Das stimmt.
Man sagt die Zeit heilt alle Wunden. Empfinde ich nicht so. Die sind nach wie vor da, eitern, bluten auch immer mal vor sich hin.
Aber wenn ich bedenke was ich früher mal war, schüchtern, zu viel Angst irgendjemandem die Stirn zu bieten, Minderwertigkeitsgefühle, völlig fehlerhaftes Selbstbild … denke als Lehrer und Hospizmitarbeiter weißt Du vermutlich recht genau wie kaputt man durch sowas wird, brauch ich glaube ich nicht weiter beschreiben.
Und dann vergleiche wer ich heute bin, dann muss ich sagen, dass ich enorm gewachsen bin. Natürlich lagen dazwischen sehr dunkle Zeiten mit Depressionen und sogar Suizidgedanken. Habe ich heute alles hinter mir gelassen und fühle mich innerlich stärker als jemals zuvor.
Warum dies bei manchen Menschen so läuft und bei anderen nicht, weis ich nicht. Ich kann mir aber vorstellen, dass es einen Unterschied macht ob man verdrängt oder sich dem stellt, ob man im Selbstmitleid ertrinkt oder sich ans Ufer rettet, ob man das dunkle Loch in dem man festzustecken scheint akzeptiert oder ob man anfängt sich heraus zu graben.
Daher denke ich schon, dass man dadurch stärker werden KANN, wenn man es zu lässt. Nicht jeder mit einer komplizierten Vergangenheit ist dazu verdammt ein lebenlang ein Wrack zu sein. Ich denke da an unglaublich inspirierende Menschen, mit echt heftigen Schicksalen, die heute anderen helfen, Selbsthilfegruppen leiten und so weiter. Um andere auf ihrem Weg zu begleiten braucht es Stärke und die haben diese Stärke trotz A..Karte entwickelt. Und wenn ich dann an andere denke, die stecken im Loch fest oder schlimmer.
Ich habe in bald 64 Jahren gelernt, dass viele Menschen nicht so sind, wie sie sind, weil sie so sein möchten, sondern weil sie nicht anders sein können.
Und Lieben können setzt voraus, dass ein Mensch sich selbst als liebenswert wahrnimmt: Er ist es wert, geliebt zu werden. Und weil er es wert ist, kann er selbst lieben, d.h. den Nächsten frei sein lassen: Lieben heißt doch, der andere soll bei mir so sein, wie er sich wohlfühlt und wie es ihn glücklich macht. Das ist so wie einen Hund im Wald von der Leine und frei laufen lassen. Ich vertraue darauf, dass der andere freiwillig das unsichtbare Band der emotionalen Bindung aufrecht erhält.
Menschen, die sich nicht als liebenswert wahrnehmen, müssen die freiwillige Liebesbindung durch Macht- und Unterwerfungsstrukturen ersetzen: Sie binden ihr Gegenüber, indem sie ihm Schuldgefühle und Gefühle der ständigen Unzulänglichkeit machen. Sie binden Menschen dadurch, dass sie ihn fühlen lassen, dass sie nie gut (genug) sind. Der andere wird immer emotional überfordert, weil er es nie erreichen soll, gut (genug) zu sein. Und die Bindung hält nur so lange, wie sich der andere vergeblich abstrampelt.
Tja, und wer sich nicht liebenswert wahrnimmt, der kann auch seinem Hund nicht zutrauen, dass der ihn liebt. Er muss also den Hund unterwerfen, dem Hund die Bindung aufzwingen.
Bei Papa und Papa ist es so, dass unsere Süße sich an uns gebunden hat, weil sie sich bei und mit uns wohlfühlt. Wenn wir im Wald sind, vergewissert sie sich immer, dass Papa und Papa da sind. Wir müssen sie nicht rufen, weil sie sich an uns orientiert. Wo wir hingehen, dorthin geht auch unsere Süße.
Wir zweifeln aber auch nicht daran, dass wir zu unserer Süßen gut sind und ihr guttun. Deshalb darf sie auch der Hund sein, der sie sein will.