Wir hatten damals, ich war 10, einen Diensthund vom Bundesgrenzschutz übernommen. 2 Jahre alt, langhaar Schäferhund, Dienst an der ehemaligen DDR Grenze gemacht, ausgemustert wegen Epilepsie. Die meinten Stress bedingt, im ruhigen Familienleben sollte sich das bessern.
Ein Traum von Hund. Unglaublich stolze imposante Erscheinung.
Natürlich wollte meine Mutter diesen Hund unbedingt haben, denn wer hat denn schon einen voll ausgebildeten „scharfen“ und so wunderschönen Hund direkt vom BGS?
Ob er Epilepsie hatte und während seinen Anfällen um sich biss interessierte nicht. Meine Geschwister waren damals 1 und 4 Jahre alt. Dass sie sich die unglaublich teuren Medikamente nicht leisten konnte, interessierte nicht. Dass sie so einem Hund nicht mal annähernd gerecht werden konnte, nicht wichtig.
Zwinger wurde gebaut, Hund kam und landete dort. Hund durfte in den Garten und ging übern Zaun sobald sich jemand dem Grundstück näherte. Hund kam dann dauerhaft in den Zwinger und durfte gelegentlich an der Kette ein bisschen „Auslauf“ haben.
Hundi weinte die ersten beiden Nächte ganz schlimm. Für mich, wie vermutlich für Euch auch, völlig verständlich. Mutti beim BGS Beamten angerufen, Problem wurde geschildert, er sagte „ wenn er das nochmal macht nehmen Sie ihn in die Garage, nehmen einen Rohstock oder Ähnliches und zeigen ihm wer der Herr ist“
Gesagt getan, es war dann Ruhe, er gehorchte auf Fingerzeig, Mutti platzte vor stolz.
Er brauchte eine neue Packung Meds, Mutti stellte fest wie teuer die tatsächlich sind und beschloss OHNE ÄRTZLICHEN RAT UND BEGLEITUNG die Tablettendosis zu reduzieren. Der Beamte hatte doch gesagt, dass das irgendwann vielleicht möglich ist, je nachdem was die Tierklinik sagt.
IRGENDWANN VIELLEICHT. WAS DIE TIERKLINIK SAGT.
Natürlich wusste meine Mutter es besser, wer braucht denn eine teure Tierklinik, sie ist doch allwissend, alles könnend …. und schlicht weg größenwahnsinnig.
Er bekam in einer Nacht 3 so schwere Anfälle, dass der dazu gerufene TA nur noch empfehlen konnte ihn einzuschläfern. Diese Anfälle hätten angeblich zu extrem schweren neurologischen Schäden geführt und es wäre besser ihn zu erlösen.
Er war nicht mal 6 Monate bei uns.
Dieser Hund hätte bei anderen, verantwortungsvollen Haltern, in einer liebevollen und stressfreien Umgebung trotz dieser Form der Epilepsie alt werden können. Und genau das hätte dieser wunderbare Hund verdient.
Sein Todesurteil wurde unterschrieben in dem Moment als meine Mutter ihn an sich nahm.
Was haben meine Großeltern auf sie eingeredet. Ihr versucht klar zu machen, dass es nicht der passende Hund ist, dass sie nicht die passende Halterin ist, dass sie seine Bedürfnisse überhaupt nicht erfüllen kann aber all das war egal. Es MUSSTE dieser Hund sein. Sie hat ihn benutzt um sich zu profilieren. Kann mich nicht daran erinnern, dass meine Mutter mit irgendeinem Hund jemals so viel durchs Dorf stolzierte, natürlich sich präsentieren. Und natürlich wurde sie auf diesen optisch wirklich heraus ragenden Hund angesprochen, hat sich als seine Retterin dargestellt.
Mir laufen heute noch die Tränen wenn ich mich an ihn und was ihm angetan wurde zurück erinnere.
Der Schmerz, die Wut und Abscheu, die ich dabei empfinde kann ich nicht in Worte fassen.
Irgendwie macht es aufgrund dessen, was ich erlebt haben, auch Sinn, dass ich immer irgendwie an Hunde mit schlimmer Vergangenheit, schlechten Haltern, grausame Erziehung gerate.
Und das ist gut so, das muss so sein.
Vermutlich habe ich gerade weil ich mit sowas aufgewachsen bin, ein Händchen für die entwickelt. Sehe, verstehe, fühle und kann entsprechend drauf eingehen.
Wie oft habe ich damals daran gedacht den Tierschutz zu rufen. Aber leider sind auch Kinder kleine Egomanen. Ich tat es nicht, aus Angst die betroffenen Hunde zu verlieren, mich ohne sie noch einsamer zu fühlen.
Eine Schuld, die ich heute versuche zu begleichen gerade in dem ich hauptsächlich mißhandelte oder verlassene Hunde aufnehme, Hunde die körperliche und/oder emotionale Schmerzen erlebt haben.
Der Text schlug nun eine ganz andere Richtung ein als ursprünglich geplant.
Aber ich lasse ihn einfach mal so stehen.
Vielleicht auch um bewusst zu machen wie auch Kinder unter der Misshandlung von ihren geliebten Hunden leiden und Schäden erleiden. Vielleicht denkt der eine oder andere etwas mehr darüber nach, wenn es nicht „nur den Hund“ sondern auch das eigene Kind betrifft wie man den Hund behandelt.
Liebe Sandra,
ich ahne, welche emotionale Tragödie sich bei Euch abgespielt und Dein Leben geprägt hat. Ich will jetzt nicht öffentlich in Einzelheiten gehen, aber Du hast mein Mitgefühl.
Alles Gute für Dich und Deine Hundis.