Ich bin bei dem Thema geteilter Meinung ... Vorweg: Meinen HSH-Mischling liebe ich sehr, ich würde Rotz und Wasser heulen, wenn ich sie abgeben müsste – aber ich bin auch jeden Tag traurig darüber, dass sie bei mir leben 'muss'. Nicht falsch verstehen, sie ist gelehrig, sie ist verschmust und fröhlich, aber ihr Alltag ist für sie (auch für mich, aber ich habe mich dafür entschieden) anstrengend, weil sie oft gegen ihren Instinkt ankämpfen muss, wie ein Autist, der kompensieren muss. Sie darf mich nicht verteidigen, sie darf nicht bei jedem Geräusch anschlagrn, sie darf Besucher nicht vergraulen, muss zulassen, dass sich mir Menschen nähern oder Nachbarn sich erdreisten, mit uns den Fahrstuhl zu benutzen ... Training, Alternativverhalten – ja, es lässt sich händeln, aber das kostet auch den Hund Kraft und Hirnschmalz immer 'zu funktionieren'. Dazu kommt, dass das Training auch für mich aufwändig ist und das war vier anderen Haltern vor mir zu viel. Entsprechend landen HSHs leider letztlich wegen Überforderung der Halter oft im TH, da habe ich meine auch her. Drei Jahre saß sie da. Leicht vermittelbar ist anders. Und es ist echt nicht leicht zu händeln, ich muss beim Kontakt mit Fremden immer gedanklich 100% beim Hund sein, sie lesen und anleiten, damit es harmonisch bleibt, aber vor allem tut es mir für sie leid, wie es für sie bisher gelaufen ist: Als echter HSH in der Schafsherde nicht mehr nutzbar, weil die Ausbildung im Welpenalter beginnen muss, aber zu wachsam und ernst für die meisten Freizeithalter.
Wer so einem TS-HSH eine neue Chance geben will: Meinen Respekt und Danke an jeden, der das für den Hund auf sich nimmt. Irgendwo müssen diese Tiere ja leben und auch wenn eine Wohnung nicht ideal ist, eine liebende Familie ist schon was feines für jeden Hund.
Sich bewusst einen HSH als Familienhund holen, ohne Not des Tieres, am besten noch als Welpe vom Züchter als Statussymbol (will ich hier im Thread keinem unterstellen, aber der Kangal gilt in manchen Kulturkreisen eben als genau das) oder weil man die Optik so nice findet, obwohl man nix zum Bewachen hat? Halte ich persönlich nix von. Genauso wenig wie von Haltern, die sich Dackel, Labbi oder Beagle anschaffen und sich dann wundern, dass das Tier nen Jagdtrieb hat. Wirklich gar nichts. Zu oft gesehen, wie blöd das für alle Beteiligten endet ...
Ein kleiner Nachtrag: Das soll nicht heißen, dass ich alle Wohnungs-Halter von HSHs doof finde. Viele, die vor allem Auslandshunde haben, wussten bei Übernahme gar nichts vom HSH-Anteil ihres Fellknäuls. Dann findet man im Internet auch größtenteils nur ›Unhaltbar in der Wohnung, lass das bloß!‹ und ›Total das loyale, liebe Tier‹, wenig dazwischen, das einem verdeutlicht, was auf einen zukommt. Oftmals wird es auf den Starrsinn beschränkt und ›mag keine Besucher‹. Und dann ist für viele halt vor der Anschaffung schwer vorstellbar, dass ein so lieber, wuscheliger Welpe bis zum Alter von vier Jahren wesenstechnisch eine solche Kehrtwende hinlegen kann und mit dem so lieben ›Aufpassen‹ wirklich ›Beschützen um jeden Preis, mit Klauen, Zähnen und bis aufs Blut‹ meint, wenn man ihn lässt und es nicht trainiert.
Herdenschutzhunde begleiten mich bereits seit Jahrzehnten und ausser meinen Eigenen habe ich viele andere kennen lernen dürfen. Die Eigenen haben alles wohnungsbedingt problemlos mitgemacht. Vom Elternhaus in eine zwei Zimmer Studentenbude. Von größeren Wohnungen bis zum Haus mit großem Garten. Allen Wohnorten gemein war, sie lagen alle mindestens in einer ländlichen Wohnrandlage. Ich kenne auch Herdenschutzhunde aus der Arbeitslinie (Nalas Eltern sind das z.B.). Auch hier ist eine sehr innige, auf Vertrauen basierende herzliche Zuneigung zum Besitzer, oft nicht ausgeschlossen.
Und so sehr ich Deinen Beitrag sehr gut finde. In einem muss ich Dir leider widersprechen. Dein Hund muss Dich nicht beschützen, sondern er muss wissen das, wenn Du in der Nähe bist, Du der Chef bist und ggf. sogar ihn beschützt. Keine Frage, im Ernstfall würde er Dich verteidigen. Aber ich will damit sagen, wenn er ein übertriebenes Schutzverhalten Dir gegenüber aufgebaut hat, dann macht er das aus Verteidigung seiner Ressourcen-Lieferkette und es besteht ein gewisses mangelndes Vertrauen auf Dein Verhalten.
Ich hatte heute genau wieder so eine Situation. Uns kommt ein agressiv kläffender junger Hund entgegen während hunderte Meter hinter ihm sein Herrchen hinterher schreit. Nala bleibt stehen, setzt sich und ich stelle mich neben ihr. Kurz bevor der Hund uns erreicht springe ich schreiend auf den Kläffer zu, während Nala gelassen sitzen bleibt. Sie weiß, dass ich das für sie regele. Aber ich habe keinen Zweifel, dass sie im Ernstfall mit einschreiten würde, wenn es nötig wäre. Überdenke bitte mal Eure Positionen. LG