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Justine
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zuletzt 29. Juli

Hund Maßregelt

Hallo liebe Community, Ich bräuchte eure Hilfe und hoffe hier kann mir jemand helfen: Wir haben seit ein paar Monaten eine jetzt knapp 1 Jährige Schäferhündin aus 2. Hand bei uns. Am Anfang klappte alles gut bis sie irgendwann anfing mich anzuspringen und bevorzugt in den Unterarm zu beißen und diesen Festzuhalten. Wie sich herausstellte ist dies wohl eine Maßregelung und findet vor allem statt, wenn ich Spielzeug oder Futter dabei habe, welches sie nicht bekommen darf, aber auch, wenn wir in eine Richtung laufen und sie in die andere möchte. Das ist dann wie eine Übersprungshandlung und wird immer schlimmer. Trainer Nummer 1 riet, den Hund absitzen zu lassen und warten bis sie sich beruhigt hat (Hund blieb dann auch sitzen, wollte man dann weiterlaufen fing alles wieder von vorne an). Wir haben das 2 Wochen so fortgesetzt und es wurde schlimmer und die „Attacken“ häufiger. Unser jetziger Trainer rät uns das Verhalten zu ignorieren und strikt weiter zu laufen und dem Hund keinerlei Beachtung zu schenken, sie fängt dann an die Leine ein paar Meter im Maul zu tragen und es ist gut. Die „Attacken“ werden allerdings auch nicht weniger und bis sie dann mal die Leine im Maul hat ist sie bestimmt 3 Mal an mir hochgesprungen und hat in den Arm oder Hand gebissen. Ich bin mir auch nicht sicher ob man Fehlverhalten ignorieren sollte, aber immer, wenn man auf das Verhalten eingeht, verstärkt es die Attacken nur und sie fängt an sich reinzusteigern. Es liegt evtl die Vermutung vor, man habe mit ihr Schutzdienst angefangen, zum einen natürlich viel zu früh und zum anderen diesen total falsch aufgebaut (nur eine Vermutung eines Trainers). Ich weiß, übers Forum ist das immer schwer zu beurteilen, aber vielleicht könnten mir hier ein paar trotzdem ihre Meinung teilen, gerade ob ignorieren der richtige Weg ist oder ob jemand noch andere Anregungen hat. (Nein, sie ist nicht unser erster Hund. Ja, wir haben Hundeerfahrung. Ja, sie wird genug ausgelastet, daran liegt es nicht. Es ist laut beider Trainer eine reine Maßregelung und Übersprungshandlung).
 
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Justine
10. Juli 15:28
Ach und noch ein Nachtrag: Hunde unterwerfen sich nicht durch "am Hals packen und auf den Boden ringen", sie tun es nicht durch körperliche Gewalt – sie tun es auf Grund von Mimik, Gestik und Energie/Charisma des überlegenen Hundes! Und der unterlegene Hund unterwirft sich freiwillig. Er dreht sich ohne Kontakt auf den Rücken, blickt zur Seite und wartet, dass er verschont wird. Dann ist wieder alles cool. Wenn er zicken macht, bekommt er eine drüber, aber das ist dann ein anderes Level – das ist dann Kampf und Flucht. Und Vertrauen gibt es dann auch keins mehr. Deine Erziehungsvorschläge bringen den Hund also in eine für ihn lebensbedrohliche, traumatisierende und verängstigende Lage, wo innerhalb Sekunden mühsam aufgebautes Vertrauen und Bindung vernichtet wird und die Hundeseele bei jedem Mal etwas mehr stirbt. Das meinte ich mit "brechen". Der Hund sieht dich nicht mehr als Freund, Familie, Vertrauensperson sondern er fürchtet dich wie ein kleiner Bauer den grausamen tyrannischen König. Er will nur überleben und spurt nur, weil er gelernt hat, dass er den Menschen braucht. Furchtbar! Das der Hund trotzdem bleibt, ist dann konditioniert und vielleicht auch mangels Alternativen. Es gibt auch das amerikanische Sprichwort: "The more you punish a dog, the more he thinks he deserves it". Traurig. Also mein Hund wird mit Liebe, Verständnis, Aktivitäten, Klarheit, Kommunikation und auch Strenge erzogen. Ein Nein ist ein Nein ohne Diskussionen. Der weiß schon, was geht und was nicht. Aber ein Ja ist dann ein Super-Ja! Du sagst ja selber, dass das früher so bei dir praktiziert wurde und das es alte Methoden sind. Ich würde sagen Mittelalter. Zum Glück war früher nicht alles besser...
Diese ganze Dominanztheorie ist ja eigentlich schon total überholt. Man darf halt auch nicht vergessen, dass man ein Mensch und kein Artgenosse ist und der Hund sieht das genauso. Du kannst gar nicht so handeln wie es ein andere Hund machen würde, da gehört so viel mehr dazu. Ich persönlich möchte in diesem Moment auch nicht in diesem Konflikt mit meinem Hund stehen, da ich überhaupt nicht weiß, wie sie darauf reagiert und ich nicht wissen will was passiert, wenn sie diese aufgebaute Dominanz hinterfragt. So hole ich mir evtl noch mehr Probleme ins Haus.
 
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Justine
10. Juli 15:29
Modern heißt es jetzt vielleicht 'Korrekturerziehung nach dem Rudelprinzip' 🤷🏼‍♀️
Das Buch ist noch nicht gelesen, also kann ich das nicht einschätzen. Ich informiere mich gerne über neue Methoden, ob ich sie dann anwende kann ich nicht sagen.
 
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Menni
10. Juli 15:34
Das Buch ist noch nicht gelesen, also kann ich das nicht einschätzen. Ich informiere mich gerne über neue Methoden, ob ich sie dann anwende kann ich nicht sagen.
Das ist auch völlig in Ordnung so!
Ich hatte zum Glück auch nie einen Hund wo man solche Erziehungsmethoden anwenden mußte.
Leider ist aber nicht jeder Hund 'relativ' leicht zu erziehen' erst recht, wenn man die erworbenen Erfahrungen des Hundes nicht kennt.
 
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Peter
10. Juli 15:39
Diese ganze Dominanztheorie ist ja eigentlich schon total überholt. Man darf halt auch nicht vergessen, dass man ein Mensch und kein Artgenosse ist und der Hund sieht das genauso. Du kannst gar nicht so handeln wie es ein andere Hund machen würde, da gehört so viel mehr dazu. Ich persönlich möchte in diesem Moment auch nicht in diesem Konflikt mit meinem Hund stehen, da ich überhaupt nicht weiß, wie sie darauf reagiert und ich nicht wissen will was passiert, wenn sie diese aufgebaute Dominanz hinterfragt. So hole ich mir evtl noch mehr Probleme ins Haus.
Selbstverständlich weiß der Hund zu jeder Zeit, dass wir eine andere Spezies sind und kein Hund. Dennoch ist er intelligent genug, uns zu verstehen, wenn wir ähnliche Verhaltensmuster zeigen, daß klappt auch als Zweibeiner. Wirf dich doch mal auf den Boden, beuge den Oberkörper runter und fuchtel mit den Armen – der Hund erkennt, dass das eine Spielaufforderung ist.
Oder Quietschen und Aua schreien, wenn er beisst und anschließend weggehen und ignorieren. Kommt an. Oder immer gut: Raum für sich beanspruchen. Oder Vorbeugen und Drohfixieren klappt auch. Usw... Hunde können uns lesen, auch wenn wir ne andere Spezies sind. Dass sie auch ein paar verbale Kommandos lernen, ist nur good-will. Ein Entgegenkommen. Viel besser kommt aber Körpersprache an und wird auch klarer verstanden.
 
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Dogorama-Mitglied
10. Juli 15:51
Ich persönlich würde und habe Fehlverhalten nie ignoriert. Suki hatte auch ihre ich- will- aber- Phase während der Pubertät und war der Meinung Grenzen überschreiten zu müssen. Das wurde hier energisch sofort unterbunden und das sehr deutlich. Da reichte hier tatsächlich eine einmalige Ansage von mir. Was hilft sind Regeln, Grenzen, Tabuzonen, Training UO oder Dummy. Dann auf deine Körpersprache und Energie achten. Stimmt die nicht überein wirst du für den Hund unglaubwürdig.
Ich kann Katrin nur in allen Punkten zustimmen. Und du solltest auf keinen Fall wütend oder ärgerlich reagieren, sondern ausschließlich ruhig, bestimmt und konsequent.
 
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Menni
10. Juli 15:56
Ach und noch ein Nachtrag: Hunde unterwerfen sich nicht durch "am Hals packen und auf den Boden ringen", sie tun es nicht durch körperliche Gewalt – sie tun es auf Grund von Mimik, Gestik und Energie/Charisma des überlegenen Hundes! Und der unterlegene Hund unterwirft sich freiwillig. Er dreht sich ohne Kontakt auf den Rücken, blickt zur Seite und wartet, dass er verschont wird. Dann ist wieder alles cool. Wenn er zicken macht, bekommt er eine drüber, aber das ist dann ein anderes Level – das ist dann Kampf und Flucht. Und Vertrauen gibt es dann auch keins mehr. Deine Erziehungsvorschläge bringen den Hund also in eine für ihn lebensbedrohliche, traumatisierende und verängstigende Lage, wo innerhalb Sekunden mühsam aufgebautes Vertrauen und Bindung vernichtet wird und die Hundeseele bei jedem Mal etwas mehr stirbt. Das meinte ich mit "brechen". Der Hund sieht dich nicht mehr als Freund, Familie, Vertrauensperson sondern er fürchtet dich wie ein kleiner Bauer den grausamen tyrannischen König. Er will nur überleben und spurt nur, weil er gelernt hat, dass er den Menschen braucht. Furchtbar! Das der Hund trotzdem bleibt, ist dann konditioniert und vielleicht auch mangels Alternativen. Es gibt auch das amerikanische Sprichwort: "The more you punish a dog, the more he thinks he deserves it". Traurig. Also mein Hund wird mit Liebe, Verständnis, Aktivitäten, Klarheit, Kommunikation und auch Strenge erzogen. Ein Nein ist ein Nein ohne Diskussionen. Der weiß schon, was geht und was nicht. Aber ein Ja ist dann ein Super-Ja! Du sagst ja selber, dass das früher so bei dir praktiziert wurde und das es alte Methoden sind. Ich würde sagen Mittelalter. Zum Glück war früher nicht alles besser...
Da hast Du nicht ganz recht, aber hier jetzt darauf einzugehen würde den Ramen sprengen.
Freu Dich das Du mit Deinem Hund keine solche Probleme bewältigen mußt.
 
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Dogorama-Mitglied
10. Juli 16:00
Faszinierend! Ich dachte vorhin ähnlich: wenn es immer auf der Haus und Hofrunde passiert, muß da der Trigger irgendwo liegen! Der Schulhof ist eine heiße Fährte! Justine, so wie du alles beschreibst wie und was ihr macht, klingt für mich alles erstmal super und kompetent. Ich glaube, da liegt der Teufel echt im Detail. Diese Massregelung könnte bedeuten, dass sie nicht möchte, dass ihr "wieder Leinenführigkeit trainiert". Sie will das möglicherweise verhindern. Deswegen nimmt sie dich "an den Arm" auf Schäferhundart und möchte dir sagen: lass uns was anderes machen / wo anders hin. Da wäre mein Trainingsansatz, dass du mit ihr dort, auf dem Schulhof, was ganz tolles machst! Ballspiele, Apportieren, rennen, lustig spielen, auch mal das Frühstück dort füttern... Rennen ist vielleicht ein guter Start! Maulkorb auf (schon mal gut, gibt dir Gelassenheit) und kurz vor dieser blöd verknüpften Schule, nach dem Geschäft machen, fang an mit ihr zu joggen. Renn einfach mit Spaß und Enthusiasmus an dem Gebiet vorbei. So hab ich Neo mal dazu gebracht, eine Treppe zu gehen, die er anfangs verweigert hat. Nutz den Schwung aus und hau gleich noch was positives hinterher. Irgendwas ist an der Schule damals blöd gelaufen, denke ich, und das "alte" kannst du mit neuen positiven Erlebnissen überlagern. Löschen wohl nicht... Das bekommt ihr hin!
Das hört sich sehr schlüssig an. Ich würde es auch so probieren, wie Peter es beschrieben hat. Beim Rennen besteht allerdings die Gefahr des Anspringens wieder, aber ihr sofort ihr Lieblingsspielzeug werfen und so eine positive Situation herstellen ist bestimmt super.
 
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Dogorama-Mitglied
10. Juli 16:03
Also Unterwerfung & Abrichten statt Teamplay und Training. Okay, zum Glück muß man ja nicht jeden Tipp annehmen. Justine nutzt doch bereits einen Maulkorb und hat ausserdem früher versucht, dem Hund körperlich entgegen zu wirken. Was den Hund nur wilder gemacht hat. Aber möglicherweise hast du nicht alles gelesen. Statt Gewalt und Unterdrückung und "Brechen", wie es früher gerne bei Diensthunden gemacht wurde (da wird mir übel!) sollte man es mal intelligent angehen und psychologisch schauen, warum der Hund tut, was er tut. Also im gesamten Werdegang, Umfeld, Familienstruktur und bisherigem Training und Erlebnissen. Verständnis finde ich besser, als "Knüppel" drauf.
Chapeau 👍👍👍
 
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Dogorama-Mitglied
10. Juli 16:05
Sag niemals nie. Mein Motto wenn es um Hundeerziehung geht. Ich durfte viele Erziehungs- und Trainingsmethoden kennenlernen. Jeder Hund ist anders und auch ich würde immer die sanftere Methode zuerst versuchen. Aber ich hatte auch schon mit Hunden zu tun wo man um schlimmeres zu verhindern auch mal härter wie von Menni M beschrieben rangehen musste. In diesem Fall halte ich es jedoch nicht für nötig.
Ich bin allerdings der Meinung, dass diese Methode dann allerdings nur von einem Fachmann angewendet werden sollte und nur dann, wenn der Hund anders nicht zu handeln wäre.
 
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Justine
10. Juli 16:08
Ich kann Katrin nur in allen Punkten zustimmen. Und du solltest auf keinen Fall wütend oder ärgerlich reagieren, sondern ausschließlich ruhig, bestimmt und konsequent.
Das wünsche ich auch keinem und bereitet mir auch jeden Tag aufs neue Kopfschmerzen und schlaflose Nächte. Deswegen auch hier dieser „Hilfeschrei“. Wie du beschrieben hast, kommt es tatsächlich nicht häufig vor und das wurde mir auch schon mehrfach gesagt. Da wir sie aus 2. Hand haben kann es natürlich auch sein, dass sie nicht anders gelernt hat mit Frust umzugehen. Eine Antwort von der Vorbesitzerin bekomme ich übrigens seit dem ich sie darauf angesprochen habe nicht mehr. Wir werden das Problem in den Griff bekommen, aufgeben ist keine Option. Der Alltag und die Aktivitäten werde ich anders planen und strukturieren. Geduldig bleiben ist hier denke ich der Schlüssel zum Erfolg. Wenn es sich nicht bessert werde ich wohl einen Hundepsychologen einschalten. Einen Trainer möchte ich nicht mehr.