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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 11. Feb.

"Raumverwaltung", ein Mythos?!

Ihr Lieben, ich lese im Forum immer wieder davon, dass Hunde "Raum einnehmen" und Menschen "Raum verwalten". Das ist für mich (insbesondere hinsichtlich der Hunde) derart abstrakt und fern jeglicher neutraler Beobachtung, dass ich versucht habe nachvollziehbare Forschungen zu dem Thema zu finden. Ich bin nicht fündig geworden und dachte mir, ich frage mal bei denen, die dies praktizieren und als nachvollziehbar empfinden. Was mir auffällt ist, dass drohenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum beanspruchen", dass liegenden Hunden unterstellt wird, sie würden "Raum" oder gar "Besitz beanspruchen" und dass Hunden, die z.B. vor jemanden laufen oder stehen bleiben ebenso unterstellt wird, sie würden "Raum einnehmen". So gut wie nie ist dieser "Raum" definiert und all dies ist negativ besetzt. Bei Menschen fällt mir auf, dass sie körperlich und bedrohlich handeln, um ihren "Raum zu beanspruchen", dass sie mit Strafen arbeiten und dass sie regelrecht nervös zu werden scheinen, wenn ihr Hund ihren "Raum" betreten oder streitig machen könnte. Bei meiner Suche bin ich auf diese Blogartikel gestoßen: https://forsthaus-metzelthin.de/mit-hunden-leben/verwalten-hunde-raeume/ Irgendwie gibt er meine Verwirrung gut wieder und mein Glaube an diese ominöse "Raumverwaltung" schwindet nun dahin. Aber vielleicht hat ja doch jemand eine vertrauenswürdige und nachvollziehbare Quelle parat, die mich dieses "Raumdings" verstehen lässt ^^
 
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J
10. Feb. 16:19
Wie gelingt Dir das freundlich? Kannst du da überhaupt noch was bewirken wenn er im Tunnel ist oder müsst ihr die Situation dann einfach aushalten?
Man kann z. B. versuchen, mehr als einen Sinn ansprechen - hat der Hund also etwas gesehen z.B. taktil UND akustisch einwirken. Oder, wenn man gut im handling ist, taktil, akustisch und olfaktorisch (also noch Leckerli vor die Nase).

Das bewirkt nicht zwingend, dass der Hund sein Verhalten sofort einstellt, weist ihm aber erstmal eine Möglichkeit aus dem Tunnel, um danach angebotene Signale überhaupt wieder wahrzunehmen.

Ob das bei jedem Hund klappt, weiß ich aber nicht.

Das ist übrigens auch bei Autismus ein Ansatz, aus Reizüberflutung noch einen Ausweg zu finden, auch dort funktioniert es - man muss sich aber bewusst sein, dass beim Menschen die Reaktion auf (wenn ich mich richtig erinnere) bis zu 25 Sekunden verzögert sein kann. Mit diesem Wissen sind wir vielleicht etwas geduldiger mit unseren Hunden, wenn wir die Möglichkeit haben.
 
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Friedel
10. Feb. 16:26
Also bei meinen "leichten" 13kg musst du gar nicht mit Nein und blocken anfangen, wenn der mal mit Beschädigungsabsicht in der Leine hängt. Da hilft nur noch Management (festhalten und eigene Beine in Sicherheit bringen). Und tatsächlich bringe ich den mit freundlichen Mitteln deutlich leichter wieder aus dem Modus raus. Weil in so einer Situation so viel Adrenalin ausgeschüttet wird und er so im Tunnel ist, dass er außer der Bedrohung nicht mehr viel wahrnimmt und weiter "draufhauen" (auch verbal und körpersprachlich) es nur anheizen würde. Wenn es zu so einer Situation kommt, habe ICH versagt, nicht der Hund. Aber so oder so, solche Situationen helfen nicht in Diskussionen über Erziehung. In Ausnahmesituationen reagiert man nun mal anders und teils auch undurchdacht.
Es gibt "solche" Situationen, wo du nicht versagt hast. Z.B. Ich warte auf dem Bahnhof auf den Fahrstuhl. Sehe, dass da ein Goldi mit dem Fahrstuhl kommt. Ich gehe ein ganzes Stück zurück mit meinem Holger (10kg noch schnell zum Leinenrambo mutierend, wenn der Abstand nicht eingehalten wird). Die Leute steigen aus und laufen dicht an uns vorbei. Es war genügend Platz für Abstand. Ich konnte mein Randawauwollknäuel nur noch zwischen mich und der Wandhinter mir zerren. Als sie weiter weg waren bin wieder zu meinem Gepäck zurückgekehrt und weiter zum inzwischen weggefahrenen Fahrstuhl - immernoch mit einer Adrenalinladung auf vier Pfoten an der Leine. Da hatte ich Holger erst wenige Wochen.
 
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Nadine
10. Feb. 16:27
Das klingt wirklich gut aufgebaut! Wlie lange hat das bei euch gedauert,das Markerwort zuverlässig aufzubauen? Merkst du das dann hinterher noch an seinem Verhalten oder denkst du,er ist dann okay mit einer blöden Begegnung?
Ich war ja erst Pflegestelle und hab erst nach Übernahme mit so Dingen wie Markerwort begonnen, weil ich für die Adoptanten keine Worte "verschwenden" wollte, die sie noch für was anderes nutzen wollen. Die ersten 2 Monate hab ich also nur die Grundkommandos und einige Tricks gemacht, weil er daran Spaß hatte.

Mit dem Markerwort hab ich dann kurz nach Übernahme begonnen und er hat es schnell verstanden. Bis ich es in schwierigen Situationen eingesetzt habe, hat aber nochmal so etwa 2 Monate gebraucht. Und ich musste anfangs deeeeutlich früher markern, weil er extrem viel früher reagiert hat. Aber das Ziel ist ja auch nicht, auf die Reaktion zu warten und da rein zu markern, damit er sich doch noch umdreht 😉

Mittlerweile können wir so Situationen schnell abhaken, wenn ich positiv auf ihn einwirke. Die nächste Begegnung starten wir dann neutral, auch wenn sie 2m später ist. Das war nicht immer so, früher war nach einer blöden Begegnung alles doof. Aber wir haben beide dazugelernt, also es liegt eventuell auch zu einem Teil an mir.
Bei meinem Freund kommt er nicht so schnell runter, mein Freund ist aber auch schneller genervt und dann weniger freundlich (auch wenn er nicht blockt, bedrängt, schimpft etc, transportiert er auch keine positive Energie in den Hund).

Ich hab übrigens mehrere markersignale und auch mehrere Aufmerksamkeitssignale, die ich situativ einsetze. Alle nach und nach aufgebaut, sodass ich mittlerweile einen großen Pool an Optionen hab und mit fast alles Situationen gut und ruhig umgehen kann. Und eine Eskalation meistens vermeiden, auch wenn es zu unschönen Situationen kommt.
 
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Nadine
10. Feb. 16:31
Es gibt "solche" Situationen, wo du nicht versagt hast. Z.B. Ich warte auf dem Bahnhof auf den Fahrstuhl. Sehe, dass da ein Goldi mit dem Fahrstuhl kommt. Ich gehe ein ganzes Stück zurück mit meinem Holger (10kg noch schnell zum Leinenrambo mutierend, wenn der Abstand nicht eingehalten wird). Die Leute steigen aus und laufen dicht an uns vorbei. Es war genügend Platz für Abstand. Ich konnte mein Randawauwollknäuel nur noch zwischen mich und der Wandhinter mir zerren. Als sie weiter weg waren bin wieder zu meinem Gepäck zurückgekehrt und weiter zum inzwischen weggefahrenen Fahrstuhl - immernoch mit einer Adrenalinladung auf vier Pfoten an der Leine. Da hatte ich Holger erst wenige Wochen.
Ja, so Situationen haben wir auch manchmal. Aber oft fallen mir im Nachhinein noch Optionen ein. Zum Beispiel den Hund mit leckerli ablenken und den Leuten zurufen, dass sie bitte Abstand halten. Oder den Hund hochheben - meinem hilft das 😊

Aber niemand ist perfekt und reagiert immer 100% richtig und man ist manchmal einfach hilflos. Das sollte aber keine Ausrede sein, dann unfair zum Hund zu werden (was mir durchaus auch schon passiert ist, wenn es richtig doof gelaufen ist, bin ja auch nur ein Mensch). Der Hund kann ja schließlich auch nichts dafür, wie die Situation sich entwickelt, und hat an der Leine auch wenig Optionen.
 
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Sonja
10. Feb. 16:34
Ich habe mal ein Beispiel für positives Blocken aufgenommen.
Es gibt Futter. Die Hunde werden einzeln rein gerufen und sollen vor ihrem Napf Sitz oder Platz machen und Ruhe bewahren.
Nala wird hier als letzte rein gerufen. Sie tanzt, wenn man sie gewähren lässt, durch den ganzen Raum und mischt alles auf mit ihrer Aufregung. Aggression ist da nicht im Spiel.
Daher stelle ich mich in Position zwischen die anderen Hunde und ihren Napf (auf den ich schaue). Ich bewege mich gar nicht auf sie zu. Nur bei Bedarf seitwärts, um die jeweilige Grenze aufzuzeigen. Die Hände tun nichts, die könnte ich auch hinterm Rücken verschränken. Ich sage auch nichts, denn mein blockender Körper reicht aus.
Das Blocken hilft ihr, in dem Bereich vor ihrem Napf runter zu kommen und schließlich Platz zu machen.
Ich blocke auch, wenn sie als erste rein gerufen wird. Weil es nicht darum geht, die anderen Hunde zu schützen, sondern Nala zu helfen, ihren Platz einzunehmen.
 
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Friedel
10. Feb. 16:37
Bis ein wenig mehr Abstand da ist, müssen wir meist aushalten - außer ich schaffe es noch, in den ersten Impuls rein zu markern. Aber dann bekomme ich ihn mit Markerwort und Aufmerksamkeitssignal mittlerweile sehr schnell wieder zu mir und runtergefahren, sodass er nicht sofort wieder hoch geht. Je nachdem machen wir dann gemeinsam was aktives wie kekse Kegeln oder tricksen, oder zb das 10-Leckerli-Spiel, damit kommt der Fokus gut auf mich zurück. Aktiv etwas tun hilft ihm aber deutlich besser, ist aber nicht in jedem Umfeld möglich. Notlösung wenn gar nix geht ist hochheben. Das ist positiv aufgebaut und wird in 99% der Fälle angekündigt, holt ihn manchmal aber doch aus dem Tunnel wenn gar nix mehr geht. Ist aber für ihn die unangenehmste Möglichkeit, weil er zwar kein Problem mit getragen werfen hat und ihm Körperkontakt in so einer Situation hilft, aber durch das hochheben (die Ankündigung nimmt er dann natürlich nicht mehr wahr) kurz den Boden unter den Pfoten verliert und es trotz allem ein Schreck ist.
Oh, hört sich interessant an: Kekse kegeln, 10-Leckeri-Spiel. Wo hast du das her?
Ja leider geht Adrenalinabbau nicht überall, vorallen schwierig auf belebten Wegen.
 
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Friedel
10. Feb. 16:47
Ich war ja erst Pflegestelle und hab erst nach Übernahme mit so Dingen wie Markerwort begonnen, weil ich für die Adoptanten keine Worte "verschwenden" wollte, die sie noch für was anderes nutzen wollen. Die ersten 2 Monate hab ich also nur die Grundkommandos und einige Tricks gemacht, weil er daran Spaß hatte. Mit dem Markerwort hab ich dann kurz nach Übernahme begonnen und er hat es schnell verstanden. Bis ich es in schwierigen Situationen eingesetzt habe, hat aber nochmal so etwa 2 Monate gebraucht. Und ich musste anfangs deeeeutlich früher markern, weil er extrem viel früher reagiert hat. Aber das Ziel ist ja auch nicht, auf die Reaktion zu warten und da rein zu markern, damit er sich doch noch umdreht 😉 Mittlerweile können wir so Situationen schnell abhaken, wenn ich positiv auf ihn einwirke. Die nächste Begegnung starten wir dann neutral, auch wenn sie 2m später ist. Das war nicht immer so, früher war nach einer blöden Begegnung alles doof. Aber wir haben beide dazugelernt, also es liegt eventuell auch zu einem Teil an mir. Bei meinem Freund kommt er nicht so schnell runter, mein Freund ist aber auch schneller genervt und dann weniger freundlich (auch wenn er nicht blockt, bedrängt, schimpft etc, transportiert er auch keine positive Energie in den Hund). Ich hab übrigens mehrere markersignale und auch mehrere Aufmerksamkeitssignale, die ich situativ einsetze. Alle nach und nach aufgebaut, sodass ich mittlerweile einen großen Pool an Optionen hab und mit fast alles Situationen gut und ruhig umgehen kann. Und eine Eskalation meistens vermeiden, auch wenn es zu unschönen Situationen kommt.
Mehrere Markersignale? mehrere Aufmerksamkeitssignale? Kannst da bitte Beispiele sagen und erklären?
 
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Nadine
10. Feb. 16:47
Oh, hört sich interessant an: Kekse kegeln, 10-Leckeri-Spiel. Wo hast du das her? Ja leider geht Adrenalinabbau nicht überall, vorallen schwierig auf belebten Wegen.
Puh, ich kann dir gar nicht genau sagen, wo ich das her hab. Ich lese mal hier und da und nimm mit, was mir sinnvoll erscheint 😅 Könnte teils von Alexandra Lange (4Pfoten on Tour) sein, aber nicht ausschließlich.

Zum 10-Leckerli-Spiel hab ich hier mal ne Erklärung eingestellt ( https://dogorama.app/de-de/forum/Sport_Spiel/Impulskontrolle-Challenge_Nr_1_10_Leckerli_Spiel-G2DC5TbwEE3ARpmY3iQL/ ). Da geht es eigentlich um Impulskontrolle, aber wenn der Hund es gut kennt und kann lässt es sich super zum fokussieren einsetzen.

Dann haben wir einen generalisierten Marker (bei uns "Top") und mehrere einfache Marker:
Check - leckerli zwischen die pfoten
Kegeln - leckerli fliegt (weg vom Auslöser)
Keks - leckerli bei mir in der Hand
Angeln - reizangeln mit mir
Konfetti - mehrere leckerli zum suchen
Strike - superleckerli in meiner rechten Hand

Angeln und strike nutze ich aber kaum und habs auch nicht so gut aufgebaut.
Kegeln ist super, wenn er zb eigentlich jagen will. Durch Konfetti zeigt er automatisch beschwichtigendes Verhalten und auch schnüffeln ist selbstberuhigend. Keks kann ich als Rückruf light nutzen (ist ja nur ein Angebot an den Hund und nicht verpflichtend) und er dreht sich weg vom Auslöser. Check ist super, wenn er an der Stelle bleiben soll, zum Beispiel bei einem jagdreiz von dem er sich noch nicht abwenden kann.

Aufmerksamkeitssignale hab ich 3:
Schnalzen wird im Alltag viel genutzt und gibt nicht immer ne (Keks)Belohnung, aber immerhin ein lob
"Yip" gibt immer eine Belohnung und oft auch eine hochwertige
"Un Dos Tres" gibt auf "Tres" die Belohnung, auch wenn der Hund nicht reagiert kommt sie bei "Tres" vor seine Nase. Das gibt ihm die Zeit die er braucht, Situationen einzuschätzen, und er muss sich nicht sofort abwenden. Sondern hat Zeit, während ich zähle. Hilft ihm bei Begegnungen ungemein.
 
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Tatiana
10. Feb. 16:48
Ich habe mal ein Beispiel für positives Blocken aufgenommen. Es gibt Futter. Die Hunde werden einzeln rein gerufen und sollen vor ihrem Napf Sitz oder Platz machen und Ruhe bewahren. Nala wird hier als letzte rein gerufen. Sie tanzt, wenn man sie gewähren lässt, durch den ganzen Raum und mischt alles auf mit ihrer Aufregung. Aggression ist da nicht im Spiel. Daher stelle ich mich in Position zwischen die anderen Hunde und ihren Napf (auf den ich schaue). Ich bewege mich gar nicht auf sie zu. Nur bei Bedarf seitwärts, um die jeweilige Grenze aufzuzeigen. Die Hände tun nichts, die könnte ich auch hinterm Rücken verschränken. Ich sage auch nichts, denn mein blockender Körper reicht aus. Das Blocken hilft ihr, in dem Bereich vor ihrem Napf runter zu kommen und schließlich Platz zu machen. Ich blocke auch, wenn sie als erste rein gerufen wird. Weil es nicht darum geht, die anderen Hunde zu schützen, sondern Nala zu helfen, ihren Platz einzunehmen.
Ich finde das hier einen spannenden Thread und bin sehr an dem Austausch interessiert.
Warum findest du das in dem Fall positiv?
Ich lasse mich gerne belehren. Deine Hündin ist ja total aufgeregt und beschwichtigt ganz viel.
Als sie im Platz liegt leckt sie weiter über die Schnauze und die Rute ist ja auch nicht still. Das bedeutet doch, ihr Erregungsniveau ist nicht gesunken durch deine Körpersprache,oder?
 
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Nadine
10. Feb. 16:52
Mehrere Markersignale? mehrere Aufmerksamkeitssignale? Kannst da bitte Beispiele sagen und erklären?
Hab ich gerade schon in der Antwort auf deinen letzten Kommentar gemacht, weil es zum Kegeln passte 😃
Falls du noch Fragen hast, gerne.

Ich hoffe für Steffi ist das ok, wir sind hier gerade ziemlich off-topic...