Idealisierung natürlicher Erziehung
Ja, Mutterhündinnen sind keine unfehlbaren Pädagoginnen – auch sie können überfordert sein oder falsch handeln. Aber in aller Regel vermitteln sie Welpen elementare soziale Regeln, Frustrationstoleranz und Konfliktlösung ohne Systembrüche. Und genau dieses „soziale Learning by Doing“ fehlt häufig im Menschen-Hund-Training: Dort wird oft in Lernschritten und Konditionierungseinheiten gedacht, nicht in „sozialem Miteinander“.
Moderne Trainingsmethoden
Du hast Recht, modernes Training ist längst nicht nur Leckerli & Clicker. Es nutzt Körpersprache, Management, Timing, und baut Beziehung auf. Mein Punkt war aber: Wenn Behörden nur auf standardisierte Verstärkerpläne schauen, übersieht man leicht, wie viel in Haltung und Echtheit steckt. Ein „Futterplan“ allein macht noch lange keine soziale Kompetenz.
Wissenschaftliche Fundierung versus Natürlichkeit
Lernpsychologie ist unerlässlich – keine Frage. Aber Wissenschaft legt nicht per se fest, wie unsere Praxis aussehen muss, sondern liefert Bausteine. Natürlichkeit ist kein Garant für Ethik, wohl wahr. Doch wenn wir natürliche Interaktionen komplett ausblenden, fehlt uns ein wichtiges Prüfstein: Leiden meine Hunde, oder fühlen sie sich sicher und verstanden?
Ich bin ganz bei dir, dass soziale Interaktion und Beziehungsgestaltung zentrale Elemente im Hundetraining sind – und dass Mutterhündinnen hier (wenn sie stabil sind) ein gutes Modell liefern können. Mein Punkt war nur: Dieses Modell ist eben nicht immer übertragbar – und auch nicht fehlerfrei.
Was das Training betrifft: Ich stimme dir zu, dass soziale Kompetenz nicht aus einem Trainingsplan kommt – aber auch nicht ohne Planung und Reflexion. Gutes Training nutzt Konditionierung als Werkzeug, nicht als Ersatz für Beziehung.
Den Vorwurf, dass Behörden nur standardisierte Pläne prüfen, sehe ich nicht ganz so. Aus meiner Erfahrung fließt dort inzwischen sehr viel Wissen zu Körpersprache, Stressvermeidung, Frustrationstoleranz und Emotionsregulation mit ein.
Um den §11 zu bekommen, muss man fundierte Kenntnisse nachweisen – in Tierschutzrecht, Hundeverhalten und Kommunikation, Lernverhalten und Trainingsmethoden, Haltung, Pflege, Gesundheit, Umgang mit Hund und Mensch, Gefahrensituationen und Beratungskompetenz. Sowohl theoretisch als auch praktisch.
Die Anwendung anderer Lernquadranten neben der positiven Verstärkung führt nicht automatisch zum Durchfallen. Entscheidend ist, dass die gewählte Methode angemessen, reflektiert und tierschutzkonform ist. Wer zur Prüfung antritt und außer einer Wasserflasche keinen Plan B hat, fällt zurecht durch – nicht wegen der Methode an sich, sondern weil er offensichtlich kein fundiertes Wissen über Training hat.
Und zur Frage, ob Hunde sich „sicher und verstanden fühlen“: Das finde ich zentral. Genau dafür braucht es aus meiner Sicht eine gute Mischung aus natürlicher Kommunikation und tierschutzgerechter Methodik. Natürlichkeit allein ist kein Garant für gutes Miteinander – ebenso wenig wie reine Technik.
Vielleicht ist das unser gemeinsamer Nenner: Mehr Beziehung, mehr Zuhören – aber ohne dabei auf wissenschaftliche Fundierung zu verzichten. Kein entweder/oder, sondern ein sowohl/als auch.