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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 21. Dez.

Intrinsische Motivation - Leinenführigkeit?

Hallo liebe Hundemenschen, Ich bin durch einen anderen Thread darauf gestoßen, dass man Leinenführigkeit mittels intrinsischer Motivation beibringen kann. Intrinsische Motivation bedeutet das es der Hund von sich aus macht, es macht ihm Spaß und führt es für sich bzw. sein Wohlbefinden aus. Also zum Beispiel ist bei meinem Münsterländer das Jagen eine intrinsische Motivation, die ich mir für die Arbeit zunutze mache. Ich trainiere viel mit meinen Hunden und natürlich auch die Leinenführigkeit. In aller Regel machen das meine Hunde aber nicht aus eigener intrinsische Motivation. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich die Jahre falsch gemacht habe, dass meine Hunde anscheinend nicht aus intrinsischer Motivation neben mir her spazieren. Habt ihr eine Idee wie man das aufbaut, dass er Hund das aus intrinsischer Motivation macht? Ist dies überhaupt möglich?
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:22
Ich verstehe es tatsächlich auch noch nicht ganz... Maike hat erklärt, wie sie es mit ihrer Hündin praktiziert hat. Die beschriebene erste Zeit ist aber doch begrenzend und vorgegeben durch den Halter. Der Hund würde selbstständig und ohne Leine ja seiner jagdlichen Intension nachgehen. Oder beim Beispiel meines Hundes....er bleibt auf dem Weg , würde aber in bestimmten Situationen lieber ab ins Dickicht. Er beherrscht sich nur, weil er weiß, daß ich das so wünsche. Ist das dann intrinsisch ?
Es ist wichtig zu verstehen, dass die anfängliche Begrenzung durch den Halter kein Widerspruch zur Entwicklung intrinsischer Motivation ist. Die Begrenzung dient dazu, den Hund in einer Situation zu halten, die er bewältigen kann, ohne dass er überfordert wird oder negative Erfahrungen macht. Demnach dürfte man den Hund ja niemals an eine Leine machen. Das wäre absolut nachlässig gegenüber dem Hund. Es geht nicht darum, ihn zu kontrollieren, sondern ihm den Raum zu geben, selbst zu lernen, was für ihn angenehm und sinnvoll ist.

Wenn dein Hund auf dem Weg bleibt, dann ist das nicht zwingend nur “Beherrschung” oder reiner Gehorsam. Vielmehr kann es sein, dass er durch die Erfahrung gelernt hat, dass ruhiges Verhalten ihm selbst Vorteile bringt – sei es, weil es weniger stressig ist oder weil er merkt, dass er dadurch nicht in Konflikte mit seiner Umwelt gerät. Das Ziel ist, dass er nicht wegen einer Belohnung oder aus Angst vor einer Korrektur handelt, sondern weil das Verhalten für ihn selbst angenehm und sinnvoll ist.

Die intrinsische Motivation entsteht also nicht sofort, sondern entwickelt sich, während der Hund durch eigene Erlebnisse versteht, warum bestimmtes Verhalten für ihn besser ist. Es ist ein schrittweiser Prozess, bei dem er durch die richtigen Rahmenbedingungen die Möglichkeit bekommt, selbstständige und entspannte Entscheidungen zu treffen.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:22
Also ich würde das schon gerne wissen wollen....
Was würdest du gerne wissen wollen?
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:30
Das Ziel des Hundes ist nicht ruhig zu bleiben. Das ist DEIN Ziel. Das Ziel des Hundes ist es zum Reiz zu kommen. Vergrößerst du die Distanz, entfernt sich sein Ziel -> negative Strafe: etwas angenehmes (hier die Nähe zum Reiz) wird entfernt. Natürlich fällt es dem Hund mit zunehmender Distanz leichter, dein Ziel zu erreichen. Aber das ist ja nicht das, was der Hund eigentlich möchte. Strafe bedeutet übrigens nicht, dass Verhalten gezielt unterdrückt wird, sondern dass Verhalten sich durch Konsequenzen ändert. Vielleicht solltest du die Begrifflichkeiten nochmal nachlesen, bevor du mir vorwirft, sie nicht zu kennen. Zudem habe ich nicht behauptet, dass Rumhampeln für Hunde nie, sondern selten unangenehm ist. Das ist ein gravierender Unterschied. Rumhampeln kann sehr wohl selbstbelohnend sein und muss nicht zwangsläufig in Frustration umschlagen. Wenn Kinder rumhampeln, fühlen sie sich dabei doch auch oft gut und nicht schlecht.
Strafe – egal ob negativ oder positiv – bedeutet, dass jemand absichtlich eine Konsequenz einsetzt, um ein Verhalten zu verringern. Wenn ich die Distanz zum Reiz vergrößere, bestrafe ich den Hund nicht, sondern passe die Situation an, damit er nicht überfordert ist. Ich mache etwas für den Hund, nicht gegen sein Verhalten. Dadurch kann er lernen, wie er mit dem Reiz besser umgehen kann. Es ist keine Strafe, sondern eine Methode, die ihm hilft, in Ruhe Erfahrungen zu sammeln.

Natürlich möchte der Hund am Anfang zum Reiz hin – das ist völlig normal. Der Unterschied liegt darin, dass ich nicht versuche, ihn davon abzuhalten, indem ich ihn bestrafe. Stattdessen gebe ich ihm die Möglichkeit zu lernen, dass ruhiges Verhalten für ihn selbst angenehmer ist. Es geht nicht darum, das Jagen oder Herumhampeln zu “unterdrücken”, sondern dem Hund zu zeigen, dass er den Reiz gar nicht braucht.

Dein Beispiel mit Kindern passt hier nicht. Kinder, die “rumhampeln”, beruhigen sich oft, wenn man die Umgebung anpasst – nicht, weil sie bestraft werden, sondern weil sie die Möglichkeit bekommen, zur Ruhe zu kommen. Genauso lernen Hunde, dass ruhiges Verhalten weniger stressig ist, wenn sie nicht ständig in schwierige Situationen gebracht werden. Das ist keine Bestrafung, sondern ein Weg, ihnen Selbstkontrolle und Gelassenheit beizubringen.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:31
Mit „kurzer Leine“ meine ich keineswegs einen Kurzführer, sondern eine Leine von etwa 2 Metern – genug, um dem Hund Bewegungsfreiheit zu lassen, aber nicht so lang, dass er sich in seiner Überforderung reinsteigern kann. Was ich aber auch interessant finde: Du sagst, dass dir die Einschränkung der Selbstwirksamkeit widerstrebt – das verstehe ich absolut. Doch gerade bei extrinsischen Methoden wie der Arbeit mit Leckerlis oder Spielzeug wird der Hund doch genau das: weniger selbstwirksam. Er handelt nicht mehr aus eigenem Antrieb, sondern, weil er auf eine externe Belohnung wartet. Das ist für mich sogar noch problematischer, weil der Hund dann gar nicht mehr lernt, eigenständig Entscheidungen zu treffen, sondern immer nur auf die äußeren Verstärker reagiert.
Wieso sollte eine Leine den Hund davor bewahren, sich in Überforderung reinzusteigern?

Gerade gestern hab ich wieder erlebt, dass tw genau das Gegenteil der Fall ist und geradr die Begrenzung durch Leine das Hineinsteigern auslöst.
 
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Michi
8. Dez. 13:32
Was würdest du gerne wissen wollen?
Du hast es ja unten schon erklärt, danke.
Allerdings bin ich mir bei meinem Hund sehr sicher, dass er mittlerweile ausschließlich auf dem Weg bleibt, weil er nicht in Konflikt mit mir geraten möchte, nicht weil er das aus anderen Gründen für besser hält.
Erst gestern hatten wir eine solche Situation. Wir waren mit einem Vizla unterwegs, der auf einmal blitzschnell vom Weg abbog. Müslis Reflex war zuerst direkt hinterher zu rennen. Als er mit einem Fuß abseits des Weges war blieb er stehen. Ich habe dann ( zur Sicherheit) nein gesagt, weil ich nicht austesten wollte, ob er wirklich bleibt. Er ist dann mit mir weiter gegangen, hat aber gewinselt, bis der Vizla zurück war ( ca 2 min) . Seine komplett eigene Entscheidung wäre natürlich gewesen, direkt mit zu laufen.
Für mich ist es gut so wie es ist. Es hat mich nur interessiert, wie es nach dieser Methode laufen würde. Aber da mein Hund sowieso sehr speziell ist, ist das vermutlich nicht übertragbar.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:36
Joe, das hat sie doch jetzt mehrfach erklärt in allen Details. Der Rahmen ist im einfachsten und anfänglichem Stadium schlicht die Leine/Schleppleine. In diesem Gefüge entsteht ein Wohlfühlraum, der gefestigt wird und der nach und nach die Triggerreize inkludiert in das Gefüge, also den Jagdreiz nicht abstellt (was ja sowieso nicht geht) und auch nicht aktiv reguliert, sondern als positive Empfindung in den Raum mit aufnimmt, er im einfachen Fall also im Wohlfühlraum nach seinen intrinsischen Bedürfnissen eine Spur liest und so das belohnende Element einbezieht in den Raum, also später auch keinen Grund mehr sieht, ihn zu verlassen.
Die Erklärungen hatte ich noch nicht gesehen.

Ist das ein "Wohlfühlraum", der mich in meiner Bewegungsfreiheit beschneidet und in dem ich lernen soll, dass es angenehmer für mich ist, die Beschneidung hinzunehmen anstatt mich gegen sie zu sträuben?
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:42
Wieso sollte eine Leine den Hund davor bewahren, sich in Überforderung reinzusteigern? Gerade gestern hab ich wieder erlebt, dass tw genau das Gegenteil der Fall ist und geradr die Begrenzung durch Leine das Hineinsteigern auslöst.
Die Leine dient in meinem Ansatz dazu, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, indem man gemeinsam eine Situation bewältigt. Sie hilft, eine angemessene Distanz zum Reiz zu wahren, damit der Hund die Möglichkeit hat, ruhig zu bleiben und sich sicher zu fühlen, ohne dabei durch unnötigen Druck oder Zwang gestresst zu werden.
Wenn ein Hund durch die Leine stressiger wird, liegt das oft daran, dass sie falsch eingesetzt wird – z. B. um ihn zu bremsen oder zu zwingen, statt ihm Orientierung und Sicherheit zu bieten.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:45
Du hast es ja unten schon erklärt, danke. Allerdings bin ich mir bei meinem Hund sehr sicher, dass er mittlerweile ausschließlich auf dem Weg bleibt, weil er nicht in Konflikt mit mir geraten möchte, nicht weil er das aus anderen Gründen für besser hält. Erst gestern hatten wir eine solche Situation. Wir waren mit einem Vizla unterwegs, der auf einmal blitzschnell vom Weg abbog. Müslis Reflex war zuerst direkt hinterher zu rennen. Als er mit einem Fuß abseits des Weges war blieb er stehen. Ich habe dann ( zur Sicherheit) nein gesagt, weil ich nicht austesten wollte, ob er wirklich bleibt. Er ist dann mit mir weiter gegangen, hat aber gewinselt, bis der Vizla zurück war ( ca 2 min) . Seine komplett eigene Entscheidung wäre natürlich gewesen, direkt mit zu laufen. Für mich ist es gut so wie es ist. Es hat mich nur interessiert, wie es nach dieser Methode laufen würde. Aber da mein Hund sowieso sehr speziell ist, ist das vermutlich nicht übertragbar.
Nach meinem Ansatz wäre das Ziel, dem Hund beizubringen, dass es für ihn selbst angenehmer ist, auf dem Weg zu bleiben, ohne dass er den Impuls des Hinterherrennens als Frust erlebt. Das würde bedeuten, ihm von Anfang an genügend Distanz und Zeit zu geben, um den Reiz zu verarbeiten, ohne sofort reagieren zu müssen. So lernt der Hund schrittweise, dass ruhig zu bleiben für ihn die beste und stressfreiste Option ist – nicht, weil er Konflikte vermeiden möchte, sondern weil er merkt, dass er den Reiz nicht “braucht”, um zufrieden zu sein.

Es ist völlig in Ordnung, wenn du mit deinem aktuellen Ansatz zufrieden bist. Kein Mensch/Hund ist wie der andere, und es gibt keine universelle Methode, die für alle passt. Wichtig ist nur, dass der Weg für euch beide funktioniert und euren Alltag erleichtert. ☺️
 
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Jochen
8. Dez. 13:45
Die Erklärungen hatte ich noch nicht gesehen. Ist das ein "Wohlfühlraum", der mich in meiner Bewegungsfreiheit beschneidet und in dem ich lernen soll, dass es angenehmer für mich ist, die Beschneidung hinzunehmen anstatt mich gegen sie zu sträuben?
Schlicht ja. Aber es ist kein Hinnehmen, sondern ein Wollen.
 
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Dogorama-Mitglied
8. Dez. 13:48
Dein Punkt war aber doch, dass Maike außer Acht lasse, dass man die Belohnung ja wieder ausschleicht. Ich verstehe nicht inwiefern das Ausschleichen des Leckerlis relevant ist, weil sich die Motivation des Hundes ja nicht verändert. Vielleicht kannst du mir erklären was genau da außer Acht gelassen wird?
Das bezog sich darauf, dass sie sowas geschrieben hatte wie dass man ewig Leckerlies geben muss.
Am extrinsisch ändert das nichts.