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Dogorama-Mitglied
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zuletzt 31. Jan.

Immer erst noch Gucken...

In meiner Fantasie spreche ich meinen Hund gezielt an - zB Name oder Komm her - und sobald er meine Stimme hört, dreht er sich zackzack um und sieht mich an oder tut was ich will. In meiner Realität spreche ich meinen Hund gezielt an - zB Name oder Komm her - und sobald er meine Stimme hört, guckt er nicht selten erstmal noch ein gutes Weilchen in der Gegend rum, bevor er mich ansieht oder tut was ich will. (Ja ich hab prompte Reaktion auf Ansprache geübt und verstärkt. Hat bisher nicht viel geändert) 2 konträre Probleme hab ich mit diesem Verhalten: 1) Es nervt mich als Kontrollfreak ziemlich, nicht zuletzt weil es ihm Zeit gibt, sich gegen meine Aufforderung zu entscheiden und Blödsinn zu machen. 2) Je länger ich ihn dabei beobachte, um so mehr bekomm ich den Eindruck, dass das Abchecken der Umgebung wichtig für ihn/rassetypisch ist. Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis/der Notwendigkeit prompter Befehlsbefolgung (sehr dicht frequentierter Lebensraum mit viel Potential für Probleme) und dass ich gerne meine Toleranz etwas erhöhen und auch ein verzögertes Befolgen akzeptieren würde, sofern dazwischen kein Blödsinn gemacht wird. Vielleicht müsste ich auch konkretere Anweisungen für konkrete Situationen ausarbeiten...? Und den Unterschied besser erkennen, zwischen Umsehen und Anvisieren (incl Davonlaufen)...? Habt ihr dazu ähnliche Erfahrungen und Gedanken?
 
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Sabine
23. Jan. 08:21
Hi Joe,

die Problematik ist wohl fast allen bekannt. Obi hat das natürlich auch im Repertoire.
Witzigerweise war es zu Beginn unserer Reise wesentlich ausgeprägter. Ich konnte ihn damals z.B. bei Hundebegegnungen nicht zurückrufen. Ging nicht. Meist ist er auch noch abgehauen.

Ich habe dann bemerkt, das ich ihn stoppen konnte, um ihn dann einzusammeln.

Das war also unsere Richtschnur und AHA-Moment: Verlange nur, was er auch leisten kann, ansonsten produzierst du Frust auf beiden Seiten.

Heute ist es mittlerweile so, das ich ihn aus ALLEN Situationen zurückrufen kann. Ohne Verzögerung, wenn ich es brauche.

Was ich sagen will, manche Dinge brauchen Zeit. Hunde sind keine Maschinen, die in jeder Entwicklungsphase gleich reagieren.

Das Abchecken der Umgebung ist m.E. eine überlebensnotwendige Strategie und nicht nur bei Hunden. Ohne dies überlebt keiner. Insofern macht es durchaus Sinn und Obi und ich tun dies auch oft gemeinsam. Mein OK wird sogar als Sicherheitsnachweis akzeptiert. 🥳

Ich nehme ihm diese Aufgabe aber sehr häufig ab, damit er weiß, daß es nicht seine Hauptaufgabe ist, sondern meine.

Wenn er etwas zuerst abcheckt, dann geselle ich mich oft dazu und prüfe mit. Ich folge seinen Blicken. Oder auch umgekehrt. Dann besprechen wir die Lage und entscheiden.

Das alles hatte zur Folge, daß er mich als Sicherheitsbeauftragte vollumfänglich akzeptiert hat und sich auf mich verlassen kann.

Und ja, ich bin in ständiger Kommunikation mit Obi. Das gibt uns beiden ein sicheres Gefühl.
 
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Babs
23. Jan. 08:32
Kannst du das konkretisieren? Sagt mir so in dem Einzeiler in meinem Zusammenhang jetzt nicht viel...
Zum Beispiel das Kommando "komm". Hat man fleißig trainiert, aber nicht darauf geachtet, dass der Hund vorher immer mal kurz woanders hingeschaut hat. Dann würde der Hund bei dem Kommando "komm" durch die Gegend schauen und dann erst kommen.
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 08:38
Ich kenne das Problem mit der Scannerei bei Rückruf auch. Bei mir traf das vor allem auf den Hund zu, zu dem ich die innigste Bindung hatte. Ein Malimix mit ausgeprägten Hüte-Attributen und er war sicher auch der mit Abstand pfiffigste meiner Hunde, WtP und gefühlt permanent in Austausch mit mir. Den konnte aber eben nicht nur ich, sondern der konnte vor allem mich sehr gut lesen - und er konnte sehr gut und blitzschnell eigene Schlüsse ziehen. Egal, wie ich das Rückrufsignal in bestimmten potenziell spannenden/ablenkungsreichen Situationen kommuniziert habe - gerufen, gepfiffen, geklatscht, hoch, tief, laut, leise whatever - er schaute sich in alle Richtungen um und die Wahrscheinlichkeit, dass er sich in solchen Momenten gegen mein Kommando entschied, lag gut bei 1:5 würd ich sagen. Bei uns hat letztlich auch geholfen, was hier schon jemand schrieb: nicht Rückruf sondern Stopp, da konnte er dann weiter gucken und ich denke dadurch fiel es ihm deutlich leichter das Kommando verlässlich zu befolgen und auch zu halten. Zumal er offenbar nicht in einen inneren Konflikt geriet. Die Wahrscheinlichkeit, dass er aus dem Stopp losschoss ging gegen 0.
Seeeeeehr interessant, danke vielmals!

Ich hab ähnliches festgestellt mit Richtungsansage.
Wenn G zu etwas hin will und ich ihn in die Gegenrichtung schicke, fällt ihm das deutlich leichter, als wenn ich ihm Nein sage oder ihn abrufe.

Das kommt also GANZ oben auf die Liste - Stop und generelle "Fernsteuerung" jenseits Rückruf ausbauen.
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 08:40
Hallo Joe Wenn man einen Bordercollie in den Highlands bei der Arbeit gesehen hat, weiß man, wie prompt die Anweisungen ausführen können. Eventuell ist dein Ton recht streng, wenn deine Erwartung eine zügige Ausführung ist. Das könnte dazu führen, dass dein Hund wenig Freude an der direkten Ausführung hat. Vielleicht kannst du das Training spielerischer gestalten und mehr Spaß rein bringen. Das hat bei meinen Hunden bisher gut funktioniert. Viel Erfolg und viele schöne Stunden mit deiner Fellnase Liebe Grüße, Elke
Danke dir!

Ich klinge tatsächlich wie die ärgste Furie, wenn es um Ernstfall nicht klappt wie es soll 😅🫣
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 08:43
Hab ich vielleicht falsch ausgedrückt: es sind auch keine komplett unbekannte Gegenden, eher der Park wo wir halt 3x im monat hin fahren oder so. Da ist die erregungslage/ ablenkungen grundlegend höher als in bekannter Umgebung. Gerade wenn wir genau eine große ablenkung haben ist der Reiz gefühlt größer und der Wunsch nochmal zu scannen vs. Wenn ohnehin viele reize da sind, die "ständig" in der Umgebung sind. Da ist ein neuer Reiz dann weniger "scan" wert bzw. Muss da eben nicht beurteilt werden ob er dafür den Rückruf ignoriert. Das mit dem mal ohne Reiz abrufen mache ich auch, hatte ich hier nicht gelesen waren schon zu viele posts sorry.
Ok verstehe.

Ich ruf auch oft einfach so ab, er guckt auch nicht immer rum, oft geht das wirklich aus dem Lauf zurück - aber halt nicht immer.

Eure Beobachtungen, dass die Anrede und der Rückruf ein Hinweis auf was Interessantes sein können, find ich trotzdem sehr wertvoll.
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 08:49
Das in den Weg stellen sehe ich nicht als Strafe an, sondern gehört für mich zu einer normalen Kommunikation. Worauf ich in so einer Situation achten würde ist, dass der Hund das tatsächlich verstanden hat (sich körpersprachlich auch mal zurücknimmt), man den eigenen Körper dann aber auch wieder entspannt. Wir nennen das "soziales Gespräch". Sich einfach nur in den Weg stellen und dann sofort wieder auflösen, reicht meisstens nicht aus und ist auch nicht logisch für den Hund. Habe ich ein Thema/einen Konflikt aufgemacht, ist es m. E. wichtig, da dann auch in seiner Entscheidung konsequent zu bleiben. Aber ich weiß natürlich nicht, wie ihr das normalerweise macht.
Per Definition ist alles, was ein Verhalten vermindert eine Strafe.
In den Weg stellen bzw das Hinlaufen zu etwas zu unterbrechen, ist als positive Strafe zu werten, weil es etwas dem Hund in dem Moment Unangenehmes in die Interaktion bringt.

Er würde ja gerne weglaufen, das zu verhindern findet er momentan zumindest doof und wenn ich häufig erfolgreich mache, wird er es künftig seltener versuchen.
 
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Maria
23. Jan. 08:51
Ok verstehe. Ich ruf auch oft einfach so ab, er guckt auch nicht immer rum, oft geht das wirklich aus dem Lauf zurück - aber halt nicht immer. Eure Beobachtungen, dass die Anrede und der Rückruf ein Hinweis auf was Interessantes sein können, find ich trotzdem sehr wertvoll.
Danke,
Wir sind auch gut voran gekommen mit stopp statt rückruf. Das hat uns viel ermöglicht.
Sabine hat es wunderbar beschrieben, auch das danach gemeinsam hinstellen und beobachten kann super wichtig sein.
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 09:00
Liebe Kollegen, zwischendurch nochmal ganz allgemein Danke für die vielen sachlichen und hilfreichen Beiträge!
 
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Babs
23. Jan. 09:04
Per Definition ist alles, was ein Verhalten vermindert eine Strafe. In den Weg stellen bzw das Hinlaufen zu etwas zu unterbrechen, ist als positive Strafe zu werten, weil es etwas dem Hund in dem Moment Unangenehmes in die Interaktion bringt. Er würde ja gerne weglaufen, das zu verhindern findet er momentan zumindest doof und wenn ich häufig erfolgreich mache, wird er es künftig seltener versuchen.
Yep, der Definition nach bin ich ganz bei Dir, dennoch gehört das für mich zu einer normalen Kommunikation.

Beispiel: Meine Hündin mag keine anderen dynamischen Hunde in ihrer Nähe. Mein Rüde hingegen findet es super, sich mit dynamischen Hunden abzugeben. Rennt nun der "fremde Hund" auf meine Hündin zu, setzt mein Rüde alles dran, sich dazwischen zu stellen. Jetzt kann man über seine Motivation diskutieren, da er ein Hütehund ist, aber darum geht es mir gerade nicht. Er sagt lediglich dem fremden Hund:" Nö, da gehst Du nicht hin." Sobald der fremde Hund sich abwendet, ist das Thema in der Regel durch, es wird weiter "gespielt" und der fremde Hund läuft nicht mehr in die Richtung meiner Hündin. Ich glaube nicht das mein Hund denkt:" So, den bestrafe ich jetzt." oder:" Den habe ich jetzt bestraft."
 
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Dogorama-Mitglied
23. Jan. 09:16
Yep, der Definition nach bin ich ganz bei Dir, dennoch gehört das für mich zu einer normalen Kommunikation. Beispiel: Meine Hündin mag keine anderen dynamischen Hunde in ihrer Nähe. Mein Rüde hingegen findet es super, sich mit dynamischen Hunden abzugeben. Rennt nun der "fremde Hund" auf meine Hündin zu, setzt mein Rüde alles dran, sich dazwischen zu stellen. Jetzt kann man über seine Motivation diskutieren, da er ein Hütehund ist, aber darum geht es mir gerade nicht. Er sagt lediglich dem fremden Hund:" Nö, da gehst Du nicht hin." Sobald der fremde Hund sich abwendet, ist das Thema in der Regel durch, es wird weiter "gespielt" und der fremde Hund läuft nicht mehr in die Richtung meiner Hündin. Ich glaube nicht das mein Hund denkt:" So, den bestrafe ich jetzt." oder:" Den habe ich jetzt bestraft."
Ob bzw was dein Hund oder wir denken ist irrelevant.

Strafe wird nicht durch die "Austeilenden" definiert, sondern ausschließlich durch ihre Wirkung auf die Empfänger.

Wird die Reaktion auf ein Verhalten vom Empfänger der Reaktion als unangenehm, frustrierend etc empfunden und hat somit eine Verminderung des dazugehörigen (die Reaktion auslösenden) Verhaltens zu Folge, definiert das die Reaktion als Strafe.

Wenn ein Hund auf andere Hunde zuböllert, dafür häufig angeknurrt oder abgeschnappt wird und es dadurch künftig seltener macht, hat er aus Strafe gelernt.