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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Jochen
14. Juni 05:55
Darf ich um eine Quelle für dein Zitat bitten?
„Beziehung Erziehung Bindung“ ist ein Buch, habe unten noch die Autoren Udo Gansloßer und Kate Kitchenham nachgetragen. Beide Autoren stützen sich immer auf Studien mit ihren Aussagen.
 
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SandrA
14. Juni 05:56
Oh, ich glaube jetzt dämmert mir, wo das aktuelle Missverständnis liegt! Mir war nicht klar, dass du mit "Erfahrungswissen" das Wirrwarr in der Interpretation des Bindungsbegriffes meinst. Ich sehe das nicht als erfahrungsbasierten Zugang ZUM BINDUNGSBEGRIFF, weil das in meinem Verständnis nicht der Bindungsbegriff sondern eine Missinterpretation desselben ist. Ich sehe Vieles, was hier "Bindung" genannt wird, als Erfahrungswissen zu anderen Beziehungsaspekten, die nicht das sind, was der Begtiff "Bindung" im Beziehungskontext eigentlich meint. Ich lehne also nicht per se den Inhalt der Erfahrungen ab, sondern dass dafür eine missverständliche Bezeichnung benutzt wird, die nicht nur generell eigrntlich was Anderes bedeutet, sondern über die es auch auf Ebene der umgangssprachlichen Nutzung keinen echten Konsens gibt. Jeder meint wiederum ein bisschen was Anderes, hat seine eigene, individualisierte Privatversion des Wortverständnisses - DAS finde ich vage, nicht hilfreich und tw kontraproduktiv, vor allem wenn an den Begriff geknüpft Ratschläge gegeben werden, der Sender damit aber womöglich von was Anderem spricht als der Empfänger. Mein Problem liegt in der Begriffswahl, die in genau dem genutzten Kontext bereits eine spezifische und relevante Bedeutung hat, in der sie oft aber gerade NICHT gemeint wird und an deren Stelle auch kein spezifischer umgangssprachlicher Bedeutungskonsens tritt, sondern wo man nie weiss, was tatsächlich gemeint ist, wenn der Begriff verwendet wird. Für mich ist das eine kleine babylonische Sprachverwirrung - völlig egal, wenn man nur lustige Anekdoten austauscht. Aber beraten tut es sich auf so einer unwuchten Basis sehr schlecht, da kommt es oft und unvemerkt zu einem "knapp daneben ist auch vorbei" oder man trifft mit einem Rat sogar wohin, wo der Beratene es überhaupt nicht brauchen kann, das aber nicht merkt, weil er ihn in einem anderen Kontext versteht. Zusammenfassung: nicht Erfahrungswissen lehne ich ab, sondern die sprachliche Beliebigkeit und den häufig anzutreffenden Unwillen, sich mit Bedeutungen und dem wechselseitigen Verständnis zu beschäftigen. (Eine artverwandte Einstellung findet sich dann aber auch tw auf inhaltlichen Ebenen, so ein " 'ich mach mir die Welt' und ob die zur Welt des Anderen passt ist mir egal, weil meine Version der Wirklichkeit trumpft alles")
Danke für die ausführliche Erläuterung – dein Standpunkt ist für mich nachvollziehbar, auch wenn ich ihn nicht teile.
Ich sehe das weniger dramatisch: Solange der Bezugsrahmen mitkommuniziert wird, kann ich mit verschiedenen Perspektiven (und Begriffsverwendungen) gut umgehen – auch wenn sie nicht meinem Verständnis entsprechen. Ich muss Begriffe nicht deckungsgleich verwenden, um ihre Bedeutung im jeweiligen Kontext zu erfassen und gelten zu lassen.
In babylonische Sprachverwirrung gerate ich dabei eher selten.
 
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Dogorama-Mitglied
14. Juni 06:32
Danke für die ausführliche Erläuterung – dein Standpunkt ist für mich nachvollziehbar, auch wenn ich ihn nicht teile. Ich sehe das weniger dramatisch: Solange der Bezugsrahmen mitkommuniziert wird, kann ich mit verschiedenen Perspektiven (und Begriffsverwendungen) gut umgehen – auch wenn sie nicht meinem Verständnis entsprechen. Ich muss Begriffe nicht deckungsgleich verwenden, um ihre Bedeutung im jeweiligen Kontext zu erfassen und gelten zu lassen. In babylonische Sprachverwirrung gerate ich dabei eher selten.
Habe ich gesagt, ich hätte ein Problem mit verschiedenen Perspektiven?

Habe ich gesagt, dass ich nicht damit umgehen kann, wenn etwas nicht meinem Verständnis entspricht?

Ich glaube nicht.

Was ich gesagt habe ist, dass es keine konstruktive Kommunikation geben kann, wenn nicht klar ist, was die Kommunikanten mit den Begriffen meinen, die sie verwenden.


Dein Selbstvertrauen in Bezug auf Kontexterfassung in allen Ehren, ich bin davon aber mit Verlaub nicht ganz so überzeugt wie du selbst.
Wärst du da tatsächlich so firm und immun gegen Sprachverwirrung, würdest du mich wohl nicht ebenfalls ständig missverstehen.
Oder nicht bemerken, dass das rhetorische Mittel der selbstlobenden Ich-Botschaft in Juxtaposition mit Aussagen des Gesprächspartners eine implizite Kritik an selbigem kommuniziert.

Oder ich müsste annehmen, dass das böswillige Provokationen wären, was ich aber wirklich weder glauben noch unterstellen möchte...
 
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SandrA
14. Juni 06:58
Habe ich gesagt, ich hätte ein Problem mit verschiedenen Perspektiven? Habe ich gesagt, dass ich nicht damit umgehen kann, wenn etwas nicht meinem Verständnis entspricht? Ich glaube nicht. Was ich gesagt habe ist, dass es keine konstruktive Kommunikation geben kann, wenn nicht klar ist, was die Kommunikanten mit den Begriffen meinen, die sie verwenden. Dein Selbstvertrauen in Bezug auf Kontexterfassung in allen Ehren, ich bin davon aber mit Verlaub nicht ganz so überzeugt wie du selbst. Wärst du da tatsächlich so firm und immun gegen Sprachverwirrung, würdest du mich wohl nicht ebenfalls ständig missverstehen. Oder nicht bemerken, dass das rhetorische Mittel der selbstlobenden Ich-Botschaft in Juxtaposition mit Aussagen des Gesprächspartners eine implizite Kritik an selbigem kommuniziert. Oder ich müsste annehmen, dass das böswillige Provokationen wären, was ich aber wirklich weder glauben noch unterstellen möchte...
Ein letzter Versuch der Klarstellung:

Wenn ich sage, dass ich mir etwas wünsche oder mit einer bestimmten Herangehensweise gut zurechtkomme, heißt das nicht automatisch, dass ich deine ablehne oder als unbrauchbar hinstelle. Ich wundere mich ehrlich gesagt, warum meine Haltung wiederholt als Affront gegen deine gelesen wird – obwohl ich mich mehrfach um Abgrenzung ohne Abwertung bemüht habe.

Mir geht es nicht darum, Recht zu behalten oder rhetorisch zu punkten, sondern um Verständigung. Und dafür ist es aus meiner Sicht hilfreich, auch Unterschiede einfach mal stehen zu lassen, ohne sie gleich als implizite Kritik zu deuten.

Dass ich Kontext oft ausreichend finde, um mit verschiedenen Begriffsnutzungen umzugehen, bedeutet weder, dass ich Missverständnisse ausschließe, noch dass ich anderen die Fähigkeit dazu abspreche. Es ist schlicht mein Zugang – nicht mehr, nicht weniger.

Ich kann gut akzeptieren, dass dir hier andere Dinge wichtig sind als mir. Und ich hoffe, dass das umgekehrt ebenso möglich ist.
 
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Lena
14. Juni 07:58
Ich will das auch nicht als grundsätzlich falsch darstellen. Aber wenn man darüber nachdenkt bin ich der Meinung das man einen Solitär Jäger (Terrier) der schon von Haus aus sehr im außen ist noch mehr ins außen bringt. Ich werfe Futter von mir weg und der Hund soll es suchen fördert Abstand. Im Gegensatz zum ich Versteck einen Ball und er bringt mir den auf Kommando und ich belohne ihn verbal und mit Futter. Was Glaube ich eher die Nähe zu Halter Fördert. Das ist meine Meinung. Ist also kein Gesetz und es geht mir nicht dabei ums Recht. Es ist einfach nur meine Meinung.
Aber jetzt begründest du es ja wieder ganz anders.
Das hatte ich ja am Anfang gefragt, ob du es so meinst.
Das hatte ich ja genauso geschrieben.
Du sagtest dann aber, dass es dir nicht darum geht, sondern dass er lernt Futter alleine finden zu können. Und das sehe ich so halt nicht.
Aber ja, wenn er mir ein Objekt bringen soll, ist mehr Kooperation zu mir da als beim Futter suchen.
Das ist ja logisch. Das hatte ich ja selbst schon geschrieben. 😉
 
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Lena
14. Juni 08:02
Vielleicht bin ich auch nichtmehr auf dem neuesten Stand. Kannst du mich vielleicht an die Literatur verweisen, die die Relevanz von Futtergabe für die Bindungsbildung bespricht?
Nein, das kann ich nicht.
Ich sage ja auch nicht, dass es genau anders ist. Das denke ich definitiv nicht.
Aber diese pauschale und extrem formulierte Aussage, dass Futter Bindung überhaupt nichts ausmacht usw., finde ich nur etwas zu hart formuliert.
Wie Futter etwas zu einer Bindung oder Beziehung beitragen kann wurde hier ja schon besprochen.
Deshalb finde ich deine Formulierung einfach zu pauschal und radikal. Deshalb stimme ich deinem ersten Absatz eben nicht zu.
 
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SandrA
14. Juni 08:16
Emotionale Prozesse sind schwer bis gar nicht quantifizierbar und das ist mE. das Problem dieser Diskussion. Ab wann ist eine Beziehung eine Bindung? Würde es nur um Bindungskatalysatoren gehen, wäre zB. die Unaustauschbarkeit nicht gebeben: Aus dem Buch „Beziehung Erziehung Bindung“ (Udo Gansloßer und Kate Kitchenham) dazu folgendes Zitat: Grundsätzlich gilt: Bindungen sind – anders als soziale Beziehungen, die neben Gefühlen viele weitere Funktionen bedienen können – emotional. Wir werden noch sehen, welche im Gehirn und im Hormonsystem angesiedelten Bestandteile für diese emotionale Komponente verantwortlich sind. Aber die emotionale Komponente spielt bei der Bindung immer eine zentrale Rolle. Letztlich führt diese emotionale Komponente auch dazu, dass Bindungen eben nicht austauschbar sind. Die Bindungsperson ist unersetzbar: Der Bindungspartner (egal ob Mensch, Hund oder anderes, bindungsfähiges Lebewesen) kann nicht durch einen Artgenossen des gleichen Status, auch nicht der gleichen Attraktivität oder anderer vergleichbarer Eigenschaften ausgetauscht werden.
Danke für dein interessantes Zitat! Ergänzend möchte ich auf die Erkenntnisse von Friederike Range hinweisen - sinngemäß heißt es:

„Hunde zeigen in sozialen Situationen eine starke Orientierung an vertrauten Menschen, die sich in ihrem Verhalten, ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Kooperationsbereitschaft widerspiegelt. Diese soziale Orientierung ist ein Schlüssel für das Verständnis ihrer Bindungen, die sich weniger über abstrakte Definitionen als über beobachtbare Verhaltensmuster erschließen lassen.“
— Friederike Range, The Genius of Dogs (2016)

Die Oxytocin-Forschung unterstreicht diese Verbindungen: Studien zeigen, dass beim Blickkontakt zwischen Hund und Mensch die Oxytocin-Level auf beiden Seiten ansteigen, was Vertrauen und Bindung fördert (Nagasawa et al., 2015). Dieses Hormon gilt als neurobiologischer Vermittler sozialer Bindungen und emotionaler Nähe – eine Art biochemischer Klebstoff, der Verhalten und Gefühl verbindet.

Range verweist in ihrer Arbeit immer wieder auf diese neurobiologischen Grundlagen, die das beobachtbare Bindungsverhalten erklären helfen.

Hier noch die Quelle zur Oxytocin-Studie:
Nagasawa M., Mitsui S., En S., et al. (2015). Oxytocin-gaze positive loop and the coevolution of human-dog bonds.
 
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Jörg
14. Juni 08:23
Aber jetzt begründest du es ja wieder ganz anders. Das hatte ich ja am Anfang gefragt, ob du es so meinst. Das hatte ich ja genauso geschrieben. Du sagtest dann aber, dass es dir nicht darum geht, sondern dass er lernt Futter alleine finden zu können. Und das sehe ich so halt nicht. Aber ja, wenn er mir ein Objekt bringen soll, ist mehr Kooperation zu mir da als beim Futter suchen. Das ist ja logisch. Das hatte ich ja selbst schon geschrieben. 😉
Dann habe ich deine Aussage missverstanden. Sorry! So wie du es hier gerade beschrieben hast so in der Art könnte man es auch beschreiben, ausdrücken, erklären oder deklarieren (je nachdem welches Fachwort bevorzugt wird). Du bekommst mehr zusammen arbeitet Kooperationes Bereitschaft usw. mit dir (auch hier je nachdem welche ausdrucksweise bevorzugt wird).
 
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Dogorama-Mitglied
14. Juni 08:36
Ein letzter Versuch der Klarstellung: Wenn ich sage, dass ich mir etwas wünsche oder mit einer bestimmten Herangehensweise gut zurechtkomme, heißt das nicht automatisch, dass ich deine ablehne oder als unbrauchbar hinstelle. Ich wundere mich ehrlich gesagt, warum meine Haltung wiederholt als Affront gegen deine gelesen wird – obwohl ich mich mehrfach um Abgrenzung ohne Abwertung bemüht habe. Mir geht es nicht darum, Recht zu behalten oder rhetorisch zu punkten, sondern um Verständigung. Und dafür ist es aus meiner Sicht hilfreich, auch Unterschiede einfach mal stehen zu lassen, ohne sie gleich als implizite Kritik zu deuten. Dass ich Kontext oft ausreichend finde, um mit verschiedenen Begriffsnutzungen umzugehen, bedeutet weder, dass ich Missverständnisse ausschließe, noch dass ich anderen die Fähigkeit dazu abspreche. Es ist schlicht mein Zugang – nicht mehr, nicht weniger. Ich kann gut akzeptieren, dass dir hier andere Dinge wichtig sind als mir. Und ich hoffe, dass das umgekehrt ebenso möglich ist.
Das beste Beispiel für das was ich zu sagen versuche - wir bemühen uns beide, uns verständlich zu machen, liefern Kontext en Masse und trotzdem verstehen wir uns irgendwie nicht richtig.

Wenn an sowas jetzt auch noch Ratschläge zur Lösung eines Problems geknüpft wären, fände ich das nicht sehr brauchbar.

Genauso sehe ich es, wenn zwei Leute ohbe es zu merken von unterschiedlichen Bindungsinterpretationen sprechen und das mit Rat zur Verbesserung der Bindung einhergeht.
 
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Dogorama-Mitglied
14. Juni 08:40
Nein, das kann ich nicht. Ich sage ja auch nicht, dass es genau anders ist. Das denke ich definitiv nicht. Aber diese pauschale und extrem formulierte Aussage, dass Futter Bindung überhaupt nichts ausmacht usw., finde ich nur etwas zu hart formuliert. Wie Futter etwas zu einer Bindung oder Beziehung beitragen kann wurde hier ja schon besprochen. Deshalb finde ich deine Formulierung einfach zu pauschal und radikal. Deshalb stimme ich deinem ersten Absatz eben nicht zu.
Diese Aussage bezieht sich auf Bindung im Verständnis der Bindungstheorien laut Bowlby et al.
Auf die hat Futter/Nahrung keinen. ursächlichen Einfluss.