Bei den Definitionen bin ich bei Julia.
Bei der Anwendung weniger.
Muss ich Gefahren vermeiden, tue ich was dafür nötig ist, auch wenn es in der Konsequenz bedeutet, dass es Widerwillen in meinem Hund hervorrufen kann. Da geht es mir aber nicht um Korrektur oder Maßregelungen, oder das mein Hund einen Lerneffekt draus zieht und ich muss in einer Gefahrensituation auch keinen Standpunkt klarmachen, sondern Priorität hat, dass die Situation gut ausgeht. Management. That‘s it.
Das ein Hund auch aus diesen Situationen lernt und nicht nur im Trainingskontext ist mir bewusst. Aber Training (also die Art, wie ich etwas bewusst angehe und übe) ist das für mich nicht.
Was ich nicht (mehr) tue ist, meinen Hund in Situationen zu bringen die gezielt Frust verursachen, um diesen aushalten zu können. Bedeutet aber auch nicht, dass hier niemals Frust vorkommt.
Genau so wenig arbeite ich gezielt so, dass sich mein Hund eine Korrektur einfangen kann oder muss.
Ich bevorzuge positives Training gegenüber einem aversiven Umgang mit dem Hund.
Aber ich mag ehrlich gesagt auch nicht automatisch jedes als positiv deklarierte Training, nur weil es sich nett anhört und mit Leckerchen oder ähnlichem aufgebaut ist und kleinschrittig trainiert wurde und habe auch schon mehrere Positiv-Podcasts (nach mehreren Folgen) abgebrochen, weil ich das Gesagte in meinen Augen nur das Menschenproblem löste und nicht das vom Hund. Nett verpackt, aber am Hund vorbei.
Positives Training, bei dem so bestätigt wurde, dass durch das Abholen der Belohnung i.d.R. ein Verhaltensabbruch (aber eigentlich gegen den Hundewillen) erzeugt wurde, sowie aversive Maßnahmen von meiner Seite aus (wenn auch in einer Lightversion, sodass viele es nichtmal als aversiv werten würden, primär verhindernd) haben dafür gesorgt, dass mein Hund ein starkes Bedürfnis hatte, Freiheiten wiederherstellen und sie sich dadurch oft entgegen meinen Vorstellungen entschieden hat.
Ich habe daraus gelernt und mache es nun anders.
Bis heute kann ich allerdings nicht nachvollziehen warum für viele so eine Wichtigkeit hat, einen freundlichen Umgang mit dem Hund auf Leckerchen und Dutzidutzi zu reduzieren.
Dem Hund ein Anker zu sein, ihm Halt zu geben und in gut durch Alltagssituationen zu führen ist keine Sache, die sich mit positivem Training ausschließt oder die man hauptsächlich über Aversion erreicht.
Aber das ist ja ein generelles Problem, dass eine Art Lagerbildung stattfindet und das "verfeindete" Lager in einem teils aufs Absurde reduzierte Licht dargestellt wird.
Für mich hat positives Training nichts mit dutzudutzi zu tun und auch nicht nur mit Leckerchen.
Genauso wenig hat Einbringen von aversiven Elementen etwas mit den Hund knechten und brechen zu tun. Beides wird aber gerne von der "Gegenseite" so dargestellt.
Genauso schließen sich freundlicher Umgang mit dem Hund und aversive Handlungen in einem bestimmten Kontext nicht aus. Bzw positives Training und Konsequenz schließen sich nicht aus.
Und das finde ich an den Diskussionen immer so unglaublich schade. Immer kritisiert man eine extreme Karikatur, anstatt die Vor und Nachteile der realen Anwendung zu beleuchten. Dadurch drängt man den Gesprächspartner direkt in eine Position, in der er sich nur rechtfertigen und verteidigen kann. An die Substanz kommt man gar nicht durch.
Ich bin großer Fan von positiven Training. Vor allem von Spiel als Belohnung und Klicker. Ich finde es gibt nichts was Verhalten besser und nachhaltiger kreieren kann.
Gleichzeitig glaube ich eine Limitierung im positiver Verstärkung zu erkennen, wenn es darum geht Verhalten zu reduzieren. Da sehe ich dann die Vorteile von aversiven Reizen (und ich meine keine Gewalt). Aber dabei bleibt es ja nicht. Auf das Unterbinden einer unerwünschten Handlung erfolgt immer der Aufbau eines alternativen, erwünschten Verhaltens über positive Verstärkung.
Ich würde meinen Hund zum Beispiel nicht korrigieren, wenn er beim Apport den Dummy fallen lässt. Sehr wohl gibt es aber eine negative Strafe, er bekommt das Leckerchen nicht, das ich bereit halte. Das findet er doof, andernfalls würde er beim nächsten Versuch den Dummy nicht bis zu mir tragen.
Beim Longieren muss es dagegen schon deutlicher sein. Da reicht der Entzug der Belohnungen nicht aus, um das Betreten des Kreises im Aufbau zu verhindern. Da muss man den Hund schon deutlich über Körpersprache rausschicken oder am Betreten hindern. Wenn ich ihn also rausdränge empfindet er das als unangenehm und kommt nach einigen Wiederholungen nicht mehr rein. Vielleicht gibt es einen Guru, der das tatsächlich alles rein positiv mit shaping oder ähnlichem erreichen kann. Ob es hingegen sinnvoll ist glaube ich nicht.
Ich wünschte man könnte öfter Ideen austauschen und authentisch sein, ohne sich permanent rechtfertigen zu müssen (auf beiden Seiten), weil immer gleich die Waldorf-wir-tanzen-unseren-Namen oder die Tierquälerei Keule rausgeholt wird, um jeglichen Gedankenaustausch im Keim zu ersticken.
Da frage ich mich auch immer, wovor haben beide Seiten Angst? Dass die Gegenseite in irgendeinem Aspekt recht haben könnte?