Die Diskussion ist durchaus wichtig – nicht zuletzt, weil der Begriff „Bindung“ im Hundetraining oft entweder alltagssprachlich verwendet oder umgekehrt akademisch überhöht wird. Deine Bemühung um Klarheit und Differenzierung finde ich grundsätzlich löblich. Dennoch entsteht in deinem Beitrag der Eindruck, ein unnötiger Gegensatz zwischen emotionaler Bindung und Versorgung beziehungsweise Interaktion werde konstruiert. Dabei zeigen sowohl neurobiologische als auch verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse, dass diese Ebenen gerade im Mensch-Hund-Verhältnis eng miteinander verflochten sind.
Bindung ist mehr als reine emotionale Nähe. Sie entsteht aus konkreten, wiederholten Erfahrungen: Nähe, Trost, Orientierung – und ja, auch aus Fürsorgehandlungen wie Fütterung. Dabei geht es nicht um mechanische Nahrungszuteilung, sondern um gelebte Kommunikation: „Jemand kümmert sich verlässlich um mich.“ Gerade bei Hunden, die seit Jahrtausenden auf Kooperation und Ressourcenteilung mit Menschen geprägt sind, lässt sich dieser Aspekt kaum ausklammern, ohne wesentliche Grundlagen der sozialen Beziehung zu ignorieren.
Der Rückgriff auf Harlows Affen-Experimente als „Beweis“ greift für die Bindung zwischen Mensch und Hund zu kurz. Die Affen wählten die Stoffmutter – aber sie benötigten beides: Nähe und Versorgung. Bei Hunden, deren Bindung sich im Alltag wesentlich stärker über sozial-kooperative Routinen formt, lässt sich dieser Dualismus nicht sinnvoll in „irrelevant“ und „ausschlaggebend“ aufteilen. Vielmehr geht es um das Zusammenspiel beider Faktoren.
Auch die „Futterautomat“-These überzeugt empirisch nicht. Hunde unterscheiden sehr wohl zwischen absichtlicher, sozial eingebetteter Futtergabe und rein funktionaler Versorgung. Zahlreiche Studien belegen, dass Futter, wenn es im Rahmen positiver Interaktion gegeben wird, nicht nur Motivation, sondern auch Beziehung stärkt. Es geht dabei nicht um das Futter an sich, sondern um den Kontext: Blickkontakt, Tonfall, Interaktion. Dabei wird nachweislich Oxytocin ausgeschüttet – ein Hormon, das in der Bindungsforschung eine zentrale Rolle spielt.
Besonders bei unsicheren oder neu zugezogenen Hunden zeigt sich, wie stark ritualisierte Fürsorge – inklusive Fütterung – Vertrauen aufbauen kann. Nicht als Trick oder Methode, sondern als verlässliches Beziehungsgeschehen. Diese Form von Fürsorge ist sozial codiert, und eben darin liegt ihr bindungsrelevanter Wert.
Bindung auf Futter zu reduzieren, ist sicher falsch. Aber sie vollständig aus dem Beziehungsgeflecht auszuklammern, bedeutet, einen wesentlichen Baustein der Mensch-Hund-Beziehung zu übersehen. Bindung ist kein abstraktes Ideal, sondern entsteht durch konkrete, sozial eingebettete Alltagserfahrungen.
Abschließend sei angemerkt, dass wiederholte Unterstellungen wie „themenferne“ oder „Privatinterpretationen“ die Diskussion unnötig erschweren. Solche rhetorischen Spitzen fördern den Austausch kaum und wirken eher kontraproduktiv. Ein respektvoller Dialog auf Augenhöhe setzt voraus, dass unterschiedliche Perspektiven ernsthaft geprüft werden – daran wäre noch zu arbeiten.
Edit: Wer sich für differenziertere Perspektiven auf Bindung bei Hunden interessiert, findet bei Range & Virányi (2022): Wolves and Dogs: Between Myth and Science eine lesenswerte Quelle. Die Autorinnen zeigen u.a., dass Bindung nicht an ständige Nähe gebunden ist, sondern sich auch über ritualisierte Kooperationen wie Fütterung stabilisieren kann – vorausgesetzt, diese sind sozial eingebettet.