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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Juli

"Notfall"-Reaktion bei Leinenreaktivität

Guinness ist einigen Rivalen in der Gegend gegenüber gerade eine ziemliche Popoöffnung. In den allermeisten Fällen bemerke ich seine Vorzeichen und hab das dann sehr gut im Griff, da kann ich auch ohne sonderliche Umstände normal weitergehen. Aber manchmal verpenn ich das rechtzeitige Reagieren oder es kommt jemand um ein Eck und dann mutiert er zum Monstrum, incl ganz hässliches, geiferndes Knurren. Da denkst du, der will den Anderen fressen. Ich find das derart GACK!, dass ich Probleme hab, da vernünftig darauf zu reagieren, meist werd ich dann auf Guinness ärgerlich und wir enden in einem Gerangel um Kontrolle. Ich möchte mir jetzt dafür eine Notfall-Reaktion zurechtlegen, um diesem Blödsinn entgegenzusteuern, möchte aber gleich von vorne weg "Nebenwirkungen" möglichst vermeiden - also zB wenn ich G einfach kurz nehmen und stehen bleiben würde, könnte er daraus schließen wenn er steht und geifert, geht der Rivale weg...? Habt ihr vielleicht Vorschläge, was eine sinnvolle Reaktion sein könnte, wenn er bereits ausgelöst hat?
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 09:49
Auch du durchmischt hier die Begriffe Bindung und Beziehung.

So ist das imho nicht sinnvoll zu besprechen.

Kann ich eine Bindung zu einem Lebewesen etablieren, ohne es auch nur ein Mal zu füttern?

Kann ich der alleinige Fütterer des Lebewesens sein und trotzdem in keinerlei Bindung zu ihm stehen?
 
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Jörg
12. Juni 10:02
Auch du durchmischt hier die Begriffe Bindung und Beziehung. So ist das imho nicht sinnvoll zu besprechen. Kann ich eine Bindung zu einem Lebewesen etablieren, ohne es auch nur ein Mal zu füttern? Kann ich der alleinige Fütterer des Lebewesens sein und trotzdem in keinerlei Bindung zu ihm stehen?
Das was du Gerade machst ist Ablenken, in deiner Aussage stand das Schutzbedürfnis ein wichtiger Bestandteil der Bindung wäre, was ich mit meinem Beispiel des Herdenschutz Hund widerlegt habe. Meine Aussage war das man jede Theorie theoretisch mit einer anderen Theorie widerlegen kann? Versuch das doch mal zu widerlegen.
 
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SandrA
12. Juni 10:04
Auch du durchmischt hier die Begriffe Bindung und Beziehung. So ist das imho nicht sinnvoll zu besprechen. Kann ich eine Bindung zu einem Lebewesen etablieren, ohne es auch nur ein Mal zu füttern? Kann ich der alleinige Fütterer des Lebewesens sein und trotzdem in keinerlei Bindung zu ihm stehen?
Der Unterschied zwischen Beziehung und Bindung ist unstrittig – Bindung beschreibt eine spezifische Qualität innerhalb einer Beziehung, geprägt durch Verlässlichkeit, emotionale Sicherheit und Nähe (vgl. z. B. auch Range & Virányi, 2022). Eine Gleichsetzung habe ich an keiner Stelle vorgenommen.

Zur Fütterung: Natürlich erzeugt sie nicht automatisch Bindung. Aber in einer sozialen Spezies wie dem Hund kann sie – wenn eingebettet in verlässliche, kommunikative Fürsorge – ein bedeutsames Bindungselement sein. Entscheidend ist nicht das Futter, sondern der soziale Kontext, in dem es gegeben wird.

Bindung ohne Fütterung? Möglich. Fütterung ohne Bindung? Ebenfalls. Die relevanten Fragen liegen nicht im Entweder-oder, sondern in der Qualität der sozialen Einbettung.
 
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Julia 🐾Nero
12. Juni 10:23
Die Diskussion ist durchaus wichtig – nicht zuletzt, weil der Begriff „Bindung“ im Hundetraining oft entweder alltagssprachlich verwendet oder umgekehrt akademisch überhöht wird. Deine Bemühung um Klarheit und Differenzierung finde ich grundsätzlich löblich. Dennoch entsteht in deinem Beitrag der Eindruck, ein unnötiger Gegensatz zwischen emotionaler Bindung und Versorgung beziehungsweise Interaktion werde konstruiert. Dabei zeigen sowohl neurobiologische als auch verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, dass diese Ebenen gerade im Mensch-Hund-Verhältnis eng miteinander verflochten sind. Bindung ist mehr als reine emotionale Nähe. Sie entsteht aus konkreten, wiederholten Erfahrungen: Nähe, Trost, Orientierung – und ja, auch aus Fürsorgehandlungen wie Fütterung. Dabei geht es nicht um mechanische Nahrungszuteilung, sondern um gelebte Kommunikation: „Jemand kümmert sich verlässlich um mich.“ Gerade bei Hunden, die seit Jahrtausenden auf Kooperation und Ressourcenteilung mit Menschen geprägt sind, lässt sich dieser Aspekt kaum ausklammern, ohne wesentliche Grundlagen der sozialen Beziehung zu ignorieren. Der Rückgriff auf Harlows Affen-Experimente als „Beweis“ greift für die Bindung zwischen Mensch und Hund zu kurz. Die Affen wählten die Stoffmutter – aber sie benötigten beides: Nähe und Versorgung. Bei Hunden, deren Bindung sich im Alltag wesentlich stärker über sozial-kooperative Routinen formt, lässt sich dieser Dualismus nicht sinnvoll in „irrelevant“ und „ausschlaggebend“ aufteilen. Vielmehr geht es um das Zusammenspiel beider Faktoren. Auch die „Futterautomat“-These überzeugt empirisch nicht. Hunde unterscheiden sehr wohl zwischen absichtlicher, sozial eingebetteter Futtergabe und rein funktionaler Versorgung. Zahlreiche Studien belegen, dass Futter, wenn es im Rahmen positiver Interaktion gegeben wird, nicht nur Motivation, sondern auch Beziehung stärkt. Es geht dabei nicht um das Futter an sich, sondern um den Kontext: Blickkontakt, Tonfall, Interaktion. Dabei wird nachweislich Oxytocin ausgeschüttet – ein Hormon, das in der Bindungsforschung eine zentrale Rolle spielt. Besonders bei unsicheren oder neu zugezogenen Hunden zeigt sich, wie stark ritualisierte Fürsorge – inklusive Fütterung – Vertrauen aufbauen kann. Nicht als Trick oder Methode, sondern als verlässliches Beziehungsgeschehen. Diese Form von Fürsorge ist sozial codiert, und eben darin liegt ihr bindungsrelevanter Wert. Bindung auf Futter zu reduzieren, ist sicher falsch. Aber sie vollständig aus dem Beziehungsgeflecht auszuklammern, bedeutet, einen wesentlichen Baustein der Mensch-Hund-Beziehung zu übersehen. Bindung ist kein abstraktes Ideal, sondern entsteht durch konkrete, sozial eingebettete Alltagserfahrungen. Abschließend sei angemerkt, dass wiederholte Unterstellungen wie „themenferne“ oder „Privatinterpretationen“ die Diskussion unnötig erschweren. Solche rhetorischen Spitzen fördern den Austausch kaum und wirken eher kontraproduktiv. Ein respektvoller Dialog auf Augenhöhe setzt voraus, dass unterschiedliche Perspektiven ernsthaft geprüft werden – daran wäre noch zu arbeiten. Edit: Wer sich für differenziertere Perspektiven auf Bindung bei Hunden interessiert, findet bei Range & Virányi (2022): Wolves and Dogs: Between Myth and Science eine lesenswerte Quelle. Die Autorinnen zeigen u.a., dass Bindung nicht an ständige Nähe gebunden ist, sondern sich auch über ritualisierte Kooperationen wie Fütterung stabilisieren kann – vorausgesetzt, diese sind sozial eingebettet.
Super beschrieben!

Ich finde es mega schade, dass an sich interessante Gespräche immer so einen negativen Beigeschmack bekommen, weil es schnell nur ums Recht und das letzte Wort haben zu gehen scheint, zuzüglich zu miesen rhetorischen Mitteln.

Die Affenbaby Experimente halte ich ebenfalls für nicht relevant, weil die Präferenz für die Kunstfell-Mutterattrappe kein Anzeichen für Bindung ist, sondern für taktile Instinkte.
Das Affenbaby hat weder eine Bindung zur Flaschen-Mutterattrappe, noch zur Kunstfell-Mutterattrappe. Genauso wie ein Känguru Baby in einen gehaltenen Stoffbeutel springt, sind das eher Instinkte, die durch Anhänglichkeit zur Mutter das Überleben sichern sollen.
Dann gibt es ja auch noch die Prägung, die weder mit Beziehung, noch mit Bindung etwas zu tun hat.

Außerdem ist diese konträre entweder-oder Einstellung in der Praxis einfach nicht hilfreich.
Es ist klar evident, dass Futtergabe eine effektive Möglichkeit ist eine Beziehung zu einem Tier einzugehen und eine Beziehung ist der Grundbaustein, der den Aufbau einer Bindung überhaupt erst ermöglicht.

Eine klare Trennung ist vielleicht per Definition und Theorie möglich, aber in der Praxis sind die Übergänge fließend und viel Aspekte sind eher komplementär und ergänzend, als konträr.
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 11:30
Das was du Gerade machst ist Ablenken, in deiner Aussage stand das Schutzbedürfnis ein wichtiger Bestandteil der Bindung wäre, was ich mit meinem Beispiel des Herdenschutz Hund widerlegt habe. Meine Aussage war das man jede Theorie theoretisch mit einer anderen Theorie widerlegen kann? Versuch das doch mal zu widerlegen.
Ein erwachsenes Lebewesen ist nichtmehr unbedingt schutzbedürftig.
Ob und in welcher Form das das der Fall ist, hängt von verschiedenen Parametern ab, angefangen davon, ob es ein Rudeltier oder Einzelgänger ist über welche Position es in einer Gruppe innehat, in welcher körperlichen Verfassung es ist, wie sein Charakter und seine Lebensbedingungen sind etc etc
 
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Dogorama-Mitglied
12. Juni 11:32
Der Unterschied zwischen Beziehung und Bindung ist unstrittig – Bindung beschreibt eine spezifische Qualität innerhalb einer Beziehung, geprägt durch Verlässlichkeit, emotionale Sicherheit und Nähe (vgl. z. B. auch Range & Virányi, 2022). Eine Gleichsetzung habe ich an keiner Stelle vorgenommen. Zur Fütterung: Natürlich erzeugt sie nicht automatisch Bindung. Aber in einer sozialen Spezies wie dem Hund kann sie – wenn eingebettet in verlässliche, kommunikative Fürsorge – ein bedeutsames Bindungselement sein. Entscheidend ist nicht das Futter, sondern der soziale Kontext, in dem es gegeben wird. Bindung ohne Fütterung? Möglich. Fütterung ohne Bindung? Ebenfalls. Die relevanten Fragen liegen nicht im Entweder-oder, sondern in der Qualität der sozialen Einbettung.
Ja da stimme ich zu und genau das habe ich versucht auszudrücken - Nahrungsversorgung kann mit bindungsrelevanten Beziehungsaspekten einhergehen bzw in sie eingebettet sein, ist aber nicht ursächlich relevant für sie.

ZB, erreicht oder verbessert man über Handfütterung keine "gute"/"starke" Bindung. Und auch keine sichere.
Was andererseits aber wieder nicht heiß, dass Handfütterung nicht förderlich für andere Beziehungsaspekte sein kann.
 
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Babs
12. Juni 12:41
Ja da stimme ich zu und genau das habe ich versucht auszudrücken - Nahrungsversorgung kann mit bindungsrelevanten Beziehungsaspekten einhergehen bzw in sie eingebettet sein, ist aber nicht ursächlich relevant für sie. ZB, erreicht oder verbessert man über Handfütterung keine "gute"/"starke" Bindung. Und auch keine sichere. Was andererseits aber wieder nicht heiß, dass Handfütterung nicht förderlich für andere Beziehungsaspekte sein kann.
Was sind Beziehungsaspekte?
 
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SandrA
12. Juni 13:38
Super beschrieben! Ich finde es mega schade, dass an sich interessante Gespräche immer so einen negativen Beigeschmack bekommen, weil es schnell nur ums Recht und das letzte Wort haben zu gehen scheint, zuzüglich zu miesen rhetorischen Mitteln. Die Affenbaby Experimente halte ich ebenfalls für nicht relevant, weil die Präferenz für die Kunstfell-Mutterattrappe kein Anzeichen für Bindung ist, sondern für taktile Instinkte. Das Affenbaby hat weder eine Bindung zur Flaschen-Mutterattrappe, noch zur Kunstfell-Mutterattrappe. Genauso wie ein Känguru Baby in einen gehaltenen Stoffbeutel springt, sind das eher Instinkte, die durch Anhänglichkeit zur Mutter das Überleben sichern sollen. Dann gibt es ja auch noch die Prägung, die weder mit Beziehung, noch mit Bindung etwas zu tun hat. Außerdem ist diese konträre entweder-oder Einstellung in der Praxis einfach nicht hilfreich. Es ist klar evident, dass Futtergabe eine effektive Möglichkeit ist eine Beziehung zu einem Tier einzugehen und eine Beziehung ist der Grundbaustein, der den Aufbau einer Bindung überhaupt erst ermöglicht. Eine klare Trennung ist vielleicht per Definition und Theorie möglich, aber in der Praxis sind die Übergänge fließend und viel Aspekte sind eher komplementär und ergänzend, als konträr.
Danke, Julia – dein Hinweis auf die taktilen Instinkte im Kontext der Harlow-Experimente ist ein spannender Aspekt. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass die Stoffmutter vor allem als sensorischer Beruhigungsanker diente – nicht als vollwertige Bindungsfigur. Genau das macht aber auch deutlich, wie basal körperlich vermittelte Sicherheitserfahrungen zur Entwicklung von Bindung beitragen können, ohne sie bereits zu belegen.

Gleichzeitig zeigen Studien zur Mensch-Hund-Beziehung, dass Fürsorgehandlungen – einschließlich sozial eingebetteter Fütterung – in der frühen Bindungsentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Dabei zählt vor allem der kommunikative Kontext: Blickkontakt, Stimme, Timing. Ich stimme dir zu, in diesem Zusammenspiel entstehen – zumindest bei sozial motivierten Individuen – oft stabile Beziehungsmuster, aus denen sich auch Bindung entwickeln kann.

Genau, dass man Beziehung, Bindung, Prägung und auch instinktives Verhalten konzeptionell trennen kann, ist unbestritten – und ich stimme dir abermals zu, in der Praxis sind die Übergänge aber häufig fließend. Gerade deshalb lohnt es sich, Begriffe sauber zu verwenden, aber ohne in starre Entweder-oder-Logiken zu verfallen.
 
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SandrA
12. Juni 13:39
Ja da stimme ich zu und genau das habe ich versucht auszudrücken - Nahrungsversorgung kann mit bindungsrelevanten Beziehungsaspekten einhergehen bzw in sie eingebettet sein, ist aber nicht ursächlich relevant für sie. ZB, erreicht oder verbessert man über Handfütterung keine "gute"/"starke" Bindung. Und auch keine sichere. Was andererseits aber wieder nicht heiß, dass Handfütterung nicht förderlich für andere Beziehungsaspekte sein kann.
Handfütterung allein bewirkt sicher keine „starke Bindung“ – aber im Kontext einer verlässlichen, fein abgestimmten Interaktion kann sie Teil einer bindungsfördernden Gesamterfahrung sein.
 
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Lena
12. Juni 13:47
Handfütterung allein bewirkt sicher keine „starke Bindung“ – aber im Kontext einer verlässlichen, fein abgestimmten Interaktion kann sie Teil einer bindungsfördernden Gesamterfahrung sein.
Das ist genau das was ich ja von Anfang an sage, dass es unterstützend wirken kann sozusagen! 🙃