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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 21. Dez.

Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Hallo liebe Hundemenschen, Ich bin durch einen anderen Thread darauf gestoßen, dass man Leinenführigkeit mittels intrinsischer Motivation beibringen kann. Intrinsische Motivation bedeutet das es der Hund von sich aus macht, es macht ihm Spaß und führt es für sich bzw. sein Wohlbefinden aus. Also zum Beispiel ist bei meinem Münsterländer das Jagen eine intrinsische Motivation, die ich mir für die Arbeit zunutze mache. Ich trainiere viel mit meinen Hunden und natürlich auch die Leinenführigkeit. In aller Regel machen das meine Hunde aber nicht aus eigener intrinsische Motivation. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich die Jahre falsch gemacht habe, dass meine Hunde anscheinend nicht aus intrinsischer Motivation neben mir her spazieren. Habt ihr eine Idee wie man das aufbaut, dass er Hund das aus intrinsischer Motivation macht? Ist dies überhaupt möglich?
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 14:43
Dann wäre ja jede Art von Management, z.B. Wechsel der Straßenseite, Bogen gehen etc. eine Strafe
Das ist genau der Punkt, den viele missverstehen. Ein Wechsel der Straßenseite oder das Gehen eines Bogens ist keine Strafe, sondern eine Managementmaßnahme, die dem Hund hilft, eine stressige oder herausfordernde Situation zu bewältigen, ohne überfordert zu werden.

Strafe, ob positiv oder negativ, setzt voraus, dass eine Konsequenz BEWUSST eingesetzt wird, um ein Verhalten zu reduzieren. Management hingegen greift vor dem Problem ein und sorgt dafür, dass der Hund gar nicht erst in eine Situation kommt, in der unerwünschtes Verhalten auftreten könnte.

Wenn wir beispielsweise die Straßenseite wechseln, entfernen wir den Hund nicht von etwas, das er schon erreicht hat (wie bei negativer Strafe), sondern vermeiden von Anfang an, dass er in die Nähe eines Reizes kommt, der ihn in Stress oder Überforderung bringen könnte. Es geht nicht darum, etwas “wegzunehmen”, sondern darum, eine Situation von vornherein so zu gestalten, dass der Hund sie entspannt bewältigen kann.

Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass Hunde in der Lage sind, zwischen absichtlichen und unabsichtlichen menschlichen Handlungen zu unterscheiden. In einem Experiment des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte wurden Hunde mit Situationen konfrontiert, in denen ihnen Futter entweder absichtlich vorenthalten oder unabsichtlich nicht gegeben wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass Hunde unterschiedlich auf diese Szenarien reagierten, was darauf hindeutet, dass sie menschliche Intentionen erkennen können. 

Eine weitere Studie des Clever Dog Lab der Veterinärmedizinischen Universität Wien bestätigte diese Fähigkeit. Hunde konnten unterscheiden, ob ein Mensch ihnen absichtlich oder versehentlich kein Leckerli gab, und zeigten entsprechend differenzierte Reaktionen. 

Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Hunde nicht nur auf menschliche Handlungen reagieren, sondern auch die dahinterliegenden Absichten wahrnehmen können. Dies ist besonders relevant im Training, da Hunde möglicherweise erkennen, ob eine Handlung des Halters absichtlich erfolgt oder nicht, was ihr Lernverhalten beeinflussen kann.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 14:45
Deine Interpretation zeigt, dass du offenbar den Unterschied zwischen Management, Lernprozessen und Strafe nicht vollständig verstehst. Die Leine oder körperliche Begrenzung als „willkürlich“ zu bezeichnen, ist nicht nur falsch, sondern ignoriert die tatsächliche Funktion. Sie dient nicht als Kontrollinstrument oder als „Maßnahme der Unterdrückung“, sondern als Sicherheitsvorkehrung, die es dem Hund ermöglicht, in einer stressfreien Umgebung zu lernen. Woher ich weiß, dass ein Hund dies als Sicherheit und nicht als Einschränkung empfindet? Indem ich meinen Hund lese. Indem ich auf seine Körpersprache, sein Verhalten und seine Reaktionen achte. Und ja, nicht jeder Hund hat ein gleich starkes Bedürfnis nach Schutz, aber das ist irrelevant, weil der Rahmen individuell an den Hund angepasst wird. Eine pauschale Aussage über „jeden Hund“ ist genauso unsinnig wie die Behauptung, jeder Hund würde ausschließlich positiv auf Belohnungen reagieren. Deine Gleichsetzung mit negativer Verstärkung ist ebenso ungenau. Negativer Verstärkung bedeutet, dass ein unangenehmer Reiz entfernt wird, um ein Verhalten zu fördern. Hier wird jedoch kein unangenehmer Reiz eingeführt, sondern lediglich der Rahmen geschaffen, in dem der Hund ruhig und gelassen auf einen Reiz reagieren kann. Wenn der Hund an der Leine zieht oder fiept, wird nicht „bestraft“, sondern die Situation angepasst, sodass der Hund lernen kann – ohne Frustration oder Zwang. Das ist ein grundlegender Unterschied. Und ja, Gewöhnung ist ein Teil des Prozesses, aber sie entsteht durch das eigenständige Lernen des Hundes. Es geht nicht um Konsequenzen im Sinne von Bestrafung, sondern darum, dass der Hund versteht, dass ruhig bleiben von Vorteil für ihn selbst ist. Das mag dir als „zu passiv“ erscheinen, aber es ist langfristig weitaus effektiver und nachhaltiger als ständig auf Belohnungen oder äußere Verstärker angewiesen zu sein. Vielleicht solltest du deinen Fokus darauf legen, die Theorie hinter den Methoden besser zu verstehen, anstatt immer wieder Begriffe wie „negative Verstärkung“ falsch einzuwerfen. Das würde die Diskussion deutlich konstruktiver machen.
Aber das ist doch eine rein menschliche Interpretation der Situation.
Wer sagt, dass es für den Hund stressiger wäre nach Belieben jagen zu gehen oder rumzulaufen als es sich verkneifen zu müssen?
Bzw wer sagt, dass Beobachten angenehmer für ihn ist?

Die Notwendigkeit dieser spezifischen Art der Impulskontrolle und des ruhig bleiben Müssens ergibt sich jedenfalls überhaupt erst durch die Einführung der Leine, der körperlichen Begrenzung und der vom Menschen gesteckten Regeln.
Brächte man das nicht ins Spiel, gäbe es für den Hund keine Notwendigkeit, derart vollumfängliche Selbstregulierung zu lernen.

Wenn du von fiepen, zerren und starker Aufregung sprichst und davon, dass der Hund lernen soll, dass ruhig bleiben für ihn angenehmer ist, dann legt beides nahe, dass ihm in dem Ablauf auch Unangenehmes zugemutet wird (sonst könnte sich ja der Vergleich "angenehmer" nicht einstellen).

Dass das keine direkte negative Verstärkung ist, ist mir klar, deshalb schrieb ich auch "artverwandt" und nicht "das ist".
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 14:55
Welcher "mein Ansatzt"?
Mir ist nicht bewusst, dass ich einen spezifischen Ansatz hätte.
Gewöhnung find ich gut, mach ich wo möglich auch.

Ich war der Meinung, dass mögliche Schwächen offenzulegen das Grundprinzip kritischer und auch wissenschaftlicher Denkweise ist.
Ich find es schade, dass du es als unkonstruktiv und aufmüpfig empfindest.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 14:56
Welcher "mein Ansatzt"? Mir ist nicht bewusst, dass ich einen spezifischen Ansatz hätte. Gewöhnung find ich gut, mach ich wo möglich auch. Ich war der Meinung, dass mögliche Schwächen offenzulegen das Grundprinzip kritischer und auch wissenschaftlicher Denkweise ist. Ich find es schade, dass du es als unkonstruktiv und aufmüpfig empfindest.
Das Grundprinzip ist aber auch eine sachliche Diskussion ohne Provokation.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 14:58
Aber das ist doch eine rein menschliche Interpretation der Situation. Wer sagt, dass es für den Hund stressiger wäre nach Belieben jagen zu gehen oder rumzulaufen als es sich verkneifen zu müssen? Bzw wer sagt, dass Beobachten angenehmer für ihn ist? Die Notwendigkeit dieser spezifischen Art der Impulskontrolle und des ruhig bleiben Müssens ergibt sich jedenfalls überhaupt erst durch die Einführung der Leine, der körperlichen Begrenzung und der vom Menschen gesteckten Regeln. Brächte man das nicht ins Spiel, gäbe es für den Hund keine Notwendigkeit, derart vollumfängliche Selbstregulierung zu lernen. Wenn du von fiepen, zerren und starker Aufregung sprichst und davon, dass der Hund lernen soll, dass ruhig bleiben für ihn angenehmer ist, dann legt beides nahe, dass ihm in dem Ablauf auch Unangenehmes zugemutet wird (sonst könnte sich ja der Vergleich "angenehmer" nicht einstellen). Dass das keine direkte negative Verstärkung ist, ist mir klar, deshalb schrieb ich auch "artverwandt" und nicht "das ist".
Deine Punkte sind interessant, aber sie basieren auf der Annahme, dass Beobachten oder ruhig bleiben für den Hund automatisch “angenehm” oder “unangenehm” sein muss. Das stimmt so nicht. Hunde zeigen das Verhalten des Beobachtens auch von sich aus – es ist eine natürliche Reaktion und keine künstlich eingeführte Regel. Es geht dabei nicht darum, den Hund mit Regeln einzuschränken, sondern ihm einen sicheren Rahmen zu geben, in dem er lernen kann, auf Reize zu reagieren, ohne sich zu überfordern.

Die Leine oder die Begrenzung dienen hier nicht dazu, den Hund zu “zwingen”, sondern ihn zu unterstützen. Sie bieten Orientierung, ähnlich wie klare Strukturen einem Kind Sicherheit geben können. Der Hund lernt durch Erfahrungen, die für ihn Sinn ergeben. Wenn er zum Beispiel feststellt, dass ruhiges Verhalten ihm ermöglicht, Reize in Ruhe wahrzunehmen, wird das für ihn zur angenehmeren Option.

Fiepen oder Zerren entstehen oft durch Überforderung, aber ein gutes Training passt die Distanz und die Situation so an, dass der Hund gar nicht erst in diesen Zustand kommt. Das Ziel ist nicht, dem Hund “vollumfängliche Selbstregulation” abzuverlangen, sondern ihm zu zeigen, dass er situativ passende Entscheidungen treffen kann. Das stärkt nicht nur seine Resilienz, sondern auch die Bindung zwischen Hund und Mensch.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 15:04
Strafe – egal ob negativ oder positiv – bedeutet, dass jemand absichtlich eine Konsequenz einsetzt, um ein Verhalten zu verringern. Wenn ich die Distanz zum Reiz vergrößere, bestrafe ich den Hund nicht, sondern passe die Situation an, damit er nicht überfordert ist. Ich mache etwas für den Hund, nicht gegen sein Verhalten. Dadurch kann er lernen, wie er mit dem Reiz besser umgehen kann. Es ist keine Strafe, sondern eine Methode, die ihm hilft, in Ruhe Erfahrungen zu sammeln. Natürlich möchte der Hund am Anfang zum Reiz hin – das ist völlig normal. Der Unterschied liegt darin, dass ich nicht versuche, ihn davon abzuhalten, indem ich ihn bestrafe. Stattdessen gebe ich ihm die Möglichkeit zu lernen, dass ruhiges Verhalten für ihn selbst angenehmer ist. Es geht nicht darum, das Jagen oder Herumhampeln zu “unterdrücken”, sondern dem Hund zu zeigen, dass er den Reiz gar nicht braucht. Dein Beispiel mit Kindern passt hier nicht. Kinder, die “rumhampeln”, beruhigen sich oft, wenn man die Umgebung anpasst – nicht, weil sie bestraft werden, sondern weil sie die Möglichkeit bekommen, zur Ruhe zu kommen. Genauso lernen Hunde, dass ruhiges Verhalten weniger stressig ist, wenn sie nicht ständig in schwierige Situationen gebracht werden. Das ist keine Bestrafung, sondern ein Weg, ihnen Selbstkontrolle und Gelassenheit beizubringen.
Belohnung und Strafe hat aber nichts mit der Absicht des Menschen zu tun, sondern mit der Wahrnehmung des und der Wirkung auf den Hund.

Man kann Verhalten verstärken oder vermindern, ohne es überhaupt zu merken oder glauben, man belohnt, obwohl der Hund das scheisse findet (und umgekehrt).
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 15:09
Der Begriff “Wohlfühlraum” scheint dir ja schwer im Magen zu liegen. Vielleicht fehlt einfach die Vorstellungskraft, wie das Training aussieht: Mein Hund sitzt/steht ruhig neben mir, beobachtet den Reiz, ohne sich aufzuregen oder zu kämpfen. Da gibt’s nichts mit “sich sträuben” oder “beschneiden”. Es geht um klare Kommunikation und Vertrauen, nicht um Zwang oder Bruch.
Ok, also doch im Prinzip Gewöhnung?

Das klang vorhin mit dem Fiepen und Zerren halt irgendwie anders.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 15:10
Belohnung und Strafe hat aber nichts mit der Absicht des Menschen zu tun, sondern mit der Wahrnehmung des und der Wirkung auf den Hund. Man kann Verhalten verstärken oder vermindern, ohne es überhaupt zu merken oder glauben, man belohnt, obwohl der Hund das scheisse findet (und umgekehrt).
Die Intention des Menschen kann durchaus eine Rolle spielen, besonders im Kontext von Training. Hunde sind erstaunlich gut darin, unsere Absichten zu erkennen, wie Studien gezeigt haben. Wenn eine Handlung für den Hund als Unterstützung statt als Einschränkung wahrgenommen wird, hat das eine völlig andere Wirkung.

Ein Beispiel: Wenn ich einen Hund an der Leine in sicherer Distanz zu einem Reiz führe, kann der Hund das als Hilfestellung wahrnehmen, die ihm erlaubt, den Reiz ruhig zu beobachten. Das ist kein Entzug (negative Strafe), sondern ein Management, das Frustration vermeidet. Natürlich können Menschen versehentlich Signale senden, die ein Hund als negativ interpretiert, aber das zeigt nur, wie wichtig ein klarer, konsistenter Umgang ist.

Das heißt, ja, die Wahrnehmung des Hundes ist zentral – aber es gibt genug Belege dafür, dass Hunde unsere Intentionen durchaus verstehen und das ihre Reaktion beeinflusst. Strafe oder Belohnung wird also nicht nur durch die Wirkung definiert, sondern auch durch die Rahmenbedingungen, in denen sie stattfindet.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 15:15
Ok, also doch im Prinzip Gewöhnung? Das klang vorhin mit dem Fiepen und Zerren halt irgendwie anders.
Wann habe ich Fiepen und Zerren gesagt?

Ja es ist Gewöhnung.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 15:18
Dann wäre ja jede Art von Management, z.B. Wechsel der Straßenseite, Bogen gehen etc. eine Strafe
Nö, weil sehr viele Hunde ja von sich aus gerne Bögen gehen.

Wenn der Hund allerdings in eine Richtung zieht und du ihn nicht hin lässt bzw vom Objekt der Begierde weggehst, ist das technisch gesehen eine negative Strafe - etwas dem Hund angenehmes wird entfernt.

Meiner hat dadurch gelernt, nicht mehr so zu etwas hinzuziehen, sondern mich anzugucken ob wir gemeinsam gesittet hingehen.