
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Romy
26. Mai 19:30
Wasserspritze finde ich veraltet und es löst nicht das Problem eines Hundes. Lediglich das Symptom. Damit ist dem Tier nicht geholfen... Das ist meine Meinung. Grundsätzlich sollte Gewalt wie schlagen, treten oder extremes anschreien nicht ausgeübt werden. Man geht mit seinen Kindern oä ja auch nicht so um. Egal wie Charakterstark diese sind.
Ein guter Hundetrainer beseitigt erst die Ursachen und bietet dem Hund alternativen zum Verhalten.
 
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Dogorama-Mitglied
26. Mai 19:35
Vertrauen ist die Grundbasis auf der ich alles aufbaue. Mit härteren Methoden zerstöre ich mehr, als ich erreiche
 
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Nadine
26. Mai 19:46
Ein guter Hundetrainer beseitigt erst die Ursachen und bietet dem Hund alternativen zum Verhalten.
Deshalb benötigt man ja auch keine wasserspritze🤷‍♀️
 
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Romy
26. Mai 19:58
Spannendes Thema. Aber ein Aspekt fehlt mir in der Ganzen Diskussion immer wieder, der Kontext. Geht es um Training, also dem Hund etwas neues beizubringen, oder um Sport? Oder geht es um Erziehung, für mich grob das Aufstellen von Alltagsregeln, und natürlich auch deren Einhaltung. Das macht für mich schon einen großen Unterschied. Im Training und Aufbau von Übungen hat "Gewalt" für mich nichts zu suchen und ist da auch aus meiner Sicht super Kontraproduktiv. Geht es um Erziehung ist das für mich schon eine andere Sache. Ich glaube das man sich nicht darum streiten muss das man seinem Hund (und auch jedem anderen Lebewesen) keine Schmerzen zufügen soll, aber der Begriff wurde ja sehr weit gefasst. Aber auch hier sehe ich es so das die Mittel der Situation angepasst sein müssen, also fair sein müssen. Damit meine ich das Sie dem Hund, der Möglichkeit von Hund und Herrchen/Frauchen entsprechen müssen. Je nach Hund und Situation kann ein Wasserspritzer, eine Trainingsdisc, ein Schnauzgriff, ein Stupser angebracht sein. Das alles per se zu verteufeln ist für mich eine ideologische Verzerrung. Wenn man Hunde untereinander sieht ist Aggression Teil des normalen Verhaltens und auch leicht verständlich. Also kann ich auch Mal drohend reagieren (Stimme, Körperhaltung, Einschränkung, was ja nach obiger Definition auch schon Gewalt ist.) und wenn mein Hund dann noch nicht reagiert mache ich deutlich daß ich es auch so meine, aber halt angemessen... Beispiel: Ich sitze am Tisch und will gerade in Ruhe gelassen werden. (Klar könnte ich sie jetzt per Kommando auf die Decke schicken... aber ich will ja meine Ruhe und nicht meinen Hund auf der Decke.) Ich gucke sie hält an und sag ihr ein Ab... Das wird aber ignoriert und sie stubst mich weiter mit der Nase an. Dann kann ich ihr auch leicht über die Schnauze greifen und mein "Anliegen" noch einmal unterstreichen.... Lässt sie es dann immer noch nicht kann ich aufstehen und Sie zurück drängen, bis sie den Abstand hält den ich gerne hätte. Ich sehe das als völlig natürlich. Ich setze damit eine Grenze... Mit sanfter Gewalt, aber aus meiner Sicht angemessen, und mein Hund hat es verstanden. Die Beziehung ist dadurch auch nicht Kaputt... Also warum nicht? Ein anderes Beispiel, diesmal nicht so nett. Mein Hund ist wenn wir losgehen immer etwas unter Spannung. (Kleines Temperamentbündel) Regel draussen ist... Ich bin für die Sicherheit und den Schutz zuständig. Manchmal glaubt Sie mir das aber nicht, dann geht es mit ihr durch... Bei Hundebegnungen wenn der andere Hund an der Leine ist kommt deshalb bei mir das Kommando Ran. (Wie Fuss, aber halt nicht exakt.) Nimmt sie dass nicht an oder lässt sich ablenken, dann Stubse ich sie auch leicht an. Nicht um ihr weh zu tun (das tut es auch nicht), sondern um Sie aus ihrer Tunnelsicht heraus zu holen. Der Deal ist geht es gut gibt's einen Keks, wenn nicht gibt es "Ärger". Ich fordere damit bei ihr ein das sie meine Regeln einhällt. Finde ich jetzt auch nicht Schlimm.... Meinem Hund ist nichts passiert, die Bindung hat nicht gelitten, aus meiner Sicht sogar im Gegenteil, ich bin verlässlich und berechenbar. Unfair war es auch nicht.... Also? Letzte Stufe ist dann für mich das Tabu... also Verhalten das gar nicht geht weil es meinen Hund oder andere gefährdet. Beispiel... Ich bin mit ihr unterwegs zu ihrer besten Freundin, sie ist wieder einmal komplett aufgeregt, an der Leine es kommt ein Fahrrad... Sie aus ihrer aktuellen Lage geht nach vorne Springt in die Leine und Bellt das Fahrrad an. An dieser Stelle habe ich auch kein Problem damit meinen Hund zu legen und ihm damit zu sagen dass das ein totaler Fehlgriff war den ich auf keinen Fall dulde. Hab ich dem Hund weh getan? Nein... Sie hat sich direkt fallen lassen und auf den Rücken gelegt und mir signalisiert...ok... verstanden. Danach sind wir ruhig weiter gegangen. Hat der Beziehung auch nicht geschadet. Sind schon ein paar Stufen die man voneinander abgrenzen kann. Zumindest tue ich das für mich. Schnauzgriff und mal abdrängen kommt öfter vor. Das anstupsen schon viel viel seltener. Und legen.... am besten gar nicht. Bisher so 2-3 Mal immer in anderen Situationen. Allerdings das so als Allheilmittel zu sehen ist auch nicht richtig, dessen bin ich mir bewusst. Für uns als Team funktioniert es aber sehr gut. Nur loben und verhalten aufbauen ist das eine... ab und zu muss aber auch Mal eine verständliche dem Hund angepasste Grenze sein. Anderes Beispiel ... Mein Hund findet gerade einen Hasen spannend und ich rufe Sie.... Wer da wohl gewinnt? Da kann man sich auch Mal mit Wasser oder einer Disk, oder einem Stück Erda das vor ihren Füssen landet Gehör verschaffen... (Bevor sie ganz im Tunnel ist) Gott sei Dank hat meine Dame nicht so einen ausgeprägten Jagdtrieb, da hat das gut geholfen. Ich will damit jetzt auch nicht Werbung für"Gewalt" machen, aber ich für mich sehe das als natürlich angepasst und verständlich. Wobei ich auch ein Freund davon bin die Situation nach Möglichkeit vorher so zu gestalten das kein Konflikt entsteht. Was für mich aber klar ist ... Kein Mittel ist das Allheilmittel für jede Situation und sich immer nur auf diese Art durchzusetzen ist falsch und stört auch die Beziehung. Wenn es aber fair und angemessen und ohne Schmerzen ist und ohne den Hund zu verstören, dann passt das so für mich. Jedes Mensch-Hund Team ist da aber ganz individuell gestrickt. Für unsere Mali bricht die Welt zusammen wenn man lauter wird, und meine Hundedame fragt noch Mal nach ob ich es wirklich so gemeint habe und ob wirklich sie gemeint ist. Entschuldigt den langen Text, könnte mich bei dem Thema nicht zurück halten. Finde es komplex und Spannend.
Genau so. Einzig möchte ich noch hinzufügen dass dem Hund sinnvolle Alternativen angeboten werden sollten.

Wenn der Hund zb nicht ausgelastet am Anfang des spazierganges am Rad dreht gibt's zb Möglichkeit A den Hund in der Wohnung mit einem Suchspiel mental etwas auszupowern oder mit einem Kauknochen stress abbauen zu lassen oder Möglichkeit zwei einfach spanender zu sein als ein Fahrrad oder der Hund auf der anderen Straßenseite. Sowas kann super mit einem Futterbeutel funktionieren. Alles nur Beispiele.
Gute Trainer arbeiten oft nicht ohne Grund monatelang mit einem Hund um unerwünschtes Verhalten zu beseitigen. Das ist nichts was man hier in 5 Sätzen mal schnell erklärt hat. Jedes Hund-Mensch Team ist anders und komplex. Patentrezepte gibt es nicht.
 
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Tobias
26. Mai 20:00
Vielen Dank für diese tolle anschauliche Ausführung der einzelnen Punkte. Ich habe hier noch nicht gelesen, dass jemand "Gewalt" definiert hat, oder habe ich es übersehen? Die Grenzen, wann Gewalt anfängt sind ja fließend und dafür sollte man immer sensibel bleiben.
Da hast du Recht bis dahin war/ist noch keine genaue Definition da. Ich bezog mich auf diverse Anmerkungen zu Wasserflaschen bis zu Napf weg nehmen nach dem Fressen. Aber richtig eine Definition war noch nicht dabei. Schon der Punkt wird wahrscheinlich schwer zu vereinheitlichen. Von Hund zu Hund und Mensch zu Mensch.
 
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Tobias
26. Mai 20:13
Ich bin mal so frei einen Facebook Beitrag von Hey-Fiffi zu kopieren zu einer kürzlich veröffentlichten Studie über den Unterschied von Aversiv und Belohnungsorientiert ausgebildeten Hunden: <<Ein weiterer Beitrag in der Reihe zu Strafen und aversiven Einwirkungen im Training: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Begleithunde, die mit aversiven Methoden trainiert wurden, im Vergleich zu Begleithunden, die mit belohnungsbasierten Methoden trainiert wurden, sowohl kurz- als auch langfristig ein schlechteres Wohlbefinden zeigten. Insbesondere zeigten Hunde, die Schulen mit aversiven Methoden besuchten, mehr stressbedingte Verhaltensweisen und Körperhaltungen während des Trainings, höhere Erhöhungen des Cortisolspiegels nach dem Training und waren in einer kognitiven Verzerrungsaufgabe "pessimistischer" als Hunde, die Schulen mit belohnungsbasierten Methoden besuchten. Darüber hinaus fanden wir heraus, dass die Auswirkungen auf das kurz- und langfristige Wohlbefinden der Hunde umso größer waren, je häufiger aversive Reize im Training eingesetzt wurden. Nach unserer Kenntnis ist dies die erste umfassende und systematische Studie, die die Auswirkungen von Hundetrainingsmethoden auf das Wohlergehen von Begleithunden bewertet und berichtet. Kritisch betrachtet weist unsere Studie auf die Tatsache hin, dass das Wohlergehen von Begleithunden, die mit aversiven Methoden trainiert werden, gefährdet zu sein scheint." [Vieira de Castro et al., 2019, Does training method matter?: Evidence for the negative impact of aversive-based methods on companion dog welfare] >> Hier noch den Link zum Orginalbeitrag in dem auch die Studie verlinkt ist: https://www.facebook.com/452794184913327/posts/1699020323624034/
Danke für den Beitrag. Da müsste man sich einmal das Original durchlesen. Ich verstehe das, dem Ausschnitt nach, das hier über Trainingsmethoden geredet wird. Das ist das was ich meinte.... Im Training haben aversive Methoden nichts zu suchen. Ich denke dabei immer an eine Dame die ich bei meiner ersten BH kennen gelernt habe. "Links abbiegen mit dem Knie in den Hund rein.... In der Prüfung dann voll verkalkt, weil sie keinen Druck mehr ausüben konnte und ihr Schnuffel das Spontan ausgenutzt hat. Verbellem von Frauchen und dann erst Mal weg... Verdient sag ich Mal. Und was unter Druck beibringen bringt halt nix.
Beim Setzen von Verboten ist es für mich aber etwas anderes. Für mich geht es in dem Artikel erst einmal um Training. Hat jemand das Original, oder es gelesen? Fände ich spannend.
 
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Agnieszka
26. Mai 20:24
Kommt doch immer auf den Hund drauf an.
Trainiere ich grad einen Chi, einen Golden Retriever, oder einen aggressiven Hund aus der Tötungsstation.
Dieses Thema könnte man ja endlos diskutieren...

Und ich habe das Gefühl, wenn man hier offen zugibt, dass man nichts gegen richtig angewendeten aversiven strafen hat wird man zerfleischt.
 
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Tobias
26. Mai 20:25
Genau so. Einzig möchte ich noch hinzufügen dass dem Hund sinnvolle Alternativen angeboten werden sollten. Wenn der Hund zb nicht ausgelastet am Anfang des spazierganges am Rad dreht gibt's zb Möglichkeit A den Hund in der Wohnung mit einem Suchspiel mental etwas auszupowern oder mit einem Kauknochen stress abbauen zu lassen oder Möglichkeit zwei einfach spanender zu sein als ein Fahrrad oder der Hund auf der anderen Straßenseite. Sowas kann super mit einem Futterbeutel funktionieren. Alles nur Beispiele. Gute Trainer arbeiten oft nicht ohne Grund monatelang mit einem Hund um unerwünschtes Verhalten zu beseitigen. Das ist nichts was man hier in 5 Sätzen mal schnell erklärt hat. Jedes Hund-Mensch Team ist anders und komplex. Patentrezepte gibt es nicht.
Stimmt alternativen sind echt wichtig. Und ideal wenn der Hund sich von selber dafür entscheidet. Ist natürlich Variante A.