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Christian & Ineke
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zuletzt 1. Sept.

Tierschutzhund sozialisieren

Hallo liebe Community, ich habe ein paar Fragen zum Thema sozialisieren. Yoshi (5 Jahre alt, kastriert) aus dem Tierschutz, kam als Junghund nach Deutschland und von der Pflegestelle recht schnell zu seinem ersten Frauchen. Nach 2-3 Jahren ging es für ihn zurück zur Pflegestelle, wo er vier Monate blieb, bis er Anfang des Jahres zu meinem Mann und mir durfte. In den acht Monaten ist wahnsinnig viel passiert, wir konnten einige Dinge vor denen er Angst hatte positiv "überschreiben". So zum Beispiel seine Angst vor angelehnten Türen. Diese Woche hat er sich zum ersten Mal getraut die Tür mit der Schnauze aufzustoßen, anstatt sich nur durchzuquetschen, wenn es sein musste. 🥲 Da sein erstes Frauchen ihn kein Stück sozialisiert hat, haben wir nun einen großen Brocken Arbeit vor uns allen, den wir nach und nach erklimmen. Mein Ziel ist es, dass er zumindest sicherer und entspannter in fremden / ungewohnten Situationen und Orten wird. Toll finden muss er nicht alles. Tun wir Menschen immerhin auch nicht. 🙃 Ich bräuchte also ein paar Tipps, wie ich ihm mehr Sicherheit in unbekannten Situationen geben kann oder wodurch. Gerade üben wir daran, dass es nicht schlimm ist an Bahnhof vorbei zu gehen, da hat er nämlich wahnsinnige Angst. Selbst, wenn ich etwas entfernt vom Bahnhof mit ihm auf Freunde warte hat er schon Angst. Da er wirklich vieles nicht kennt möchte ich ihm wirklich mehr Sicherheit geben, fühle mich aber manchmal überfragt, wie ich es (besser?) machen kann. Die meisten Dinge gehen wir in kleinen Schritten an und das darf auch so bleiben. Wenn ihr Tipps für mich habt, oder was bei euch geholfen hat, wäre ich euch sehr dankbar.
 
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Daniela
29. Aug. 19:22
Für mein Empfinden haben beide Wege ihre Berechtigung. Sowohl „Team machen“ hat recht, als auch „Team kleinschrittig“. Bestehen Probleme mit echter Angst bis hin zur Panik, dann geht’s nur kleinschrittig. Warnen möchte ich aber davor, seinen Hund grundsätzlich zu einem „Angsthund“ zu machen. Das hat was von selbsterfüllender Prophezeiung. Gehe mutig und offen mit deinem Hund durchs Leben, zeige ihm, dass alles vollkommen normal und easy ist. Das ist der beste Weg. Steht ne Mülltonne da, wo die sonst nie steht und deinem Hund kommt’s komisch vor: trete dagegen und „besorg“ es der Tonne. Lebe einfach deinem Hund vor, dass alles gut und vollkommen normal ist und ihm an deiner Seite nichts passieren kann. Grundsätzlich solltest du einem ängstlichen Hund das Selbstbewusstsein stärken, z.B. mit Hundesport. Agility oder was auch immer euch Spaß machen könnte. Gemeinsam Aufgaben bewältigen, zusammen stolz sein, das schafft Bindung, Vertrauen und Selbstbewusstsein.
 
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Lo
29. Aug. 19:33
Für mein Empfinden haben beide Wege ihre Berechtigung. Sowohl „Team machen“ hat recht, als auch „Team kleinschrittig“. Bestehen Probleme mit echter Angst bis hin zur Panik, dann geht’s nur kleinschrittig. Warnen möchte ich aber davor, seinen Hund grundsätzlich zu einem „Angsthund“ zu machen. Das hat was von selbsterfüllender Prophezeiung. Gehe mutig und offen mit deinem Hund durchs Leben, zeige ihm, dass alles vollkommen normal und easy ist. Das ist der beste Weg. Steht ne Mülltonne da, wo die sonst nie steht und deinem Hund kommt’s komisch vor: trete dagegen und „besorg“ es der Tonne. Lebe einfach deinem Hund vor, dass alles gut und vollkommen normal ist und ihm an deiner Seite nichts passieren kann. Grundsätzlich solltest du einem ängstlichen Hund das Selbstbewusstsein stärken, z.B. mit Hundesport. Agility oder was auch immer euch Spaß machen könnte. Gemeinsam Aufgaben bewältigen, zusammen stolz sein, das schafft Bindung, Vertrauen und Selbstbewusstsein.
Ich möchte nur kurz auf das gegen die Mülltonne treten eingehen. Hunde haben genau so Spiegelneuronen wie wir Menschen, das heist sie sind emphatisch und können sich in Lagen/Dinge reinversetzten. Also der Hund beobachtet dich sehr gut, wie du mit anderen Dingen/Tieren/Menschen umgehst. Wenn ich jetzt gegen eine Tonne trete, kann es bei unsicheren Hunden in die komplett falsche Richtung gehen und er kann unter Umständen dann noch Angst vor mir haben (natürlich immer von dem Tier abhängig, meiner wäre das sofort weg). Da gibts sehr „schöne“ Videos von Welpen vor denen Kuscheltiere gehauen werden. Die Reaktion der Welpen finden die aller meisten lustig, weil sie sofort abhauen. Eigentlich bewirkt man damit schon ab dem frühesten Stadium eine Unsicherheit gegenüber Menschen. Da finde ich den Tipp die Tonne zu streicheln und mit ihr zu reden seh sehr sinnvoll. Bisschen off Topic, aber das Thema kam letztens bei Mirjam Cordt auf und hat mich fasziniert.
 
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Daniela
29. Aug. 19:44
Ich möchte nur kurz auf das gegen die Mülltonne treten eingehen. Hunde haben genau so Spiegelneuronen wie wir Menschen, das heist sie sind emphatisch und können sich in Lagen/Dinge reinversetzten. Also der Hund beobachtet dich sehr gut, wie du mit anderen Dingen/Tieren/Menschen umgehst. Wenn ich jetzt gegen eine Tonne trete, kann es bei unsicheren Hunden in die komplett falsche Richtung gehen und er kann unter Umständen dann noch Angst vor mir haben (natürlich immer von dem Tier abhängig, meiner wäre das sofort weg). Da gibts sehr „schöne“ Videos von Welpen vor denen Kuscheltiere gehauen werden. Die Reaktion der Welpen finden die aller meisten lustig, weil sie sofort abhauen. Eigentlich bewirkt man damit schon ab dem frühesten Stadium eine Unsicherheit gegenüber Menschen. Da finde ich den Tipp die Tonne zu streicheln und mit ihr zu reden seh sehr sinnvoll. Bisschen off Topic, aber das Thema kam letztens bei Mirjam Cordt auf und hat mich fasziniert.
Okay, das leuchtet ein. Meinen Laborbeagle, der nun wirklich nichts aus unserer Welt kannte und der vieles unheimlich fand, dem hat es aber geholfen. „Was, da hast du Angst vor? Komm, ich geh vor. Und guck (Tritt!), die macht GAR NIX!“ Unser Beagle hat stets die angstmachenden Dinge weiter beobachtet (nicht mich) und nachdem ich mit ihnen „fertig“ war ist sie dann hingegangen und hat sie untersucht und abgeschnuppert. Und abgehakt. Wahrscheinlich hätte ich die Tonne auch streicheln können. Letztlich glaube ich, dass es auf das Team ankommt und dass auch der Mensch authentisch bleiben muss. Ich bin eher „Team machen“ und „Zack, Zack“. Wahrscheinlich nehmen mir meine Hunde einen Tritt eher ab und glauben mir dann, dass alles gut und erledigt ist.
 
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Sandra
29. Aug. 20:02
Ich möchte nur kurz auf das gegen die Mülltonne treten eingehen. Hunde haben genau so Spiegelneuronen wie wir Menschen, das heist sie sind emphatisch und können sich in Lagen/Dinge reinversetzten. Also der Hund beobachtet dich sehr gut, wie du mit anderen Dingen/Tieren/Menschen umgehst. Wenn ich jetzt gegen eine Tonne trete, kann es bei unsicheren Hunden in die komplett falsche Richtung gehen und er kann unter Umständen dann noch Angst vor mir haben (natürlich immer von dem Tier abhängig, meiner wäre das sofort weg). Da gibts sehr „schöne“ Videos von Welpen vor denen Kuscheltiere gehauen werden. Die Reaktion der Welpen finden die aller meisten lustig, weil sie sofort abhauen. Eigentlich bewirkt man damit schon ab dem frühesten Stadium eine Unsicherheit gegenüber Menschen. Da finde ich den Tipp die Tonne zu streicheln und mit ihr zu reden seh sehr sinnvoll. Bisschen off Topic, aber das Thema kam letztens bei Mirjam Cordt auf und hat mich fasziniert.
Bei uns waren es z. B. am ehesten Autos, die Grusel auslösten und an denen man Never ever (!) hätte vorbeikommen können. Tritt fand ich da eher nicht so angesagt, allein schon der Eigentümer wegen. Ich habe mich dann wie ein Boxengirl 🙈 streichelnd und räkelnd an Reifen und Motorhaube versucht 🙈🙈 Finde ich heute noch peinlich, echt, aber: hat nach einigem Durchhaltevermögen Wunder bewirkt. Heute sind nur noch Autos gruselig, die da stehen, wo nie eins steht, z. B. am Waldrand o.ä.
 
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Daniela
29. Aug. 20:10
Bei uns waren es z. B. am ehesten Autos, die Grusel auslösten und an denen man Never ever (!) hätte vorbeikommen können. Tritt fand ich da eher nicht so angesagt, allein schon der Eigentümer wegen. Ich habe mich dann wie ein Boxengirl 🙈 streichelnd und räkelnd an Reifen und Motorhaube versucht 🙈🙈 Finde ich heute noch peinlich, echt, aber: hat nach einigem Durchhaltevermögen Wunder bewirkt. Heute sind nur noch Autos gruselig, die da stehen, wo nie eins steht, z. B. am Waldrand o.ä.
Irgendwie hab ich grad echt kopfkino, so in Richtung „car wash“ und so 😂. Und stimmt, einfach mal Außenspiegel abtreten kommt nicht so gut 😉. Zum Glück hab ich mich mit der Beagline nur mit lauernden gelben Säcken und grauen Mülltonnen angelegt und sie fand’s scheinbar cool.
 
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Sandra
29. Aug. 20:14
Irgendwie hab ich grad echt kopfkino, so in Richtung „car wash“ und so 😂. Und stimmt, einfach mal Außenspiegel abtreten kommt nicht so gut 😉. Zum Glück hab ich mich mit der Beagline nur mit lauernden gelben Säcken und grauen Mülltonnen angelegt und sie fand’s scheinbar cool.
Ich hab auch heut noch Kopfkino deswegen. Sie ist mein fünfter Tierschutzhund und ich dachte, ich hätte wirklich schon *alles* an Peinlichkeiten in der Öffentlichkeit durch. Soll man denken? Die Rübe hat mich da flott eines besseren belehrt: steht hysterisch schreiend und bockend vor dem Gruselobjekt, auf dem das neue Frauchen sich „lasziv auf der Motorhaube räkelt“. Ohne Worte 😶
 
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Johanna
29. Aug. 20:18
Bei uns hat es geholfen, Dinge „ schön“ zu füttern. Viel mit Leckerlis belohnen, aber auch in gewissen Grenzen ablenken (der Hund soll den Reiz mitbekommen, eventuell aus größerer Entfernung aber durch das werfen von Leckerlis auf etwas anderes, um gelenkt werden). Außerdem haben wir (da wo möglich), Orte oder Situationen mit viel Futter (zum Beispiel füttern in der leeren Badewanne, es passiert nichts weiter) positiv aufgebaut. Nachtrag: wenn der Hund kein Futter nimmt, ist der Reiz eventuell noch zu stark. Beispiel Bahnhof würde ich größere Entfernung einhalten oder den Reiz des Futters zum Beispiel durch Bewegung erhöhen.
 
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Jochen
30. Aug. 05:36
Bei uns hat es geholfen, Dinge „ schön“ zu füttern. Viel mit Leckerlis belohnen, aber auch in gewissen Grenzen ablenken (der Hund soll den Reiz mitbekommen, eventuell aus größerer Entfernung aber durch das werfen von Leckerlis auf etwas anderes, um gelenkt werden). Außerdem haben wir (da wo möglich), Orte oder Situationen mit viel Futter (zum Beispiel füttern in der leeren Badewanne, es passiert nichts weiter) positiv aufgebaut. Nachtrag: wenn der Hund kein Futter nimmt, ist der Reiz eventuell noch zu stark. Beispiel Bahnhof würde ich größere Entfernung einhalten oder den Reiz des Futters zum Beispiel durch Bewegung erhöhen.
Ja, Futter ist natürlich „best case“, leider ist es so, dass die meisten „richtigen“ Angsthunde schon das leckerste Leckerli verweigern, wenn die spüren, dass du was vorhast. Wenn man bei Angsthunden nicht gewaltsam vorgehen möchte (was immer auch ein Stück weit Vertrauensverlust ist), ist viel Management erforderlich. Wenn sich zB. der Hund in der Box verkriecht, bekommst du ihn da tausend Jahre nicht raus, auch nicht mit Fleischbergen davor. Also musst du zB. rechtzeitig vorher die Box verschließen, wenn du ihn nicht gewaltsam rauszerren willst etc.pp. Komplexes und höchst individuelles Thema, jede Verallgemeinerung verbietet sich. Wie Rütter immer sagt: Es gibt kein schwierigeres Hundeproblem als Angst.
 
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Daniela
30. Aug. 07:09
Nochmal zum Thema Bahnhof: um welchen Bahnhof geht es denn? Bremen Hbf oder irgendein kleinerer Bahnhof? Ich würde mal überprüfen, was das eigentliche Problem ist: die Geräusche des Bahnhofs oder der ganze Trubel am Bahnhof. Ich würde mir an deiner Stelle daher erstmal einen ganz kleinen Bahnhof in deiner Umgebung suchen und dort mal hingehen. Wenn gerade keine Züge fahren und dort sind. Und wenn sowieso wenig los ist. Die Vorbeifahrt des Zuges dann im Bahnhofsgebäude erleben. Oder sogar im geparkten Auto. Mir stellt sich auch die Frage: MUSS der Hund Bahnhof können? Wenn nein würde ich das tatsächlich auch einfach erstmal weglassen und durch z.B. Hundesport und dadurch viele gemeinsame positive Erlebnisse die Bindung und das Selbstbewusstsein des Hundes stärken. Und erst dann aus einer erreichten Stärke heraus das Thema Bahnhof neu angehen. Thema „angelehnte Türen“. Dass euer Hund angelehnte Türen mit Skepsis betrachtet spricht für seine Intelligenz. Angelehnte Türen bergen das Risiko, dass sie sich im Zug weiter öffnen und / oder dann zuknallen. Hohe Verletzungsgefahr für Haustiere. Vielleicht hat euer Hund in seiner Vergangenheit genau das bereits am eigenen Leibe erlebt. Bei uns gibt es keine angelehnten Türen. Entweder stehen sie offen, mit Türstopper gesichert oder sie sind geschlossen.
 
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Lisa-Eileen
30. Aug. 08:36
Okay, das leuchtet ein. Meinen Laborbeagle, der nun wirklich nichts aus unserer Welt kannte und der vieles unheimlich fand, dem hat es aber geholfen. „Was, da hast du Angst vor? Komm, ich geh vor. Und guck (Tritt!), die macht GAR NIX!“ Unser Beagle hat stets die angstmachenden Dinge weiter beobachtet (nicht mich) und nachdem ich mit ihnen „fertig“ war ist sie dann hingegangen und hat sie untersucht und abgeschnuppert. Und abgehakt. Wahrscheinlich hätte ich die Tonne auch streicheln können. Letztlich glaube ich, dass es auf das Team ankommt und dass auch der Mensch authentisch bleiben muss. Ich bin eher „Team machen“ und „Zack, Zack“. Wahrscheinlich nehmen mir meine Hunde einen Tritt eher ab und glauben mir dann, dass alles gut und erledigt ist.
Geht denk ich mal hauptsächlich drum das man eben mit dem gruseligen Ding interagiert ohne Angst zu haben, egal wie man das macht. So wie ich die Sachen eben untersuche und anfasse usw, machst du es eben auf deine Weise. Authentisch sein ist find ich auch immer super wichtig, egal bei was, sie merken ja wenn wir sie veräppeln.😅